Nach sechs Monaten kehrt die querschnittsgelähmte Kristina Vogel dem Spital den Rücken. Weihnachten und der Alltag im Rollstuhl stehen vor der Tür. Die ehemalige Topathletin bleibt zuversichtlich.
«Es sieht chaotisch aus», beschreibt Kristina Vogel den Zustand ihres Zimmers im Berliner Unfall-Krankenhaus Marzahn vor dem Auszug. «Es reicht jetzt langsam. Ich war sechs Monate im Krankenhaus. Ich freue mich auf so Kleinigkeiten, wie das eigene Bad, mal etwas kochen oder ein wenig Ruhe», sagt die querschnittsgelähmte Olympiasiegerin im Bahnradsport, die seit ihrem tragischen Unfall auf der Betonpiste von Cottbus am 26. Juni 2018 behandelt wird. Eines ihrer konkreten Ziele für 2019: «Einen Spaghetti-Topf vom Herd nehmen, ohne die Spaghetti in der Hand zu haben. Ich muss so stabil werden, dass ich den Alltag bestreiten kann.»
«Mit dem Süssigkeitenkonsum muss ich aufpassen»
Am Freitag tritt Kristina Vogel die Heimreise an und wird sich 2019 nur noch stationär in der Reha bei den Spezialisten schinden.
Die ehemalige Ausnahme-Athletin freut sich jetzt auf Weihnachten in den eigenen vier Wänden mit der Familie und ihrem Freund («Wir sind seit 13,5 Jahre ein Paar»). Der Umbau ihres Hauses ist noch im Gange. «Es geht auch um Fahrstühle und so weiter. Mein Freund trägt mich momentan immer hoch ins Schlafzimmer. Da muss ich mit meinem Gewicht und dem Süssigkeiten-Konsum aufpassen». Ihre Wünsche zum Fest sind ganz banal: Zum Beispiel ein Rollkoffer mit vier Rädern und – perspektivisch – ein Therapiehund.
Kinder sind ein Thema: «Wir müssen dann sehen, wie die Geburt stattfindet»
Hohes Tempo war als Sportlerin immer ihre Maxime. Ebenso schnell scheint sie sich auch mit ihrem Schicksalsschlag arrangiert zu haben, wozu andere in ihrer Lage oft quälende Jahre brauchen. Die Erfurterin ist mit ihrer Verletzung und den Folgen offen umgegangen und glänzt wie zum Beleg mit flotten Sprüchen. «Ich will raus, meine Story erzählen, die Leute motivieren und auf der Reise mitnehmen», sagt Vogel, für die die bei der Wahl zum «Sportler des Jahres» vor ihr platzierte Wimbledon-Siegerin Angelique Kerber einfühlsame Worte der Bewunderung fand.
Mit der angekündigten Planung ihres Familienzuwachses hat es bei Vogel noch Zeit, «nicht morgen und nicht übermorgen», sagt die 28-Jährige. «Ich muss erst einmal ankommen, mit mir und auch mit der Behinderung klarkommen. Fakt ist, es funktioniert auch auf natürlichem Weg. Wir müssen dann sehen, wie die Geburt stattfindet.»
Was macht ihr Angst, wenn sie jetzt «in die richtige Welt» (Vogel) ohne medizinische Vollzeit-Überwachung entlassen wird? «Die Fünf-Jahrespläne sind weg. Da lachen mich alle aus – auch meine Schwester, die mit Behinderten arbeitet», erzählt Vogel. «Ich bin jemand, der klassisch überversichert ist. Und jetzt habe ich nur eine grobe Planung für das nächste halbe Jahr – das ist verrückt.»