Das 123. US Open der Golfprofis wird am Sonntag im Los Angeles Country Club einen umjubelten Majorturnier-Sieger hervorbringen. Das dominierende Thema wird jedoch die Golfpolitik sein.
Ungewissheit und Unsicherheit könnten unter den weltbesten Golfern nicht grösser sein. Sie wissen nur, dass die bis vor kurzem verfeindeten US PGA Tour und LIV Tour in irgendeiner Form und wahrscheinlich zu Beginn der Saison 2023/24 zusammengehen, eventuell sogar zu einem einzigen Circuit fusionieren werden.
Für die Spieler der althergebrachten US PGA Tour war die Nachricht schockierend. Vor allem für Weltklassespieler wie Jon Rahm, Scottie Scheffler und Rory McIlroy, die verlockende Angebote von Hunderten von Millionen Dollar der 2022 gegründeten, in Saudi-Arabien ansässigen LIV-Tour ausgeschlagen haben, weil sie der amerikanischen Tour, der sie ihren sportlichen Ruhm und ihren Reichtum verdanken, treu bleiben wollten.
Die Loyalen müssen nun befürchten, dass abtrünnige Spieler wie Brooks Koepka, Dustin Johnson, Phil Mickelson und Sergio Garcia am Schluss den Fünfer und das Weggli haben werden: Der Fünfer sind in diesem Fall die wahnwitzigen Summen, die sie für den Wechsel zu dem vom langjährigen australischen Weltranglisten-Ersten Greg Norman (68) gemanagten Konstrukt eingestrichen haben. Das Weggli ist die vermutete Tatsache, dass sie trotzdem wieder sämtliche Turniere der amerikanischen Tour werden bestreiten können. 8 der 14 LIV-Turniere 2023 finden ohnehin schon in den USA statt.
Die Kehrtwende des Direktors
Bei dem Deal, mit dem in der Golfwelt niemand gerechnet hatte und über den noch keine Einzelheiten bekannt sind, spielte Jay Monahan, der Direktor der US PGA Tour, eine jämmerliche Rolle. Noch vor ein paar Wochen sagte er – nicht zu Unrecht – Saudi-Arabien betreibe mit der neuen Tour ein sogenanntes Sportwashing. Dank dem Sport wolle sich Saudi-Arabien ein besseres Image verschaffen. Monahan ging auch juristisch gegen die Saudis vor. Und plötzlich – wie aus heiterem Himmel – sind Monahan und die Saudis gut Freund.
In dieser Woche hätte Monahan in Los Angeles harte Fragen beantworten müssen. Er kommt jedoch darum herum: Die US PGA Tour gab bekannt, dass Monahan wegen eines nicht näher definierten medizinischen Problems einstweilen dem Tagesgeschäft fernbleibe.
Koepka, Rahm, Scheffler
Das US Open findet zum ersten Mal im Los Angeles Country Club statt, und zum ersten Mal seit 1948 gastiert es im Raum Los Angeles. Die ersten Favoriten sind die Spieler, die die ersten zwei Majorturniere des Jahres für sich entschieden haben: der Spanier Jon Rahm (US Masters im April) und der Amerikaner Brooks Koepka (US PGA Championship im Mai). Koepka würde mit dem sechstem Sieg an einem Turnier auf Grand-Slam-Stufe Phil Mickelson einholen. Von allen noch aktiven Spielern wäre nur Tiger Woods (15 grosse Titel) erfolgreicher. Woods seinerseits lässt weiterhin sein verletztes rechtes Bein pflegen und kann nicht antreten.
Zu den engsten Favoriten ist einmal mehr auch der Amerikaner Scottie Scheffler zu zählen. Er führt die Weltrangliste an und ist der konstanteste Spieler der letzten zwei Jahre auf dem amerikanischen Circuit. Er würde sich seinen zweiten Majortitel nach jenem vom US Masters 2022 vollauf verdienen.