Coronakrise Das gegenseitige Motivieren fehlt: Handballer als Einzelsportler auf Zeit

SDA

19.5.2020 - 10:47

Seit dem 11. Mai sind im Leistungssport Mannschaftstrainings wieder möglich. In der Handball-NLA macht – mit Ausnahme von Suhr Aarau – allerdings kein Klub von dieser Möglichkeit Gebrauch.

In der vergangenen Woche hätte der Playoff-Final begonnen, stattdessen schwitzt Pfadis Nationalspieler Cédrie Tynowski alleine im Kraftraum. Der rechte Flügel stuft die aktuelle Situation als «extrem schwierig» ein, gerade auch, weil er vom Mannschafts- zum Einzelsportler mutiert ist. Dass das gegenseitige Motivieren fehlt, alles mit sich selber ausgemacht werden muss, darin sieht er für die eigene Entwicklung aber auch Positives – wie auch in der Möglichkeit, nun gezielt an individuellen Schwächen zu arbeiten.

Das Negative überwiegt aber, und Tynowski muss sich noch bis am 20. Juli gedulden, ehe er mit seinen Teamkollegen wieder das Mannschaftstraining aufnehmen kann. Aber wieso wurde die Lockerung des Bundesrates nicht genutzt, es wäre doch ein gemeinsames Training mit Ball und Körperkontakt möglich? Das hat mit der Kurzarbeitsentschädigung zu tun, gab doch das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco bekannt, dass diese bei der Wiederaufnahme des Trainings wohl wegfällt. Und da der Einnahmeausfall aufgrund des Saisonabbruchs vor den Playoffs gross ist, «müssen wir weiter die Kurzarbeit beanspruchen, um wirtschaftlich zu überleben», sagte der Winterthurer Trainer Adrian Brüngger.

Aufbauphase von zwei, drei Wochen

David Graubner, der Teammanager von Liga-Primus Kadetten Schaffhausen, äusserte sich in die gleiche Richtung: «Ohne Kurzarbeit hätten wir ein massives Problem. Ausserdem finden wir es heikel, ohne Abstand zu trainieren. Und der Faktor, über zwei Monate kein Mannschaftstraining absolviert zu haben, spielt ebenfalls eine Rolle. Es bräuchte aus Sicht der Verletzungsprophylaxe eine Aufbauphase von zwei, drei Wochen. Eine solche macht für uns keinen Sinn, da ohnehin bald die Sommerpause beginnen würde, die wir den Spielern nicht nehmen wollen.» Die Kadetten starten am 13. Juli mit dem neuen Trainer Adalsteinn Eyjólfsson in die Vorbereitung auf die neue Saison, bis dahin muss sich jeder selber fit halten.

Suhr Aarau dagegen hat das Mannschaftstraining wieder aufgenommen. Gemäss Geschäftsführer Lukas Wernli ergaben Abklärungen beim Amt für Wirtschaft und Arbeit im Kanton Aargau, dass die Trainingsstunden rapportiert werden können und die Differenz zum normalen Betrieb ausbezahlt wird. Das ist jedenfalls die Hoffnung. Für Wernli war es gegenüber den Sponsoren «moralisch nicht vertretbar», keine Teameinheiten durchzuführen. Durchtrainieren wird Suhr Aarau aber wahrscheinlich nicht.

«Es baut alles auf Eventualitäten auf»

Ohnehin gibt es auch im Handball noch einige Fragezeichen, für Graubner insbesondere, was die europäischen Wettbewerbe betrifft. Adrian Brüngger nimmt derweil «Tag für Tag. Als Sportorganisation blicken wir einer sehr ungewissen Zukunft entgegen. Es baut alles auf Eventualitäten auf.» Dennoch sieht er für den Handball nicht schwarz. «In einem Setting mit 500 bis 2000 Zuschauern ist es einfacher, gewisse Einschränkungen umzusetzen. Ausserdem ist die Lohnstruktur in der Liga sehr vernünftig, gibt es keine Exzesse. Von daher bin ich für den Handball relativ zuversichtlich.» Aber klar, momentan seien Erträge nur schwer planbar, erklärte Brüngger.

Ausserdem ist es noch nicht so lange her, dass die Winterthurer vor dem Konkurs standen. Eine gross angelegte Sammelaktion rettete den Traditionsverein. «Von daher sind wir noch zu mehr Vorsicht angehalten», so Brüngger, «zum Glück sind wir, was die Sponsoren betrifft, breit abgestützt.» Allerdings steht derzeit auch hinter dem Sponsoring allgemein ein Fragezeichen, da viele Firmen selber mit grossen Sorgen kämpfen. Diesbezüglich hilft Pfadi nicht nur die 100'000 Franken Soforthilfe vom Kanton Zürich, sondern auch die Bereitschaft des NLA-Teams, die fixen Lohnkosten um 20 Prozent zu senken. Im Gegenzug werden die betroffenen Lohnempfänger am wirtschaftlichen Erfolg des Vereins beteiligt. Mit dieser Lösung konnten die Kosten auf ein «vernünftiges» Niveau gesenkt werden. Vorderhand aber wird weiter alleine geschwitzt.

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