Mit Stefan Bissegger und Stefan Küng schielen am Sonntag in Vaduz gleich zwei Schweizer auf den Sieg im Auftaktzeitfahren und das Leadertrikot der Tour de Suisse. Eine Rolle könnte das Wetter spielen.
Das Zeitfahren ist ein Kampf gegen die Uhr, um jede Sekunde – erst recht, wenn die Strecke wie am Sonntag im Fürstentum Liechtenstein nur 4,8 km lang und topfeben ist. Bei lediglich vier Richtungsänderungen dauert der Blindflug auf der kurzen Schleife im Ländle für die Veloprofis nicht viel länger als fünf Minuten. Knappe Abstände sind garantiert.
Im Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine muss deshalb alles passen. Am Ende gewinnt, wer die besseren Beine hat – und das bessere Material. Die Aerodynamik spielt in dieser Disziplin nämlich eine entscheidende Rolle. «Hast du nicht das richtige Material, hast du eh keine Chance», bestätigt Stefan Bissegger. Der Thurgauer, ein gelernter Velomechaniker und als Europameister von 2022 ein absoluter Fachmann in dieser Sparte, muss es wissen.
Küngs neues «Supervelo»
Auch Bissegger hat mitbekommen, dass sein Kantonskollege Stefan Küng im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Paris auf ein neues Gefährt setzen kann. «Supersonica», auf Deutsch Überschall, heisst die vom italienischen Hersteller Wilier entwickelte neue Wunderwaffe. Das Schweizer Velomagazin «Gruppetto» hat exklusiv darüber berichtet.
Im Vergleich zu Küngs bisherigem Zeitfahrvelo soll der Prototyp 16 Prozent windschlüpfriger sein. Bissegger zeigt sich ob Küngs neuem «Supervelo» recht unbeeindruckt. «Das ist mir egal. Zuerst muss er schnell sein.» Die Messungen im Windkanal könne man sowieso nicht eins zu eins mit den Bedingungen draussen vergleichen, so Bissegger.
Am Sonntag erlebt «die neue Geheimwaffe» (Küng) ihre Jungfernfahrt. «Die Vorfreude ist riesig», sagt er anlässlich der Fahrerpräsentation am Samstagabend mit einem breiten Grinsen im Gesicht. «Klar, das Ziel bleiben die Olympischen Spielen, wo ich um eine Medaille fahren will.» Der erste rennmässige Test soll diesbezüglich weitere Erkenntnisse liefern. Doch Küng will mehr, auch wenn er sich ein längeres Zeitfahren gewünscht hätte. «Auch wenn es kurz ist, weiss ich, was es braucht, um ein Zeitfahren an der Tour de Suisse zu gewinnen. Der Sieg bleibt das Ziel.»
Und wie steht es um seine Form? «Die war bis vor zehn Tagen sicher ganz gut, dann hat mich jedoch eine Bronchitis ins Bett gehauen.» Das Höhentrainingslager auf dem Säntis musste er deshalb abbrechen. Doch die Zuversicht bleibt – auch dank Heimvorteil. Küng besitzt neben dem Schweizer auch den liechtensteinischen Pass. «Meine Oma ist hier in Gamprin aufgewachsen. Ich habe viele Freunde und Verwandte hier und freue mich deshalb besonders, hier zu fahren.»
Welche Rolle spielt der Regen?
Auch Bissegger gibt sich zuversichtlich: «Die Beine sind gut. Das kurze Zeitfahren sollte mir liegen. Klar, ich will gewinnen.» Er hofft indes, dass seine Chancen auf ein Topresultat nicht vom Regen weggespült werden. Gemäss Prognosen dürfte es im Verlauf des Sonntags nass werden, eher gegen Abend. Bissegger wie auch Küng haben deshalb eine frühe Startnummer gewählt.
Der drohende Regen weckt in Bissegger schlechte Erinnerungen. Aber nicht etwa wegen der Reifenprobleme, die ihm in der Vergangenheit zu schaffen machten. Das Problem sei mittlerweile gelöst. «Wir benutzen im Zeitfahren bei Regen die herkömmlichen Pneus, wie bei normalen Etappen. Das funktioniert wunderbar.»
Vielmehr hofft der 25-Jährige vom Team EF Education-EasyPost, dass am Sonntag faire Bedingungen herrschen. Nicht so wie 2021, als er sich bei seinem Debüt an der Tour de Suisse in Gelb einkleiden lassen wollte. Seine Mission im Auftaktzeitfahren in Frauenfeld erlitt damals Schiffbruch, weil es während seiner Fahrt deutlich stärker regnete als bei der Konkurrenz. Am Ende fehlten ihm nur vier Sekunden auf den siegreichen Küng. Deshalb sagt Bissegger mit Blick auf Sonntag: «Ich hoffe, dass alle die gleichen Bedingungen haben und das Wetter stabil bleibt.»