Andy Schmid «In die Schweiz zurückzukehren, schloss ich vor ein paar Jahren noch aus»

sda

1.9.2022 - 19:00

Andy Schmid spielt wieder in der Schweiz.
Andy Schmid spielt wieder in der Schweiz.
KEYSTONE

Andy Schmid ist ein Spielmacher von Weltklasse-Format. Nach 13 Jahren im Ausland ist er zu Kriens-Luzern und damit seinen handballerischen Wurzeln zurückkehrt – für ihn ein «Nach-Hause-Kommen».

Keystone-SDA, sda

Die letzten zwölf Jahre spielte Andy Schmid bei den Rhein-Neckar Löwen in Deutschland. Der am Dienstag 39 Jahre alt gewordene Regisseur prägte die Bundesliga. Er wurde nicht weniger als fünfmal zum MVP gekürt.

Im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA spricht Schmid unter anderem über die Gründe der Rückkehr, die grosse Erwartungshaltung und die bevorstehende EM-Qualifikation.

Andy Schmid, was war für Sie die Hauptmotivation, als Spieler in die Schweiz zurückzukehren? Sie hätten problemlos noch ein, zwei Jahre in der Bundesliga tätig sein können.

Es war eine Mischung aus privaten und sportlichen Gründen. Privat passte es von der schulischen Situation sehr gut. Der kleinere Sohn wurde eingeschult, der grössere ist in der vierten Klasse. Das war der eine Aspekt. In die Schweiz als Spieler zurückzukehren, schloss ich vor ein paar Jahren noch aus. Ich bekam jedoch immer mehr das Gefühl, es wäre schön, die Karriere dort zu beenden, wo sie angefangen hat. Zudem fühle ich mich nach wie vor gut und habe weiterhin Lust zu spielen. Ich hoffe, dem Handballsport in der Schweiz, der in den letzten Jahren einen Schritt vorwärts gemacht hat, einen zusätzlichen Schub geben zu können, damit der Aufwärtstrend nachhaltig ist.

Sie spielten in der Bundesliga auf Topniveau in gut gefüllten Hallen. In der Schweiz wird das nicht mehr der Fall sein. Sehen Sie das als Herausforderung?

Dessen bin ich mir komplett bewusst, das bezog ich in der Entscheidungsfindung mit ein. Ich versuche es, auf die positive Art zu sehen. Es ist schön, wieder Hallen zu betreten, in denen ich vor zwanzig Jahren letztmals gespielt habe, und lange nicht mehr gesehene Leute wiederzutreffen. Es ist für mich ein 'Nach-Hause-Kommen'. Ausserdem wird es nicht der Fall sein, dass ich hier alle in Grund und Boden spiele. Ich gehe respektvoll an das Ganze heran, mit einer gewissen Demut. So bin ich in den letzten zwölf Jahren gut gefahren, und das werde ich bis zu meiner letzten Partie als Profi so handhaben.

Andy Schmid im Training mit seinem neuen Verein Kriens-Luzern
Andy Schmid im Training mit seinem neuen Verein Kriens-Luzern
Keystone

Sie ziehen logischerweise viel Aufmerksamkeit auf sich. Ist das manchmal unangenehm?

Was heisst unangenehm? Oft lag der Fokus zu stark auf mir. Daran habe ich mich allerdings gewöhnt. Ich bilde mir darauf nicht viel ein. Im Endeffekt hilft es dem Handball, wenn ich im Fokus stehe. Das sehe ich ganz pragmatisch. Ich bin mir aber natürlich bewusst, dass die Erwartungshaltung riesig ist, vor allem, weil mich viele Leute immer noch so in Erinnerung haben, wie ich vor drei, vier Jahren spielte. So gut bin ich nicht mehr, dessen bin ich mir bewusst. Der Ehrgeiz ist jedoch immer noch gross. Ich sehe aber auch das grosse Ganze. Wenn mehr Leute in die Halle kommen, die Medien mehr berichten oder ein paar Kinder wegen mir mit Handball beginnen, ist das für mich ebenso wichtig wie das rein Sportliche.

Wo konkret sehen Sie noch Verbesserungsmöglichkeiten im Schweizer Handball?

Zu versuchen, ein Team um das Team herum zu stärken. Vielleicht könnte auf einen Spieler im Kader verzichtet werden, um noch mehr Geld in die Verletzungsprophylaxe, die Athletik, in die Physiotherapie, in Ärzte zu investieren. Ich bin zudem ein absoluter Verfechter davon, den Jugendbereich mehr zu professionalisieren. Darauf gilt es, den Fokus zu richten. Mit guten Junioren-Trainern steigen die Chancen, dass es mehr Jugendliche an die Spitze schaffen. Wichtig ist zudem, proaktiv in die Schulen zu gehen – auch in die Regionen, wo kaum Handball gespielt wird – und so mehr Kinder zu unserem Sport zu bringen, wie das in Deutschland gemacht wird. Steter Tropfen höhlt den Stein. Da sollte sich der Handball mehr an anderen Sportarten wie Fussball oder Eishockey orientieren, auch wenn wir natürlich kleiner denken müssen. Es braucht einen Plan und Durchhaltewillen, denn ein solches Projekt benötigt Zeit.

Mit Ihrer Verpflichtung steigen selbstredend die Erwartungen an Kriens-Luzern. Einige dürften vom Meistertitel träumen.

Diejenigen, die sich tagtäglich mit Handball auseinandersetzen, wissen, dass der Mannschaftssport so nicht funktioniert. Nur weil ich und andere gute Spieler gekommen sind, heisst das nicht, dass wir automatisch vorne dabei sind. Klar verfügen wir über eine sehr gute Mannschaft und können wir ganz oben mitspielen. Es wäre jedoch mangelnder Respekt gegenüber den Kadetten Schaffhausen (dem Titelverteidiger), wenn wir nun als Verein, der noch nie einen Titel gewonnen hat, grosse Töne spucken würden. Das passt auf keinen Fall zu mir.

Sie haben die Kadetten erwähnt. Sind die Schaffhauser in dem Fall über allen einzuordnen?

Es macht nicht viel Sinn, die Favoritenrolle hin- und herzuschieben. Ich weiss nicht, wann die Kadetten letztmals nicht der Topfavorit waren. Sie tragen das Sieger-Gen in sich. Ich bin aber überzeugt, dass die Meisterschaft ausgeglichener sein wird, mehr Vereine an der Spitze mitspielen werden. Wir gehören dazu, Pfadi, St. Otmar, Bern, Thun haben gute Mannschaften, GC Amicitia ist immer besser geworden. Ich glaube, dass es mehr spannende Partien geben wird. Das soll auch so sein.

Zum Schluss noch das Thema Nationalmannschaft. Im Oktober beginnt die Qualifikation für die EM 2024 in Deutschland mit den Gegnern Georgien, Litauen und Ungarn. Wie blicken Sie auf diese Kampagne voraus?

Ehrlich gesagt ist diese Qualifikation Stand heute noch weit weg. Bislang lag der ganze Fokus auf dem Umzug und Kriens-Luzern. Aber klar, an dieser EM müssen wir dabei sein, ohne Wenn und Aber. Die Gruppe ist machbar, ein Selbstläufer wird es allerdings nicht. Die ersten beiden Spiele gegen Georgien zu Hause (12. Oktober) und Litauen auswärts (16. Oktober) könnten schon entscheidend sein. Wenn wir zweimal gewinnen, sind die Chancen gross, uns zu qualifizieren. Von daher wird der Fokus auf dieser Woche liegen. Die EM in Deutschland ist ein grosses Ziel.