Das faszinierende, zuletzt hitzige Titelduell in der Formel 1 steht vor der Entscheidung. Am Sonntag wird Lewis Hamilton zum achten Mal oder Max Verstappen zum ersten Mal Weltmeister.
Mit dem Grand Prix von Abu Dhabi geht eine Saison zu Ende, in der sich Hamilton und Verstappen vom ersten Meter weg nichts schuldig geblieben sind. Beide haben sie mehrfach das Machbare ausgelotet oder haben sie, wie bei den Kollisionen in Silverstone und Monza, diese Grenze überschritten.
Grenzen scheinen beide Lager mittlerweile keine mehr zu kennen. Aus einer angespannten Atmosphäre ist ein vergiftetes Klima geworden. Das Duell ist keines mehr, das sich auf Hamilton und Verstappen beschränkt. Je mehr sich die Fronten auf der Rennstrecke verhärtet haben, desto mehr hat sich der Kampf ausgeweitet, bis hin in die Chefetagen der beiden Teams. Der Umgangston ist rau geworden. Die gegenseitigen verbalen Angriffe haben in dem Masse an Intensität zugenommen, in dem der Gehalt auf ein bescheidenes Niveau abgesackt ist.
Ein Vorteil hier
Einen der beiden Fahrer zu favorisieren im Finale ist nicht möglich. Hamilton werden die etwas grösseren Chancen zugeschanzt – nicht zuletzt deshalb, weil die zum Teil signifikanten Veränderungen an der Strecke des Yas Marina Circuit dem Mercedes zum Vorteil gereichen könnten. Das sehen sie sogar bei Red Bull so. «Das sollte ihnen helfen», sagt Teamchef Christian Horner. «Allerdings dachten wir zuletzt in Saudi-Arabien auch, dass uns Mercedes deutlich überlegen ist, was ja nicht der Fall war.»
In Bezug auf Prognosen war es in diesem Jahr ohnehin so eine Sache. Oft verschoben sich die Vorteile vollends entgegen den Erwartungen, nicht selten sogar im Verlauf eines Grand-Prix-Wochenendes. Dieses ständige Wechselspiel war mitverantwortlich dafür, dass die beiden Konkurrenten mit der exakt gleichen Punktzahl zum Showdown in die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate reisten und für eine Ausgangslage sorgten, die es erst einmal gab. Vor 47 Jahren hatte der Brasilianer Emerson Fittipaldi gegen Clay Regazzoni das bessere Ende für sich behalten.
Ein Vorteil da
Trotz Punktgleichheit hat Verstappen einen kleinen Vorteil. Gehen er und Hamilton am Sonntag leer aus, ist der Niederländer aufgrund der höheren Anzahl Siege in diesem Jahr Weltmeister. Verstappen hat bisher neunmal gewonnen, Hamilton achtmal. Diese Konstellation lässt Gedanken an ein erzwungenes Ausscheiden der beiden Kontrahenten aufkommen. Die Möglichkeit einer Kollision ist in diesen Tagen eines der meistdiskutierten Themen, auch wenn beide involvierten Parteien die Fairness in den Vordergrund stellen.
«Wir wollen sie auf der Strecke schlagen und den Titel nicht bei den Stewards ausfechten oder im Kiesbett gewinnen», sagt Horner. Sein Antipode bei Mercedes, Toto Wolff, vertraut der Selbstregulierung. «Es gab genügend Warnschüsse, die dafür sorgen sollten, dass keiner einen Unfall heraufbeschwört.»
Einen gesitteten Ablauf des Rennens mahnte auch Michael Masi an, der für die Formel 1 zuständige Rennleiter. Die Warnung des Australiers war unmissverständlich. Er stellte bei grobem Fehlverhalten einen Punkteabzug oder eine Disqualifikation als mögliche Sanktionen in den Raum.
Trotz der vielen Nebenschauplätze mit all dem Gezänke liegt es nun an den beiden Protagonisten, für einen Abschluss zu sorgen, der dieser spannenden und abwechslungsreichen Saison würdig ist. Grenzen sollen ausgelotet, aber nicht überschritten werden.