Zürich
Knapp neun Monate nach ihrer Operation am rechten Fussgelenk gewann Giulia Steingruber an den Weltmeisterschaften in Montreal mit Bronze am Sprung eine WM-Medaille - als zweite Schweizerin nach Ariella Kaeslin überhaupt. Überglücklich aber müde äusserte sie sich zu ihrem eindrucksvollen Comeback auf der internationalen Bühne.
Giulia Steingruber, vor knapp neun Monaten waren Sie am Fuss operiert worden, nun gewannen Sie hier in Montreal WM-Bronze am Sprung. Mit dieser Medaille haben wohl auch Sie kaum gerechnet?
"Nein, wirklich nicht, es ist unbeschreiblich. Ich habe Hühnerhaut, es fühlt sich an, als fliege alles an mir vorbei. Das Gefühl ist wunderschön."
Wie haben Sie den Wettkampf erlebt?
"Ich musste als Erste starten und war sehr nervös. Die Sprünge waren nicht optimal. Das Zittern danach war aber der absolute Horror. Die Russen haben mich fast ausgelacht, weil ich so 'rumgetigert' bin. Ich musste bis am Schluss zittern, weil ich wusste, dass die Japanerin dasselbe Programm zeigt wie ich."
Sie haben nach drei EM-Titeln am Sprung und Olympia-Bronze nun auch eine WM-Medaille gewonnen. Hat diese nach der Vorgeschichte auf diese WM einen besonderen Wert?
"Die Medaille bedeutet mir sehr, sehr viel, sie ist eine mega Belohnung. Es macht mich extrem stolz, dass ich so zurückkommen konnte, obwohl ich noch nicht hundert Prozent fit bin. Dass es trotzdem zu einer Medaille gereicht hat, ist umso schöner."
Gab es nach Ihrer Operation jemals Zweifel, dass Sie bereits in Montreal wieder dieses Niveau erreichen oder dass sie in Kanada überhaupt starten können?
"An einer Teilnahme zweifelte ich nicht, nachdem ich wieder Wettkämpfe bestritten hatte. Aber es gab Zweifel, ob ich wirklich das zeigen kann, was ich möchte. Als Sportler möchte man immer sein Bestes geben. Aber ich kann mich nicht beklagen. Es ist super aufgegangen, das macht mich glücklich."
Sie haben hier in Montreal drei Wettkämpfe bestritten, sind ohne Sturz durchgekommen und holten Bronze am Sprung. Müssen Sie sich selbst kneifen?
"Hätte mir das jemand vor dem Sprungfinal gesagt, hätte ich wohl schmunzeln müssen. Es war ein Hin und Her. In Rio hatte ich in einem ähnlichen Feld Bronze geholt, aber da war ja auch meine Verletzung. Ich hatte sehr viel Glück, aber jetzt ist es umso schöner. Es ist ein riesiger Traum, der in Erfüllung geht."
Der Schlüssel zum Erfolg war der Jurtschenko mit der Doppelschraube, den Sie in der Vorbereitung kaum trainieren konnten.
"Ich habe die Doppelschraube vor dem Final nicht eingeturnt, sondern nur die einfache Schraube - wie bereits in der Qualifikation. Im Wettkampf bin ich viel fokussierter, dann bin ich da. Es ist zum Glück gut aufgegangen. Aber ich weiss, dass ich es noch besser machen kann."
Der körperliche Wiederaufbau dauerte lange. Gab es während der Vorbereitung Schlüsselmomente?
"Einmal haben mich die Trainer vom Training weggeschickt, weil sie merkten, dass es zu viel ist. Ich mache mir als Athlet sehr viel Druck, und auch privat war es kein einfaches halbes Jahr. Auch das war in dieser Situation hochgekommen. Ich hatte einen schlechten Tag, brach das Morgentraining ab und ging schlafen. Am Nachmittag stand ich dann wieder in der Halle. Dies brauchte es, um kurz Abstand zu gewinnen, mich zu sammeln und wieder anzugreifen. Die Trainer sind sehr feinfühlig, sie sind Menschenkenner und tragen Sorge zu den Athleten. Sie haben auf mich gehört."
Haben Sie mit dem Alter gelernt, besser auf Ihren Körper zu hören?
"Ich glaube schon, ja. Durch die Verletzungen lernt man das. Ich spüre den Fuss wieder mehr, versuchte dies aber auszublenden. Die Belastung ist schon gross. Es ist noch früh, denn so lange ist die Operation noch nicht her."
Vor dem Final sprachen Sie von einem Déjà-vu. Dachten Sie während des Wettkampfs an Antwerpen, wo Sie 2013 Vierte wurden?
"Glücklicherweise wurde es kein Déjà-vu. Dieses hatte ich nur vor dem Wettkampf, während dem Final aber nicht mehr. Ich sagte der Trainerin: 'Bloss nicht Vierte werden' - auch wenn dies eine super Klassierung ist."
Nun dauert es zehn Monate bis zu den nächsten grossen Titelkämpfen. Werden Sie wieder an Ihrem "Steingruber"-Sprung arbeiten?
"Zuerst kommt noch der Swiss Cup in Zürich. Danach folgt eine längere Zeit, in der man neue Sachen lernen und aufbauen sowie Übungen neu zusammensetzen kann. Der Sprung ist sicher in Planung. Es wird ein happiges Jahr, aber darauf arbeiten wir ja hin. Ich freue mich extrem und hoffe, dass ich dann wieder 100 Prozent fit bin."
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