Sechs Wochen nach ihrem schweren Trainingssturz tritt Jolanda Neff in Dübendorf erstmals vor die Medien. Sie fühle sich sehr gut und die Olympischen Spiele in Tokio im Sommer blieben ein grosses Ziel.
Sie wirkte wie immer an diesem Samstagmorgen in Dübendorf, als sie die Medienschaffenden begrüsste. Gut gelaunt und voller Tatendrang informierte Jolanda Neff in einer Liegenschaft ihres Teamsponsors Trek über den Stand der Dinge. Dass da eine Patientin sprach, die sich kurz vor Weihnachten in den USA unter anderem einen Milzriss zugezogen, zwei Rippen gebrochen und einen Lungenkollaps erlitten hatte, war optisch nicht ersichtlich.
Die Mountainbike-Weltmeisterin von 2017 hatte grosses Glück im Unglück, als sie in einem Waldstück nahe der Heimat ihres Freundes Luca Shaw in einer abfallenden Kurve die Kontrolle verlor und sich ein herumliegender spitziger Ast in ihren Bauch bohrte. Entgegen der ersten Befürchtung könnte es dem jüngsten ärztlichen Befund zufolge sein, dass sich ein Teil der Milz erholen wird. Anfang Januar noch hatte Neffs Management in einem Schreiben erklärt, das verletzte Organ sei nicht mehr funktionsfähig und sterbe ab. Sollte dieser immer noch wahrscheinliche Fall eintreten, würde das zwar nicht das Karriereende bedeuten, das Immunsystem wäre aber geschwächt.
Vorsicht oberstes Gebot
Das viele Blut, das aus der Nase strömte, war noch eine Bagatelle im Vergleich zur inneren Verletzung, dem Milzriss fünften Grades. «Diese Art von Verletzung ist eine neue Dimension für mich», sagt Neff selbst. Mehrere Wochen, ein bis zwei Monate wohl mindestens, ist noch höchste Vorsicht geboten. «Ich muss jegliche Art von Schlägen und Vibrationen vermeiden. Ein erneuter Riss wäre fatal.»
Dass Neff gut sechs Wochen nach dem Unfall bereits wieder aufs Rad steigen kann, wenn auch auf das stationäre auf dem Rollband im geschützten Raum, ist ein gutes Zeichen. Normalerweise dauert die von den Ärzten verordnete Zwangsruhe drei Monate. Selbst durfte Neff drei Wochen lang gar nichts machen – eine Herausforderung für die hibbelige Ostschweizerin, die es sonst bei jeder Gelegenheit zum Sport und in die Natur zieht: «Der Verzicht fiel mir nicht leicht, zumal ich mich schon bald wieder recht gut fühlte.» In den drei Wochen des kompletten Bewegungsverbots habe sie sich gut erholen können: «Ich hatte viel Zeit für andere Sachen und um nachzudenken.»
Ein Wettlauf gegen die Zeit
Für die Olympischen Spiele in Tokio in diesem Sommer ist die Verletzung natürlich ein empfindlicher Rückschlag. Den Traum der ersten Olympiamedaille hat die Weltmeisterin von 2017 und mehrfache Gesamtweltcup-Siegerin aber noch nicht begraben. «Die Spiele bleiben ein grosses Ziel. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, aber ich bin total motiviert und habe schon einige Male bewiesen, dass ich mich schnell in Form bringen kann.» Sie habe zwar einiges an Muskelmasse verloren, «das starke Herz und die Lunge habe ich aber noch, und Muskeln lassen sich relativ schnell wieder aufbauen.» Dass man auch ohne Milz erfolgreich sein könne, hätten andere schon gezeigt: «Geraint Thomas gewann die Tour de France ohne Milz, und der britische Bahn- und Strassenfahrer Ben Swift hatte seine erfolgreichste Saison nach einem Milzriss.»
Geht es nach ihr, wird Neff bereits Ende Mai beim Weltcup-Auftakt in Nove Mesto ihr erstes Rennen bestreiten. Aber eben: «Ich muss sehr vorsichtig sein und Schritt für Schritt nehmen. Entscheidend ist, gesund zu bleiben. Ansonsten geht es zurück auf Feld 1.»