Der Strassenrad-WM in Zürich erlebt am Sonntag mit den Zeitfahren der Elite den ersten sportlichen Höhepunkt. Das Wichtigste im Überblick.
Liefert der Doppel-Olympiasieger auch in Zürich ab?
Die Favoritenrolle gehört dem Titelverteidiger Remco Evenepoel. Nach seinem historischen Double an den Olympischen Spielen in Paris will der 24-jährige Belgier seinem Palmarès ein weiteres Regenbogentrikot hinzufügen. Allerdings blickt der Ausnahmekönner, der im Sommer bei seiner Premiere an der Tour de France sogleich den Sprung aufs Podest geschafft hat, auf intensive Wochen zurück. «Es ist viel passiert nach den Olympischen Spielen», sagte er am Freitag in einer Medienrunde. «Viele Partys, Anfragen und Feierlichkeiten. Das war nicht einfach gewesen.» Zwischenzeitlich wurde er auch noch krank, weshalb er auf die Heim-EM von letzter Woche hat verzichten müssen. Er habe sich jedoch Zeit gelassen und sei ruhig geblieben. «Das war der richtige Ansatz, um jetzt in guter Form zu sein.» Er versichert: «Es ist noch Benzin im Tank.»
Wer sind die grössten Herausforderer?
Evenepoel winkt die Möglichkeit, erneut Geschichte zu schreiben. Holt er sich den Titel, wäre er der erste Mann, der im selben Jahr Olympiasieger und Weltmeister wird. Dies verhindern wollen eine ganze Reihe von hochdekorierten Herausforderern. Zum engsten Favoritenkreis gehört mit Stefan Küng auch ein Schweizer. Doch die Konkurrenz, die dem zweifachen Europameister die dritte WM-Medaille im Zeitfahren streitig machen will, ist gross: Der Italiener Filippo Ganna ist bereits zweifacher Weltmeister (2020 und 2021), der junge Brite Joshua Tarling fuhr im Vorjahr bei seiner WM-Premiere bei der Elite sogleich aufs Podest, und Primoz Roglic kommt als Rekord-Vuelta-Sieger nach Zürich. Der Slowene darf sich wie Evenepoel Olympiasieger nennen (2021 in Tokio). Falls Küng nicht sticht, hat die Schweiz mit Stefan Bissegger noch einen zweiten Trumpf.
Welche Charakteristik haben die Strecken?
Kopf runter und dem See entlang brausen ist bloss eine Fähigkeit, die auf den WM-Strecken gefragt ist – nämlich ganz zum Schluss. Die Elite der Männer bewältigt nach dem Start auf der Offenen Rennbahn in Oerlikon auf den 46,1 km 413 Höhenmeter. Wegen einer Steigung samt Gegensteigung im Mittelteil gilt es, die Kräfte einzuteilen. Insgesamt sind die Allrounder im Vorteil. Die Frauen starten in Gossau und haben bis zum Ziel am Sechseläutenplatz knapp 30 km zu bewältigen.
Wer sind die Favoritinnen?
Lotte Kopecky geht am Sonntagmittag als Europameisterin an den Start. Die 28-Jährige hat Lust auf mehr, sie würde als erste Belgierin überhaupt Weltmeisterin in dieser Disziplin werden. Ihre grössten Rivalinnen sind die Australierin Grace Brown, die Olympiasiegerin von Paris, Ellen van Dijk und Demi Vollering aus den Niederlanden sowie die Titelverteidigerin Chloé Dygert, die als Dritte in Paris auf dem Olympia-Podest stand und 2019 bereits einmal Zeitfahr-Weltmeisterin war.
Was ist von den Schweizer Frauen zu erwarten?
Das Fehlen von Marlen Reusser wiegt schwer. Ein Podestplatz liegt nicht drin, selbst die Top Ten sind schwer zu erreichen. Die Bündnerin Elena Hartmann, die Olympia-17. von Paris, vertritt die Schweizer Farben. Auch Jasmin Liechti startet. Die Bernerin wird allerdings als U23-Athletin gewertet. In Rennen der Frauen werden im Gegensatz zu den Männern zwei Medaillensätze vergeben. Das U23-Zeitfahren der Männer mit dem Schweizer Hoffnungsträger Jan Christen findet am Montag statt.
Seit wann gibt es globale Titelkämpfe im Zeitfahren?
Das Einzelzeitfahren an Weltmeisterschaften existiert seit der WM 1994 in Catania auf Sizilien – in allen Kategorien. Dafür entfiel ab 1995 das Mannschaftszeitfahren, das seit 1962 bestand. Die Tradition der Team-Wettkämpfe wurde erst ab 2012 wieder in verschiedenen Formaten aufgenommen. Seit 2019 hat sich die Mixed-Staffel etabliert.
Was sagt der Blick auf den ewigen Medaillenspiegel?
Dank Fabian Cancellara mit den vier WM-Goldmedaillen zwischen 2006 und 2010 taucht die Schweiz bei den Männern gar an zweiter Stelle auf. Den fünften Titel steuerte Alex Zülle 1996 bei. Stefan Küng mit Silber und Bronze, Tony Rominger mit Bronze sowie dreimal Platz 3 durch Cancellara ergeben elf Medaillen bei den Männern. Die Schweizer Frauen stehen mit neun Podestplätzen ebenfalls sehr gut da: Karin Thürig (2 Gold, 1 Silber, 1 Bronze), Nicole Brändli (2 Silber) und Marlen Reusser (2 Silber, 1 Bronze) verantworten dies.