Paukenschlag zum Auftakt Indiens Schach-Wunderkind Gukesh legt an WM Fehlstart hin

SDA

26.11.2024 - 13:35

Der 18-jährige Inder Dommaraju Gukesh hat sich den Auftakt zur Schach-WM anders vorgestellt (Archivaufnahme)
Der 18-jährige Inder Dommaraju Gukesh hat sich den Auftakt zur Schach-WM anders vorgestellt (Archivaufnahme)
Keystone

Die Schach-WM in Singapur beginnt mit einem Paukenschlag. Indiens 18-jähriges Wunderkind Gukesh, das als Favorit gegen Chinas Titelverteidiger Ding Liren antritt, verliert zum Auftakt mit Weiss.

Dommaraju Gukesh blieb nach der überraschenden Niederlage am Montag äusserlich ruhig. Er sei anfangs etwas nervös gewesen, räumt der Herausforderer ein. Und später habe er auch noch «eine Art Schnitzer» gemacht. Aber das auf maximal 14 Spiele angesetzte Duell dauere noch lange. «Ich werde meinen Plan nicht ändern», betonte der Teenager, der als Favorit zum WM-Duell nach Singapur gereist war.

Gukesh wirkt selbstbewusst, dabei liegt eine riesengrosse Last auf ihm. Millionen indischer Schachfans hoffen, dass ihr junger Landsmann in die Fussstapfen des grossen Viswanathan Anand tritt. Vichy, wie er in der Schachwelt liebevoll genannt wird, war nicht nur Indiens erster und bislang einziger Weltmeister in dem Denksport. Mit seinen Erfolgen trat er im bevölkerungsreichsten Land der Erde eine Welle der Schachbegeisterung los, die bis heute anhält. Gukesh gehört zur Generation junger Talente, die auch «Vichys Kinder» genannt werden.

Schachbegeistertes Indien

Gukesh hat es in der Phalanx der indischen Grossmeister fast ganz nach oben geschafft. Jetzt fehlt eigentlich nur noch der Triumph in Singapur. Die Erwartungen schürt er selbst sogar noch. «Mein Land zu repräsentieren und die Hoffnung der Inder zu tragen, ist etwas, das ich sehr ernst nehme», sagte er zum WM-Auftakt. Gegen den 32-jährigen Titelverteidiger Ding tritt er als jüngster Herausforderer in der 138-jährigen Geschichte der Schach-Weltmeisterschaften an. Kommentatoren sprechen von einem Kampf der Generationen.

Insbesondere aus Indien rücken immer mehr jüngere Spieler in immer kürzeren Zeitabständen in die Weltspitze vor. Allein in den Top Ten des Weltverbands Fide stehen im November 2024 gleich drei indische Spieler, unter ihnen Altmeister Anand auf Platz 10. Gukesh ist Fünfter, Landsmann Arjun Erigaisi rangiert sogar noch einen Platz davor.

Die Zahlen sprechen für sich: Bis 1999 habe Indien nur drei Schach-Grossmeister gehabt, rechnete die Zeitung «India Today» nach. Seitdem habe das Land mehr als 80 hervorgebracht. Ein Grund für diese Entwicklung wird neben dem internationalen Online-Schachboom auch darin gesehen, dass zahlreiche Grossmeister wie Anand ihre eigenen Schachschulen gegründet haben, nach Talenten Ausschau halten und sie trainieren.

Im Frühsommer in Hochform

Den Final von Singapur aber erreichte Gukesh dank des Siegs beim WM-Kandidatenturnier, bei dem die Weltnummer 1 Magnus Carslen erneut nicht mitmachte. Gukesh liess im April in Kanada namhafte Gegner wie Jan Nepomnjaschtschi aus Russland hinter sich. Schach-Ikone Garri Kasparow, der 1985 mit 22 Jahren der damals jüngste Weltmeister der Schachgeschichte war, sprach bildhaft von einem «indischen Erdbeben in Toronto».

Seine Erfolge setzte Gukesh an der Schacholympiade 2024 in Budapest fort, wo er Mannschafts-Gold mit dem indischen Team holte. In das Duell gegen Ding Liren, der nach seinem WM-Sieg im vergangenen Jahr infolge psychischer Probleme eine Schwächephase durchlief und in diesem Jahr keine klassische Schachpartie gewann, ging Gukesh deshalb als klarer Favorit.

Doch nun stellt sich die Frage, ob Gukesh dem Druck standhält. In der zweiten Partie vom Dienstag konnte er mit den schwarzen Figuren Ding nie in Schwierigkeiten bringen. Der Chinese seinerseits stand gemäss Computer-Berechnungen minim besser, er wollte aber kein Risiko eingehen. Er führt 1,5:0,5 und der Gegner Gukesh wird in den kommenden zwölf Partien genötigt sein, die Offensive zu suchen. Das eröffnet Kontermöglichkeiten und verspricht Spannung.