Lea Sprunger startet am Donnerstag an den «Impossible Games» in Oslo in die Saison. Es ist ein erster Schritt in Richtung letztem grossen Ziel – den Olympischen Spielen 2021 in Tokio.
«Ich war schon motivierter als momentan», sagte Sprunger Ende März am Telefon gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Zuvor hatte der Bundesrat den Lockdown verkündet und waren die Olympischen Spiele in Tokio um ein Jahr auf 2021 verschoben worden. Mittlerweile sind die Perspektiven wieder besser. Die Europameisterin von 2018 über 400 m Hürden kann nicht nur wieder normal trainieren, sie steht auch kurz vor ihrem ersten Freiluft-Wettkampf der Saison. Die Organisatoren in Oslo haben aus den gegebenen Umständen einiges gemacht, Zuschauer sind aber selbstredend nicht erlaubt.
Sprunger, die über 300 m Hürden startet, reist am Mittwoch zusammen mit Trainer Laurent Meuwly in die norwegische Hauptstadt, wobei die beiden das Hotel wohl nur für das Meeting verlassen dürfen. Am Tag danach geht es dann direkt wieder zum Flughafen. Wie steht es um ihre Form? «Sie hat während der Corona-Periode gut trainiert», sagt Meuwly. Allerdings machte Sprunger vor kurzem etwas die Achillessehne zu schaffen, weshalb sie während zwei Wochen alternative Trainings absolvierte. Mittlerweile kann sie wieder alles trainieren, allerdings zog sie die Spikes nur für wichtige Einheiten an. «Sie hat ein bisschen Verspätung, wir sind aber am Aufholen», so Meuwly. Ohnehin gehe es in Oslo in erster Linie darum, wieder das Wettkampfgefühl zu spüren.
Situation soll Ende Juni klar sein
Sprunger ist seit dem 17. Mai zurück bei Meuwly am niederländischen Olympia-Stützpunkt Papendal. Zuvor hatte sie acht Wochen alleine trainiert. Dabei war für die 30-jährige Waadtländerin das Schwierigste, kein konkretes Feedback zu erhalten. Ausserdem hatte sie niemanden, der sie bei härteren Trainings aus der Komfortzone brachte oder mit ihr mitlitt. Sie machte jedoch das Beste daraus. Viel Zeit daheim zu verbringen, das fand sie durchaus auch positiv, sie vermisste aber das soziale Leben. Immerhin war der Freund bei ihr.
Dass in diesem Jahr keine Grossanlässe stattfinden, stuft Meuwly nicht nur als negativ ein, ermöglichte das doch, mehr an der Basis, konkret an der Kraft und Ausdauer, zu arbeiten. Beispielsweise absolvierte Sprunger länger als sonst Hügelläufe. «Wir hatten keinen Druck», sagt Meuwly. Der 45-Jährige geht davon aus, dass die Situation bezüglich der Wettkämpfe Ende Juni «ziemlich klar ist. Dann können wir wirklich planen.» Vorgesehen sind zwei Wettkampfblöcke und dementsprechend zwei Peaks. So oder so haben die beiden entschieden, die Saison in der dritten Woche im September zu beenden, um nach einer Pause Mitte Oktober mit der Vorbereitung für den Winter beginnen zu können.
Verschiebt sich Sprungers geplantes Karriereende?
Auf die Verschiebung der Sommerspiele angesprochen, antwortet Sprunger: «Klar ist es schade und schlimm. Wir wussten aber, dass etwas passiert, da es viel Druck auf das IOC gab.» Zunächst hatte sie noch auf eine Durchführung im gleichen Jahr gehofft, was sich jedoch rasch zerschlug. Ob die Verschiebung ein Vor- oder Nachteil ist, kann Sprunger nicht sagen. Meuwly erachtet sie insofern als negativ, «als Lea nun nicht mehr zwei Chancen hat, auf Weltniveau eine Medaille zu gewinnen.» Dies deshalb, weil Sprunger 2021 aufzuhören beabsichtigt und die Weltmeisterschaften in Eugene ebenfalls ein Jahr später stattfinden, nämlich vom 15. bis 24. Juli 2022.
Ein weiterer Faktor ist für Meuwly das Alter, da Sprunger von der Schnelligkeit lebt. «Klar haben wir nun mehr Zeit, um an gewissen Details zu arbeiten, ganz objektiv gesehen ist sie aber ein Jahr älter. Zudem haben andere Athletinnen nun mehr Zeit, um konkurrenzfähig zu werden.» Gleichzeitig betonte Meuwly aber, dass Sprunger im vergangenen Jahr so gut wie noch nie gewesen sei. Beim 4. Rang an den Weltmeisterschaften in Doha verbesserte sie über 400 m Hürden den 28 Jahre alten Schweizer Rekord von Anita Protti um 19 Hundertstel auf 54,06 Sekunden. Die eigene Bestzeit unterbot sie um 23 Hundertstel. So gesehen ist ihr auch in einem Jahr einiges zuzutrauen. Sprungers Motivation ist jedenfalls wieder hoch, schliesslich will sie die Karriere erfolgreich beenden. Zuerst einmal steht aber Oslo auf dem Programm.