Fahrer mit Protest-Aktion Harsche Kritik für den Veranstalter der Tour de France – Fahrer mit Protestaktion

dpa/lbe

29.6.2021

Gehören auch zu den Sturzopfern: der Australier Caleb Ewan (rechts) und Peter Sagan.
Gehören auch zu den Sturzopfern: der Australier Caleb Ewan (rechts) und Peter Sagan.
Bild: Keystone

Nach dem Sturz-Festival in den ersten Etappen wird die Kritik am Veranstalter der Tour de France lauter, selbst die Sicherheitsbedenken der Fahrer werden ignoriert. Diese antworten mit einer Protestaktion. 

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29.6.2021

Die Stars der Tour de France treffen sich unfreiwillig beim Röntgen, die medizinischen Abteilungen schieben Überstunden: Nach den schlimmen Stürzen auf den ersten drei Etappen ist die Stimmung beim grössten Radsport-Spektakel der Welt im Keller. Gefühlt lag das halbe Feld schon einmal auf dem rauen bretonischen Asphalt, da blieben selbst Protagonisten wie Primoz Roglic und Geraint Thomas nicht verschont. Das Zentralorgan «L'Équipe» schrieb süffisant von einer «Weltmeisterschaft im Domino». Die Kritik am Veranstalter ASO wird lauter, zumal Bedenken der Fahrer vor der dritten Etappe schlicht ignoriert wurden.

«Mir fehlen da echt die Worte, wie dieser Final gestaltet worden ist. Es sah auf der Karte schon schlimm aus, aber live war es noch viel schlimmer», sagte ein sichtlich mitgenommener André Greipel. Der 38-jährige Deutsche hat schon viel erlebt, nimmt zum zwölften Mal an der Tour teil. Doch dieses Mal war es auch ihm zu viel: «Man muss sich fragen, wo diese Sicherheitskommissäre sind.»



Andere Fahrer wählten drastischere Worte. Ex-Weltmeister Michal Kwiatkowski sprach von «russischem Roulette», für den Deutschen Nils Politt war die Streckenführung «einfach kriminell». Zumal die Fahrervereinigung CPA vor der Etappe bei der ASO vorstellig geworden war. «Es wurde vorgeschlagen, die Zeit acht Kilometer vor dem Ziel zu nehmen. Das wurde abgelehnt», sagte Politt dem ZDF.

Fahrer protestieren mit kurzem Renn-Stopp

Aus Protest gegen die Streckenführung und den fehlenden Dialog stoppten die Radprofis das Rennen am Dienstag für kurze Zeit. Auf dem ersten Kilometer nach dem Start der 4. Etappe von Redon nach Fougères hielt das noch 177 Fahrer umfassende Feld unter der Führung von André Greipel für gut eine Minute an, ehe es in sehr langsamer Fahrt weiterfuhr. Die Aktion gilt dem Weltverband UCI und den Veranstalter Amaury Sport Organisation (ASO).

Allerdings wurde in den Szenen nach dem Start in Redon auch klar, dass im Feld keine Einigkeit herrscht. Eigentlich war geplant, direkt bei Kilometer null anzuhalten, doch die Fahrer an der Spitze um den Franzosen Julian Alaphilippe fuhren nach der neutralisierten Phase langsam weiter. Erst als Greipel und sein Teamkollege Rick Zabel sich an die Spitze des Feldes setzten, wurde angehalten. Nach dem kurzen Streik setzte Alaphilippe als erster Profi das Rennen wieder fort. Für einige Kilometer rollte das geschlossene Feld danach gemächlich dahin.

Bereits vor der dritten Etappe verwies auch Radsport-Experte Henri Gammenthaler im Gespräch mit «blue Sport» auf die mangelnde Sicherheit: «Dieses Jahr ist es die Tour de Wahnsinn, nicht die Tour de France. Es ist eine gefährliche Show, bei der es um sehr viel Geld geht. Aber die Sicherheit kommt zu kurz. Da muss man wirklich über die Bücher.»



Streckenchef Gouvenou weist Kritik zurück

Mit den Vorwürfen konfrontiert, schaltete Streckenchef Thierry Gouvenou umgehend in den Verteidigungsmodus: «Es ist immer einfach zu sagen, dass es gefährlich ist, aber man muss erkennen, dass es immer schwieriger wird, Zielorte zu finden», sagte Gouvenou der Sportzeitung «L'Equipe» mit Blick auf die schlimmen Stürze auf der dritten Etappe am Montag. «Für diese Etappe mussten wir Lorient, Lanester, Hennebont und Plouay von der Liste streichen, was uns zu gefährlich erschien. Wir haben keine mittelgrosse Stadt mehr ohne Verkehrsinsel, Kreisverkehr oder Verengung», so Gouvenou. Vor zehn Jahren habe es bei der Tour de France 1100 gefährliche Punkte gegeben. «In diesem Jahr sind wir bei 2300.»

Die Diskussion um die Sicherheit der Fahrer ist in den vergangenen Jahren intensiver geworden. Bessere Materialien für die Rennmaschinen sorgen mittlerweile dafür, dass in langen Abfahrten problemlos 90 km/h und mehr erreicht werden.