Nach zehn Jahren findet wieder eine Bob-WM in St. Moritz statt. Für Schweizer Medaillen sollen Michael Vogt und Melanie Hasler sorgen – ein Paar, das privat nur selten über den Bobsport spricht.
Heimvorteil? Die Schweizer Bobfahrer schütteln bei der Frage stets den Kopf. Denn im Bob ist das so eine Sache. St. Moritz ist eine Natur-Eisbahn, die Benützung deshalb auf die wirklich kalten Monate beschränkt. Im Gegensatz zum Beispiel zu den Eiskanälen in Deutschland, auf denen die Einheimischen schon ab Juniorenzeiten Hunderte von Fahrten mehr haben als die Konkurrenz, gibt es für die Schweizer nur sehr wenige Möglichkeiten für zusätzliche Trainings.
Trainings statt Weltcup
Für die WM ist dies nun aber ein bisschen anders. Die Schweizer haben sich eine zusätzliche Trainingswoche verschafft, in dem sie auf den zweitletzten Weltcup in Altenberg verzichteten. So konnten sie die verpassten Übungsfahrten, die zwischen Weihnachten und Neujahr den zu hohen Temperaturen zum Opfer fielen, mehr als kompensieren.
Michael Vogt und Melanie Hasler haben noch einen weiteren «Heimvorteil». Die 24-jährige Aargauerin und der ein Jahr ältere Schwyzer nehmen ihren ersten Grossanlass als Liebespaar in Angriff. Wie einst Roger Federer und Mirka Vavrinec verliebten sich die besten zwei Schweizer Bobpiloten an den Olympischen Spielen (im Februar in China) ineinander. Kein Wunder, strahlen sie in St. Moritz um die Wette.
Denn auch sportlich läuft es ausgezeichnet. Am Wochenende holte Vogt in Altenberg EM-Silber mit dem Zweier und Bronze mit dem Vierer, Hasler trotz starker Erkältung Bronze im Zweier. Nicht einmal, dass sie das erste Wochenende und entsprechend einige Trainingsfahrten im Erzgebirge verpassten, spielte eine Rolle. Im Gegenteil: «Wenn ich zu lange auf einer Bahn fahre, fange ich an, dumme Sachen zu machen», erklärt Melanie Hasler – und Vogt nickt nebenan schmunzelnd. Insofern war die Vorbereitung mit einer Woche Training in St. Moritz und dem Wettkampf in Deutschland optimal, um den Kopf nochmal zu lüften und noch dazu Selbstvertrauen zu holen.
Auch das Material scheint zu passen, auch in dem Bereich waren die Trainings äusserst wertvoll. Entsprechend klar sind die Ambitionen. Vor zehn Jahren gab es im Engadin eine silberne Medaille durch Beat Hefti/Thomas Lamparter. «Das ist auch diesmal das Ziel», betont Roger Clavadetscher, Geschäftsführer des Schweizer Verbandes Swiss-Sliding. Das ist definitiv ein realistisches Ziel.
Vogt viermal auf dem Podest
Michael Vogt sieht seine bessere Chance gleich am ersten Wochenende im Zweier mit Sandro Michel. In vier ihrer fünf Weltcup-Einsätze standen die beiden auf dem Podest, im Vierer gelang dies nur am letzten Wochenende. Hauptgegner sind wie immer die Deutschen mit ihrem stets herausragenden Material, dazu der Brite Brad Hall, mit seinen ersten drei Weltcupsiegen und dem EM-Titel der Aufsteiger des Jahres. Nach dem Rücktritt des kanadischen Olympiasiegers Justin Kripps und der Rückenoperation beim Letten Oskars Kibermanis ist die Spitze schmaler geworden.
Das gilt auch bei den Frauen. Es dominierten die deutschen Fahrerinnen sowie die dreifache Olympiasiegerin Kaillie Humphries aus den USA. Melanie Haslers holte ihre zwei Podestplätze im Zweier, ihre Hoffnungen liegen deshalb eher auf dem zweiten Wochenende. Die Frauen starten am Samstag und Sonntag mit dem Monobob, in dem sich Hasler noch nicht ganz so wohl fühlt, und in dem sich am Wochenende die krankheitsbedingte Schwächung stärker auswirkte. Am Donnerstag zeigte sie sich aber überzeugt, dass sie wieder ganz fit sein wird.
Zwei Frauen, drei Männer am Start
In beiden Frauenrennen wird die Zürcherin Martina Fontanive, die zu Beginn der Saison verletzt war, als zweite Schweizerin am Start sein. Bei den Männern holten die Fahrer von Swiss-Sliding einen dritten Startplatz. Der ebenfalls von einer Verletzung genesene Simon Friedli bestreitet beide Wettkämpfe, Timo Rohner steht nur im Zweier im Einsatz, der Engadiner Cédric Follador lediglich im Vierer.
Für die Medaillen müssen aber wohl Melanie Hasler und Michael Vogt sorgen. Am liebsten würden sie sich wie am letzten Wochenende gleich beide Edelmetall umhängen lassen. Privat, das verraten sie lachend auch noch, sei der Bobsport aber nur selten Gesprächsstoff.