Weltbestzeit über die Ironman-Distanz «Es ist für mich das i-Tüpfelchen meiner Karriere»

sfy, sda

28.6.2023 - 06:11

Daniela Ryf ist so schnell unterwegs wie noch nie
Daniela Ryf ist so schnell unterwegs wie noch nie
Keystone

Daniela Ryf hat am Sonntag eine Weltbestzeit über die Ironman-Distanz aufgestellt. In einem Interview spricht die 36-jährige Solothurnerin über die Bedeutung dieses Erfolges.

Keystone-SDA, sfy, sda

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Am vergangenen Samstag hat Daniela Ryf die Weltbestzeit über die Ironman-Distanz aufgestellt.
  • Im Interview mit der Nachrichtenagentur SDA gewährt Ryf Einblicke in ihre Welt.

Daniela Ryf hat einen weiteren Meilenstein erreicht. Am Sonntag hat sie die Weltbestzeit über die Ironman-Distanz aufgestellt. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur SDA spricht sie über die Bedeutung dieses Erfolges.

Daniela Ryf, Anfang Mai lasen sie sich bei einem Rennen auf Ibiza ein Virus auf, der Ihr Training stark beeinträchtigt hat. Nun gelang Ihnen am Sonntag in Roth eine Weltbestzeit. Wie ist das möglich?

«Es ist auch für mich etwas unerklärlich und sicher sehr erstaunlich. Ich hatte einen sehr guten Winter, trainierte grösstenteils in der Höhe von St. Moritz. In Ibiza war ich vom Training her am Limit, in der Folge begleitete mich das Virus bis vier Tage vor Rapperswil (dort fand am 11. Juni der Ironman 70.3 Switzerland statt). Ich verspürte jedes Mal nach dem Essen und auch beim Training Übelkeit. Wir fanden nie heraus, was genau es war. Es war wirklich eine schwierige Zeit, vor allem mental, da man in diesem Zustand keine grosse Lust verspürt zu trainieren. Dennoch absolvierte ich den vollen Umfang, allerdings mit geringerer Intensität. Vielleicht ist das das 'Key Learning' daraus, dass das Training nicht immer mega hart sein muss, es auch mit weniger geht. Brett (Sutton), mein Coach, hat mir geraten, nicht zu starten. Ich erzählte das meiner Mutter, die schon für das Rennen in Roth gebucht hatte. Deshalb wartete ich ab. Das macht das Ganze noch spezieller.»

Spürten Sie, das wird ein guter Tag?

«Schon in Rapperswil fühlte ich mich sehr gut, von da an wusste ich, dass ich nicht schlecht in Form bin. Das half mir mental enorm. Ich ging davon aus, dass jemand in Roth die Weltbestzeit brechen wird, da die technologische Entwicklung in den letzten zehn Jahren unglaublich rasant verlaufen ist. Zudem gibt es im Moment sehr viele gute Athletinnen in unserem Sport. Meine Gefühlslage vor dem Rennen wechselte zwischen sehr, sehr nervös und einfach froh zu sein, überhaupt teilnehmen zu können. Es war eine gute Mischung. Als ich losschwamm, merkte ich rasch, dass es heute gut kommt. Ich sagte mir: Jetzt oder nie.»

Welchen Stellenwert hat die Weltbestzeit in Ihrem eindrücklichen Palmarès?

«Sie gehört sicher zu den Top 3 in meiner Karriere, vielleicht ist es gar das Grösste, das ich je erreicht habe. Zwar gibt es über die Langdistanz so viele Einflüsse wie die Strömung, der Wind, die Hitze, dass die Rennen nicht komplett vergleichbar sind. Gleichzeitig hatte die Zeit von Chrissie Wellington lange Bestand (seit 2011). Diese Marke zu brechen, war das Letzte, das in meiner Karriere noch gefehlt hat. Von daher ist es für mich das i-Tüpfelchen.»

Sie waren eine Zeitlang quasi unschlagbar. Ist Siegen für Sie wie eine Droge?

«Nein. Klar ist es ein enorm schönes Gefühl zu siegen. Was mich jedoch antreibt, ist, mich weiterzuentwickeln und am Tag X abzuliefern. Über die Langdistanz können viele Fehler gemacht werden. Wenn dann wie am Sonntag alles zusammenpasst, dafür trainiere ich. Das Training ist sozusagen die Arbeit. In Roth hat es sich angefühlt wie in einem Film. Ich war in einem Flow-Zustand, es lief wie von selbst.»

An der letztjährigen Ironman-WM auf Hawaii mussten Sie sich mit Rang 8 begnügen. Wie sehr hat Sie dieses Resultat zum Zweifeln gebracht?

«Ehrlich gesagt, war ich erstaunt, wie wenig traurig ich war. Ich war ja nicht ganz gesund, bekam drei Tage später Corona. Ich wollte das aber nicht öffentlich als Grund angeben, dass ich schlecht war. Vor Hawaii fühlte ich mich allerdings einiges fitter als jetzt. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich zu viel gemacht hatte. Ich bin froh, die richtigen Schlüsse daraus gezogen zu haben. Ich änderte ein paar Sachen, beispielsweise das Setup beim Velo. Nun habe ich auch bezüglich Material das Gefühl, dass alles perfekt passt. Und ehrlich gesagt, freute ich mich auch, dass mal jemand anderes gewonnen hatte. Manchmal braucht es ein Rennen, in dem es nicht so läuft, damit man das Siegen wieder mehr schätzt. Die Niederlage motivierte mich. Dass ich merkte, im Training nicht alles richtig gemacht zu haben, war mit ein Grund dafür, nochmals alles zu versuchen, in Hawaii ein weiteres Mal zu triumphieren. Vermutlich werde ich dort zum letzten Mal starten, nächstes Jahr findet die Ironman-WM der Frauen ja in Nizza statt. Um für Hawaii die besten Chancen zu haben, bin ich zu Brett zurückgekehrt.»

Warum hatten Sie sich 2021 überhaupt von Sutton getrennt?

«Es war für mich Zeit, mal etwas anderes auszuprobieren. Ich war mit dem ganzen Setup nicht mehr zufrieden, wollte mich als Person und Athletin weiterentwickeln. Das tägliche Training erfüllte mich nicht mehr. Die fast zwei Jahre ohne ihn haben mir enorm gut getan, ich konnte mich ausleben, wobei ich stets nach seiner Philosophie trainierte. Nach Hawaii hatte ich dann das Gefühl, wieder mehr Struktur zu benötigen, um wieder in eine Routine hineinzukommen.»

Bei den Frauen dominieren im Gegensatz zu den Männern nach wie vor ältere Athletinnen. Haben Sie eine Erklärung dafür?

«Nein. Ich finde es erstaunlich, wie wenig junge Frauen sich trauen, auf die Langdistanz zu setzen. Es gibt sehr viele gute Athletinnen über die halbe Ironman-Distanz, die diesen Schritt nicht gewagt haben. Wenn das passiert, wird es anders sein.»

Wie gehen Sie ein Rennen mental an? Erarbeiten Sie sich einen Plan, den Sie visualisieren?

«Ich mache mir vor einem Wettkampf sehr viele Gedanken, bin jemand, der in der Rennwoche sehr viel Ruhe braucht, um Energie zu sammeln. Ich versuche mich, auf verschiedene Szenarien vorzubereiten, es ist jedoch nicht so, dass ich einen Plan aufschreibe. Es gilt, immer flexibel zu sein, da es meistens nicht so herauskommt, wie man denkt. Im Kopf bereit zu sein, ist das A und O über die Langdistanz. Man muss bereit sein, hart zu pushen und in eine Schmerzzone zu kommen, sich trauen, die Grenzen auszureizen. Die Kunst ist, die Schmerzen gar nicht als solche wahrzunehmen.»