Seriensieger Max Verstappen lässt in der Formel 1 die Konkurrenz einmal mehr staunend zurück. Die Nachbetrachtung des Saisonauftakts in der Wüste Bahrains in fünf Teilen.
Der Rekordjäger jagt weiter
Max Verstappen machte mit seinem 55. GP-Sieg in der Formel 1 dort weiter, wo er im letzten Jahr aufgehört und mit der Rekordzahl von 19 Siegen in einer Saison einmal mehr Geschichte geschrieben hatte. 2023 wurde der Niederländer im Red Bull zehn Mal hintereinander als Erster abgewunken. Auch jetzt steht der jüngste GP-Sieger in der Geschichte der Formel 1 bereits wieder bei saisonübergreifend acht Siegen. In seinen drei Weltmeister-Jahren gewann Verstappen allerdings nur 2023 das Auftaktrennen. Die Bestmarke mit den meisten Siegen von Saisonbeginn an liegt bei fünf Rennen, gehalten von Nigel Mansell (1992) und Michael Schumacher (2004).
20 Autos, null Ausfälle
An einem anderen Rekord war Verstappen beim Saisonstart in Bahrain zumindest mitbeteiligt. Wie der Rennsieger erreichten auch sämtliche anderen 19 Fahrer mit ihren Autos das Ziel. Im 75. Anlauf war es das erste Mal, dass ein Auftaktrennen ohne einen einzigen Ausfall zu Ende ging. Unfälle und vor allem die fehlende Zuverlässigkeit der neuen Boliden führten in der Vergangenheit zum Jahresbeginn immer wieder für Kopfzerbrechen bei den Teams – nicht so heuer. Es war dies erst das 17. Mal, dass ein Grand Prix ohne Ausfälle über die Bühne ging; vier dieser Rennen fanden in den letzten zwölf Monaten statt. Zuverlässigkeit wird in der grossen Welt der Technik grossgeschrieben.
Kein Silberstreifen für die Silbernen
Bei Red Bulls ärgsten Konkurrenten machte sich nach dem dominanten Saisonstart des Weltmeister-Teams schnell wieder Ernüchterung breit. Dabei war man bei Ferrari und insbesondere Mercedes guten Mutes, den Abstand auf den Primus über den Winter verringert zu haben. Die Erkenntnis nach den ersten 57 Runden der Rekordsaison mit 24 Rennen war eine andere.
Hamilton beklagte einen gebrochenen Fahrersitz, George Russell im anderen Silberpfeil machte der überhitzte Motor zu schaffen, und beim Ferrari von Charles Leclerc versagten zeitweise die Bremsen. Einzig Carlos Sainz lieferte – wohl mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch – ab. Der Spanier, der nächstes Jahr bei Ferrari für Hamilton Platz machen muss, zeigte einige starke Überholmanöver und betrieb mit Platz 3 bei der Suche nach einem neuen Arbeitgeber Eigenwerbung. Den Doppelsieg von Red Bull konnte aber auch Sainz nicht verhindern.
Saubers giftgrüne Mamba
Nicht das schnellste, aber zumindest das optisch auffälligste Auto im Fahrerfeld gehört dem Team Sauber. Das leuchtende Neongrün sticht sofort ins Auge. Es soll verkörpern, wie der Zürcher Rennstall in der ersten Saison nach der Zusammenarbeit mit Alfa Romeo auftreten will – keck, angriffig, giftig. Das neue Auto, der C44, bekam auch schon den Übernamen «Grüne Mamba» verpasst.
Beute in Form von WM-Punkten hat die Hinwiler Schlange im ersten Saisonrennen zwar noch keine gemacht. Die Art und Weise, wie sich Zhou Guanyu im Flutlichtrennen jedoch durchs Feld geschlängelt hat, stimmt zuversichtlich. Der Chinese zeigte von Startplatz 17 ein fehlerfreies Rennen und reihte sich als Elfter hinter den Autos der fünf Top-Teams Red Bull, Ferrari, Mercedes, McLaren und Aston Martin ein.
Um (regelmässig) zu punkten und den angestrebten Schritt nach vorne in der Konstrukteurs-WM (9. Rang im Jahr 2023) zu vollziehen, sind für Sauber bessere Leistung in den Qualifyings wohl unabdingbar – und Zeitverluste wie jener beim verpatzten zweiten Boxenstopp von Valtteri Bottas Gegengift für eine schnelle Mamba.
Alonsos Ausdruck der Hoffnungslosigkeit
Zurück zu Max Verstappen. Alles andere als der vierte WM-Titel des Niederländers, womit er zu Sebastian Vettel und Alain Prost aufschliessen würde, wäre 2024 eine Überraschung. Das sieht auch der 42-jährige Oldie Fernando Alonso so. «Ich schätze, 19 Fahrer denken jetzt, dass sie nicht Weltmeister werden», meinte der Champion von 2005 und 2006. «Wenn man Max und den Red Bull in Aktion gesehen hat, scheint es für alle anderen geringere Chancen zu geben, in diesem Jahr ein Rennen zu gewinnen.»
Auch Jeff Dodds hielt den Titelkampf schon vor dem Saisonstart für entschieden. Der Geschäftsführer der Formel E will sogar demjenigen, der Verstappen schlägt, Ende Jahr 250'000 Dollar für wohltätige Zwecke überweisen. «Wenn er sich nicht verletzt oder etwas Verrücktes passiert, hat er zu 99 Prozent die Trophäe in der Tasche», prophezeite Dodds. Seine Prognose dürfte der Engländer nach Verstappens überzeugendem Auftritt in Bahrain nicht korrigieren.
Weiter geht es am nächsten Samstag mit dem Grand Prix von Saudi-Arabien.