Interview «Das Schlimmste wäre, wenn wir keinen Schwingerkönig hätten»

SDA

21.8.2019 - 04:04

Samuel Feller, der oberste Chef am Eidgenössischen Schwingfest
Samuel Feller, der oberste Chef am Eidgenössischen Schwingfest
Source: Keystone

Der Emmentaler Samuel Feller (46) wird in seinen sechs Jahren als Eidgenössischer Technischer Leiter in Zug letztmals das Einteilungskampfgericht an einem Fest mit eidgenössischen Charakter anführen.


Samuel Feller, Sie stellen als Technischer Leiter den ersten Gang in Zug allein und in Eigenregie zusammen. Sie taten das auch schon am Kilchberger Schwinget 2014, in Estavayer 2016 und am Unspunnenfest 2017. Spüren Sie jetzt auch noch eine Belastung und eine Verantwortung?

Ja, ich spüre einen Druck. Nicht weil ich das Gefühl hätte, dass ich es nicht gut machen könnte. Sondern weil ich alle Schwinger fair behandeln will. Ich nehme das ernst, ich kann es nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Sie haben für die Einteilung freie Hand.

Ich habe diesmal jedenfalls viel mehr Möglichkeiten als vor drei Jahren in Estavayer. Damals musste ich in die 20 Spitzenpaarungen 19 Berner einteilen, weil die Berner so überlegen waren. Diesmal wird es auch absolute Spitzenpaarungen zum Beispiel zwischen Innerschweizern und Ostschweizern geben. Das freut mich. Es war für mich selber vorher ein schweres Los, da ich ja auch vom Berner Verband komme.

Es gibt ja nicht nur die Spitzenpaarungen. Sie müssen 138 Paarungen zusammenstellen. Können Sie bei den schwächeren Schwingern in der Einteilung so sorgfältig vorgehen wie an der Spitze?

Ich kann nicht bei allen 276 Schwingern nachschauen, wer in dieser Saison schon gegen wen geschwungen hat. Das ist nicht möglich. Aber ich versuche, die allgemeine Stärke des Schwingers fair zu beurteilen und ihm einen wirklich passenden Gegner zuzuteilen. Es soll bis zur hintersten Paarung eine möglichst grosse Chancengleichheit da sein. Es raubt mir nicht den Schlaf, aber ich will es seriös machen.



Bekommen Sie Reaktionen, wenn die Spitzenpaarungen veröffentlicht sind, zum Beispiel von Technischen Leitern, die die Einteilung kritisieren?

Ich bekomme Reaktionen, aber die Einteilungen werden akzeptiert. Sie sagen, was man vielleicht anders hätte machen können. Aber im Grossen und Ganzen sind die Reaktionen positiv.

Können die Einteilungen des ersten Ganges auch schon eine Wirkung auf den zweiten Gang haben? Wer im ersten Gang hart angefasst wird, könnte ja für den zweiten Gang auf etwas Schonung hoffen.

Das ist so. Falls ich die Nordostschweizer etwas hart angepackt habe, hat ihr Technischer Leiter am Samstag für den zweiten Gang gute Argumente. Es ist die Aufgabe des Einteilungskampfgerichts, von Gang zu Gang einen Ausgleich zu schaffen. Aber in jedem Fall müssen die Technischen Leiter für ihre Schwinger Argumente vorbringen. Ich kann es nicht akzeptieren, wenn einfach nur herumgenörgelt und kritisiert wird ohne Begründung.



Sie sagten, dass Sie vor dem Fest gut schlafen. Gibt es etwas, das Ihnen nach dem Fest den Schlaf rauben könnte?

Ja. Wenn wir keinen Schwingerkönig hätten. Das kann immer noch vorkommen. Vor drei Jahren in Estavayer gewann Matthias Glarner den Schlussgang gegen Armon Orlik etwa anderthalb Minuten vor Schluss. Es war knapp. Hätte es keine Entscheidung gegeben, hätte Samuel Giger als Punkthöchster den Festsieg geerbt. Aber wäre er auch Schwingerkönig gewesen? Das Kampfgericht und der Vorstand hätten beraten und entscheiden müssen. Vermutlich hätte es keinen Schwingerkönig gegeben, weil Giger ja nicht im Schlussgang war. Eine solche Situation ist wohl das Schlimmste, und man muss jedes Mal froh sein, wenn es nicht so weit kommt. Deshalb ist mein grösster Wunsch für Zug, dass es ein schönes Fest, einen Sieger im Schlussgang und einen würdigen Schwingerkönig gibt.

Wie beurteilen Sie das Phänomen, dass die Innerschweiz, der grösste Teilverband, erst einmal den Schwingerkönig gestellt hat?

Es ist tatsächlich ein Phänomen. Vielleicht hat es damit zu tu, dass die Innerschweizer früher keine richtige Einheit waren wie etwa die Berner. Die Berner kommen mit einem einzigen Autokennzeichen an die Feste, die Innerschweizer mit verschiedenen. Die Rivalität unter den Kantonen in der Innerschweiz ist vorhanden. Aber seit ein paar Jahren sieht es besser aus. Die Innerschweizer haben jetzt einen Verteiler, der jedem ihrer Schwinger erlaubt, an vier Kantonalfesten teilzunehmen. Vorher konnten die Luzerner nur am eigenen Kantonalfest starten. Der Verteiler ist ein wichtiger Schritt, der sich auszahlen sollte. Jetzt müssen die Innerschweizer nur noch die Früchte ernten.



Unter den 276 Schwingern in Zug gibt es kaum solche aus den Hunderttausender-Städten. Zürich, Basel, Bern sind praktisch nicht vertreten.

Das stimmt. Dabei gibt es in den Städten an sich sehr gute Infrastrukturen fürs Schwingen. Der Schwingkeller im Altenberg in Bern zum Beispiel ist der grösste im Kanton. Heute wird er noch für das Training genutzt, aber nicht mehr von einem Klub. Wir können aber feststellen, dass sich immer mehr Junge, auch solche aus den Städten, für das Schwingen interessieren. Es sind immer mehr auch Junge, die nicht aus Schwingerfamilien kommen. Sie schliessen sich in unserem Beispiel einem Klub auf dem Land um Bern herum an, also Worblental, Münchenbuchsee oder Laupen.

Wie gehen die Klubs generell mit den Jungen um, die nicht aus Schwingerfamilien kommen?

Das hat sich positiv entwickelt. So gibt es in den Klubs heute Elternabende, was früher undenkbar gewesen wäre. Die jungen Schwinger und die Eltern werden eingewiesen und unterrichtet, zum Beispiel in wichtigen Verhaltensregeln. Generell würden wir uns natürlich wünschen, dass das aktive Schwingen zunehmend in die Städte kommt.

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