Edouard Schmitz ist der grosse Aufsteiger im Team der Schweizer Springreiter. Ausserhalb der Reitsportszene aufgewachsen, gilt der 23-jährige Genfer für die wichtigen Events bereits als gesetzt.
«Ich erinnere mich sehr gut. Ich war total nervös. Es war mein erstes Interview überhaupt», antwortet der perfekt zweisprachige Romand auf das Jahr 2018 angesprochen. Damals war er zugleich der Auserlesene und das Opfer der Funktionäre des CSIO St. Gallen, die an der Medienkonferenz jeweils ein Nachwuchstalent präsentieren.
Von dieser netten Geste nahm aus sportlicher Sicht kaum jemand Notiz. Und auch 2021, als Schmitz auf dem Gründenmoos in St. Gallen von der Gönnervereinigung Swiss Team Trophy als «Rookie of the Year» ausgezeichnet wurde, hielt sich die Aufmerksamkeit in Grenzen.
Schlüsselerlebnis St. Gallen
Dies änderte sich 2022 schlagartig. In St. Gallen beim CSIO feierte der zuvor für Reitsport-Laien Unbekannte den Team-Einstand gleich mit dem lang ersehnten Sieg beim Heim-Nationenpreis. Und Schmitz fiel mit bloss einem Fehler in zwei Umgängen überhaupt nicht ab gegen die drei ehemaligen Weltranglisten-Ersten Martin Fuchs, Steve Guerdat und Pius Schwizer. «Ich bin mit diesen drei Reitern vor dem Fernseher aufgewachsen. Und dann darf ich mit ihnen reiten und auf Anhieb gewinnen. Das war völlig surreal», beschreibt der feingliedrige Athlet seine damalige Gefühlslage.
Auch die kommenden Monate glückten vollauf: WM-Teilnahme, Sieg im Grand Prix des Fünfsterne-CSIO von Dublin, Platz 3 beim Nationenpreis-Final in Barcelona oder die Qualifikation für den Weltcup-Final in den USA. Schmitz sprang in der Weltrangliste auf Position 36 hoch, bei den unter 25-Jährigen wird er als Nummer 3 geführt.
«Ich hätte diesen Leistungssprung nie erwartet, nicht einmal erhofft. Ich ging primär in den Stall, um meine Leidenschaft zu leben», sagt Schmitz und fügt mit einem Lächeln an: «Aber die Resultate pushen. Man will weitere solche Events. Ich glaube, ich habe Blut geleckt.» Als Schlüsselerlebnis nennt er den CSIO St. Gallen. «Ein Traum ging in Erfüllung und ich hoffe, dass ich aus diesem Traum nie mehr bös erwachen muss.»
Nicht viel geändert
Als wichtigsten Grund für den Erfolg nennt der Emporkömmling «die gleiche Aufstellung seit langer Zeit». Seit sechs Jahren stehen Schmitz' Pferde im Stall von Martin Fuchs in Wängi, dessen Vater Thomas, Trainer der Schweizer Equipe, ist sein persönlicher Coach und Mentor. Seit er 17 Jahre alt ist, geht er im Stall von Fuchs ein und aus, wenn er nicht an Turnieren reitet – derzeit an 38 Kalender-Wochenenden im Jahr. Der Wechsel kam zustande, weil sich der Sohn eines Zürchers und einer Waadtländerin dazu entschloss, das Studium an der ETH in Zürich aufzunehmen.
Schmitz setzt nun voll auf die Karte Sport, samt fünf bis sechs Jogging-Einheiten pro Woche. Dies allein macht ihn aber noch nicht zum erfolgreichen Reiter. «In unserem Sport gibt es ein paar Faktoren, die man nur bedingt beeinflussen kann: Wie viele gute Pferde stehen mir zur Verfügung? Erhalte ich die Möglichkeit, mich zu zeigen? Habe ich in den Wettkämpfen das nötige Glück?» Technisch reite er nicht gross anders als 2021. «Aber mit Quno und Gamin habe ich seit dem Sommer 2021 zwei Top-Pferde im Beritt und auch alles fügt sich nun zusammen», sagt er.
Den rasanten Aufstieg sieht er als Lohn für seinen Willen. Schmitz stammt nicht aus einer Reiterfamilie. Es war keine Selbstverständlichkeit, dass er in der Jugend seiner Passion nachgehen konnte. Im Gegenteil. Er musste einige Hindernisse im Elternhaus aus dem Weg räumen, um überhaupt den Weg in den Reitsport zu finden. «Mein Werdegang ist die Ausnahme. Dass ich es trotzdem geschafft habe, macht mich stolz», betont der Genfer.