Gino Mäder hat das Zeug, einst ein erfolgreicher Rundfahrten-Spezialist zu werden. Noch fehlt es ihm aber an Konstanz. Nicht umsonst bezeichnet sich der Berner als Wundertüte.
Die neue Schweizer Radsport-Generation hat in dieser Saison bereits viel Freude bereitet. Nach dem rasanten Aufstieg von Marc Hirschi im vergangenen Jahr, fuhren mit Stefan Bissegger, Mauro Schmid und Gino Mäder zuletzt andere talentierte, junge Fahrer ins Rampenlicht. Mit ihren Siegen auf der World Tour bewiesen sie eindrücklich, zu was sie auf allerhöchster Stufe zu leisten imstande sind.
Ähnlich wie Hirschi weckte Mäder mit seinen Auftritten die Hoffnungen, eines Tages als erster Schweizer seit der Ära von Alex Zülle und Tony Rominger an grossen Rundfahrten um den Gesamtsieg mitfahren zu können. Nach seinem siegbringenden Soloritt Mitte Mai im Giro d'Italia lieferte er nur einen Monat später mit dem Gewinn der Königsetappe an der Tour de Suisse die eindrückliche Bestätigung.
Hochs und Tiefs
Doch der Weg vom Etappenjäger zum Rundfahrt-Spezialisten ist lang und schwer. Es braucht einiges, damit ein Körper bereit ist, die enormen Belastungen über einen längeren Zeitraum auszuhalten. Noch ist Mäder nicht so weit. «Mir fehlt es noch an der Konstanz», hält der Olympia-Teilnehmer von Tokio fest, der bei Swiss Olympic eine KV-Lehre absolviert hat. Auf gute Tage würden oft schlechtere folgen – und umgekehrt.
So wie an der diesjährigen Tour de Suisse, wo er eigentlich auf das Gesamtklassement habe fahren wollen, seine Ambitionen aber früh begraben musste. «Ich kann mir diese Einbrüche nicht erklären», tappt Mäder bei der Ursachenforschung noch im Dunkeln.
Dass er schlecht mit Druck umgehen kann, glaubt er nicht: «Ich war noch nie in der Situation, dass ich unbedingt liefern musste. Durch das schlechte Fahren wird der Druck ja auch nicht weniger, im Gegenteil. Mit jedem schlechten Ergebnis setze ich mich noch mehr unter Druck.» Auf ein Tief folgt bei ihm aber oft ein Hoch «und die Gewissheit: Ja, ich kann's».
Noch gehört der 24-Jährige aus dem bernischen Wiedlisbach in seinem dritten Profijahr zu den jüngeren Fahrern im Peloton, hat dementsprechend noch Zeit, sich zu entwickeln. «Die nächsten Jahre werden zeigen, wohin mein Weg führt. Ob ich mit den Trainingskilometern stabiler werde oder eine Wundertüte bleibe, wie ich es aktuell bin», blickt er nach vorne.
Ein Stylist als Idol
Mäders unmittelbare sportliche Gegenwart liegt in Spanien, genauer gesagt in Burgos, wo er sich in den letzten knapp zwei Wochen auf die am Samstag beginnende Vuelta vorbereitet hat. Es ist erst sein dritter Start bei einer Grand Tour. Gerne erinnert er sich noch an sein Debüt im vergangenen Jahr zurück, als er am vorletzten Tag bei der Bergankunft in La Covatilla die 20. Etappe als Zweiter beendete. Es war sein erstes dickes Ausrufezeichen bei den Profis.
Grosse Freiheiten wird Mäder in der diesjährigen Spanien-Rundfahrt nicht haben. Mit Mikel Landa hat sein Team Bahrain-Victorious einen klaren Leader mit Ambitionen im Gesamtklassement in den Reihen. Mäders Aufgabe wird es primär sein, sich in den Dienst des Spaniers zu stellen. «Wenn sich mir aber die Möglichkeit bietet, in eine Spitzengruppe zu gehen und mein eigenes Glück zu versuchen, wäre ich natürlich nicht traurig.»
Vor allem in den Bergen wird er sich als Helfer einbringen können, denn dort liegt sein bevorzugtes Terrain. Umso mehr erstaunt es, dass mit Bruno Risi ein ehemaliger Weltklasse-Bahnfahrer sein grosses Idol ist. Wie kommt das? «Für mich war Risi ein Stylist auf dem Velo. Wie er jeweils über die Bahn geflogen ist, das war einfach schön anzusehen.» Fliegt Mäder künftig über die Berge, wie einst Risi durchs Oval, wird er den Schweizer Radsport-Fans noch viel Freude bereiten.