Neun Medaillen haben Schweizer Athletinnen und Athleten an Leichtathletik-Weltmeisterschaften im Freien bisher gewonnen. Eine zehnte ist in Budapest möglich. Es muss allerdings optimal laufen.
An der WM vor einem Jahr in Eugene sicherte sich Simon Ehammer im Weitsprung die Bronzemedaille. Der 23-jährige Appenzeller ist auch in Ungarns Hauptstadt der grösste Schweizer Trumpf. Der Mehrkämpfer tritt abermals bloss in seiner besten Einzeldisziplin an, da der Zehnkampf einen Tag nach dem Final im Weitsprung beginnt. Von daher war ein Doppelstart, wie ihn Ehammer an den Olympischen Spielen im kommenden Jahr in Paris plant, keine Option.
Hätte er den gleichen Entscheid für die Olympischen Spiele treffen müssen, wäre Ehammer im Zehnkampf gestartet. Dass er nun dem Weitsprung den Vorzug gibt, ist auf eine hartnäckige Entzündung in der rechten Schulter beim Bizeps zurückzuführen. Deshalb wollte er gerade auch wegen Paris kein Risiko eingehen – umso mehr er sich aufgrund seiner Stärke im Weitsprung in einer komfortablen Situation befindet und auch in dieser Disziplin auf eine weitere WM-Medaille hoffen kann.
In der Meldeliste nimmt Ehammer mit 8,32 m den 8. Platz ein. Die Nummer 1 in diesem Jahr, der Inder Jeswin Aldrin, erzielte eine Weite von 8,42 m. Dieser Wert liegt drei Zentimeter unter der persönlichen Bestmarke von Ehammer, der Mitte Juni in Oslo als erster Schweizer Mann einen Wettkampf bei einem Diamond-League-Meeting für sich entschieden und dabei unter anderen den griechischen Olympiasieger Miltiadis Tentoglou hinter sich gelassen hat.
Joseph und Ditaji Kambundji überzeugen
Ehammer ist realistisch gesehen der einzige Schweizer Medaillenkandidat in Budapest. Allerdings haben sich auch Jason Joseph und Ditaji Kambundji im Hürdensprint prächtig entwickelt. Ersterer lief in diesem Jahr zweimal 13,10 Sekunden – vor 2023 lag sein Schweizer Rekord bei 13,12 Sekunden – und deutete trotz dieser Topzeiten an, dass er noch mehr in den Beinen hat.
Die letztjährige EM-Dritte Ditaji Kambundji steigerte ihre Bestzeit in diesem Jahr um gleich 23 Hundertstel auf 12,47 Sekunden. Mit diesen Zeiten sind beide ernsthafte Anwärter auf den Final der besten acht, ein Podestplatz käme jedoch einer Sensation gleich.
Wozu ist Mujinga Kambundji fähig?
Für Mujinga Kambundji, die Schweizer Sportlerin des Jahres 2022, wäre über 100 m der Sprung in die Top 8 ein grosser Erfolg. Dass die 31-jährige Bernerin das Potenzial dazu besitzt, steht ausser Frage – an der letztjährigen WM belegte sie in der Königsdisziplin den 5. Rang. Allerdings liess eine Entzündung in der Plantarfaszie am linken Fuss keine optimale Vorbereitung auf den Saisonhöhepunkt zu.
Mujinga Kambundji bestritt in diesem Jahr erst sechs Rennen, drei davon an den Schweizer Meisterschaften Ende Juli in Bellinzona. Einsätze über 200 m, über die halbe Bahnrunde ist sie die aktuelle Europameisterin, und mit der Staffel nahm sie frühzeitig aus der Saisonplanung.
Immerhin gab ihr das Abschneiden in Bellinzona die Gewissheit, für die WM bereit zu sein. Der Fuss hielt in allen drei Läufen der Belastung stand, und mit 11,05 Sekunden erzielte sie eine Zeit, die hoffen lässt, zumal sie schon mehrmals bewiesen hat, ihre Leistung auf den Punkt abliefern zu können. Das ist auch nötig. Nicht weniger als 15 der gemeldeten Läuferinnen sind in diesem Jahr schon unter elf Sekunden geblieben. Die Bestzeit von Mujinga Kambundji beträgt 10,89 Sekunden.
WM-Delegation so gross wie nie
Spannend wird auch zu sehen sein, wozu Siebenkämpferin Annik Kälin fähig ist. Die EM-Dritte und WM-Sechste im vergangenen Jahr bestreitet aufgrund einer Stressfraktur im linken Schienbein ihren ersten Siebenkampf in dieser Saison. Ricky Petrucciani, der in München als Zweiter über 400 m ebenfalls den Sprung aufs EM-Podest geschafft hatte, kam heuer bislang nicht auf Touren und ist in der Meldeliste mit 46,30 Sekunden weit hinten zu finden.
Insgesamt bot die Selektionskommission von Swiss Athletics 19 Frauen und 18 Männer auf, so viele wie noch nie für eine WM. In Eugene waren es 25. Mit Ajla Del Ponte fehlt ein klingender Name im Team. Die 27-jährige Tessinerin, 2021 in Tokio Olympia-Fünfte über 100 m, brach die Saison aufgrund einer Oberschenkelverletzung ab.