
Der Weltverband der Radsportler (UCI) verbietet ab kommenden Montag die Kohlenmonoxid-Methode ausserhalb der medizinischen Einrichtungen.
Von Dopingbekämpfung darf man (noch) nicht sprechen, denn die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) ist nicht an Bord.
Ein halbes Jahr lang war es ruhig, nun lässt ein Communiqué der UCI die Sache mit dem Kohlenmonoxid wieder hochkochen. Dies schafft der Weltverband mit einer Medienmitteilung, die beim Laien mehr Fragen aufwirft als Antworten liefert. Ernst König, Direktor von Swiss Sport Integrity und somit quasi der höchste Schweizer Dopingjäger, hilft bei der Einordnung zum Verbot aus der Welt des Radsports.
«Das hat mit Doping-Regulierung nichts zu tun. Das geht unter Anpassung der Medical Rules der UCI», stellt König gleich zu Beginn des Telefonats mit Keystone-SDA klar. Jeder Weltverband im Sport könne neben den Doping-Vorgaben der WADA noch eigene Regeln aufstellen, aber eben nicht unter dem Titel «Doping-Bekämpfung».
Der Gebrauch des in grossen Mengen giftigen Kohlenmonoxids hatte bei der Tour de France im vergangenen Jahr für Diskussionen gesorgt. Dabei enthüllte eine Recherche des Webmagazins «Escape Collective», dass einige Teams und Fahrer Geräte benutzen, die einerseits die Hämoglobinkonzentration und das Blutvolumen messen. Andererseits ermöglichen diese Kohlenmonoxid-Rückatmungsapparate auch, das Gas in kleinen Mengen zu inhalieren, was – und das ist nicht belegt – zu einer Leistungssteigerung führen kann.
Nun beschloss der Weltverband am Wochenende, die Rückatmung ausserhalb der medizinischen Einrichtungen zu verbieten. Die Verwendung «in einem medizinisch betreuten Umfeld, durch kompetentes medizinisches Personal und im strikten Zusammenhang mit der Bestimmung der Gesamtmasse des Hämoglobins» sei hingegen weiterhin erlaubt.
Der Vergleich mit Stefan Luitz
König kann sich bei der Einordnung dieses Beschluss auch nur auf das Communiqué der UCI stützen. «Denn es hat nichts mit uns zu tun», sagt er und zieht den Vergleich mit dem Skifahrer Stefan Luitz. Der Deutsche hatte im Dezember 2018 überraschend den Riesenslalom in Beaver Creak gewonnen, wurde aber disqualifiziert, weil er vor dem Start mit Sauerstoff versorgt worden war – was die FIS, nicht aber die WADA verboten hatte. Luitz und der Deutsche Verband fochten die Disqualifikation an und bekamen Recht. Der Fehler der FIS: Sie liess das Ganze unter der Doping-Bekämpfung laufen. Jetzt ist die Sauerstoff-Methode weiterhin verboten, läuft aber unter den Medical Rules.
Bei der UCI geht es aber nicht um Sauerstoff, sondern um Kohlenmonoxid. Der Weltverband begründet das Verbot mit folgenden Worten: «Unsere Priorität ist der Schutz der Gesundheit und Sicherheit unserer Athleten und der heutige Entscheid ist ein weiterer wichtiger Schritt in diese Richtung.» Das wiederholte Einatmen von Kohlenmonoxid könne «zu akuten und chronischen Gesundheitsproblemen führen, beispielsweise zu Kopfschmerzen, Lethargie, Übelkeit, Schwindel und Verwirrtheit». Solche Symptome könnten sich demnach «jederzeit verschlimmern und zu Herzrhythmusstörungen, Krampfanfällen, Lähmungen und Bewusstlosigkeit führen».
Zieht die WADA nach?
Und zum Schluss des Schreibens fordert der Weltverband die WADA offiziell auf, zum Einsatz der Kohlenmonoxid-Methode innerhalb und ausserhalb von Wettkämpfen Stellung zu beziehen.
König vermutet dahinter eine ähnliche Taktik wie beim Arzneistoff Tramadol, der in einigen Schmerzmitteln vorkommt. 2019 nahm die UCI dieses Medikament auf die verbandsinterne Verbotsliste, 2024 zog die WADA nach – die Substanz Tramadol ist nun gemäss dem Dopingreglement innerhalb von Wettkämpfen verboten.
Allerdings gibt der Chef der Schweizer Doping-Bekämpfung zu bedenken: «Mir ist keine Studie bekannt, welche von einer Leistungssteigerung bei der Inhalation von Kohlenmonoxid spricht.» Vergangenen Sommer habe es anlässlich der Tour de France einen Hype um dieses Thema gegeben, seither sei es aber wieder ruhig gewesen. «Ich und meine Kollegen wollen aber nicht ausschliessen, dass die UCI etwas in der Hand hat.» Jetzt sei erst einmal die Sportwissenschaft am Zug. «Aber eben: Die Methode ist seit längerem bekannt und war in der Vergangenheit nie ein riesiges Thema.»
Wie wird kontrolliert und sanktioniert?
Die UCI hat auch noch nicht kommuniziert, wie sie das Verbot durchsetzen, geschweige denn sanktionieren will. Das Kohlenmonoxid-Rückatmungsgerät darf ja in einer medizinischen Praxis angewendet werden – mit dieser Apparatur lässt sich nach einem Höhentrainingslager der Erfolg des Camps sehr genau messen.
Was ist eine medizinische Praxis in einem Tross, der durch zahlreiche Ärztinnen und Ärzte begleitet wird? Darf das Rückatmungsgerät nicht mehr im Mannschaftsbus oder im Team-Hotel auftauchen? Bis wann ist es noch ein medizinischer Test und ab wann wird inhaliert, um die erhoffte Leistungssteigerung herbeizuführen? Viele Antworten bleibt die UCI und sein Lenkungsausschuss noch schuldig.