Der Traum vom vierten WM-Titel ist wegen Corona geplatzt. Nach seinem kampflosen Out macht Darts-Superstar Michael van Gerwen Veranstalter PDC grosse Vorwürfe. Derweil gibt's bereits den nächsten positiven Fall und Titelverteidiger Gerwyn Price fordert gar den WM-Abbruch.
Wenige Stunden vor seinem auf Dienstagabend angesetzten Drittrundenduell gegen den Engländer Chris Dobey platzte die Darts-Bombe. Der dreifache Weltmeister Michael van Gerwen ist wegen eines positiven Corona-Tests raus aus dem WM-Turnier im legendären «Ally Pally» in London.
Das grosse Zittern hatte für den Niederländer schon am Vortag begonnen, als sein Landsmann, bester Freund und Trainingspartner Vincent van der Voort ein positives Ergebnis ablieferte und aus dem Turnier genommen wurde. Zuvor sorgte mit Raymond van Barneveld schon ein weiterer Niederländer mit einem positiven Corona-Test für Schlagzeilen.
«Von dem Moment an, als ich positiv getestet wurde, habe ich ihm gesagt, dass er mir nicht zu nahe kommen soll», hatte van der Voort am Montagabend in einem Interview mit dem niederländischen Fernsehsender RTL 7 hinsichtlich van Gerwen gesagt. Die beiden hatten sich an Heiligabend mit Dirk van Duijvenbode zum gemeinsamen, niederländischen Weihnachtsessen getroffen.
«Die Kontrollen waren nicht stark genug»
Doch offensichtlich war es bereits zu spät. Van Gerwen unterzieht sich am Montagabend drei Schnelltests, einer davon ist positiv. Daraufhin veranlasst der 32-Jährige bei der Profidart-Organisation PDC einen PCR-Test. Am späten Dienstagnachmittag kommt das positive Ergebnis und das definitive WM-Aus.
«Ich habe das nicht kommen sehen», äussert sich van Gerwen am Dienstagabend gegenüber dem niederländischen Portal «AD Sportwereld» und holt danach zu einer Generalkritik aus. Die PDC habe nicht genug unternommen, um Infektionen zu verhindern. «Sie wird immer sagen, dass sie sich an die Regeln der Regierung gehalten hat, aber die PDC hätte mehr machen können. Die Kontrollen waren nicht stark genug. Es ist jetzt einfach eine grosse Corona-Bombe.»
Tatsächlich ist es so, dass auch viele Aussenstehende in Anbetracht der aktuellen Pandemielage schockiert sind über die Bilder, die täglich im «Ally Pally» zu sehen sind. Wie jeweils 3'000 Fans ohne Masken und Abstandsregeln feiern, johlen und singen, als gäbe es kein Morgen – und vor allem kein Omikron. Und hierzulande, wo Zuschauer beispielsweise nur noch mit 2G und Maske in ein Eishockeystadion dürfen, staunt man, dass dies im «Ally Pally» mit dem Segen der britischen Regierung weiterhin mit 3G möglich ist und die Maske am Platz abgenommen werden kann.
«Ich hätte alle täuschen können»
Zudem wird die PDC dafür kritisiert, dass sie wenig dafür tut, dass zumindest diese Minimalregeln eingehalten werden. Es wird in verschiedenen Medien bemängelt, dass nicht mal ein Test nötig sei. An der Einlasskontrolle würde ein genaueres Hinsehen oder gar der Abgleich mit einem Ausweis oft gar nicht stattfinden. Auch, dass man eine Maske tragen müsse, sobald man seinen Sitzplatz verlasse, werde weder kontrolliert noch eingehalten.
Brisant ist auch: Die 96 WM-Teilnehmer müssen zwar am Spieltag einen negativen Corona-Test nachweisen. Wie ntv.de berichtet, reicht dafür ein handelsüblicher Selbsttest, dessen Ergebnis die Spieler vorzeigen. Eine Kontrolle, ob der Test korrekt angewandt wird, findet offenbar nicht statt. Theoretisch bietet dieses Vorgehen die Möglichkeit zum Betrug, indem man einen negativen Test einer anderen Person als den eigenen ausgibt.
Michael van Gerwen hat dies in den niederländischen Medien bestätigt: «Ich hätte alle täuschen können. Aber ich möchte selbst in den Spiegel schauen können. Corona tötet Menschen, also habe ich das nicht gemacht. Das ist meine moralische Pflicht.»
Auch Chisnall positiv – und van Duijvenbode?
Der Weltmeister der Jahre 2014, 2017 und 2019 sagt, er sei «sehr vorsichtig gewesen. Wir haben beispielsweise den Frühstücksraum gemieden, weil wir es dort zu voll fanden». Auch vor dem besagten Weihnachtsessen mit van Duijvenbode und van der Voort hätten sich alle Beteiligten getestet. «Wir waren alle negativ. Ich weiss nicht, wo ich es mir eingefangen habe.»
Für den Superstar der Szene ist jedenfalls klar, dass die WM-Organisatoren die Schuld an dem Corona-Chaos tragen: «Die PDC hätte jeden Tag kontrollieren müssen, wer im Spielerhotel ein und aus geht. Das haben sie nicht getan. Laut britischer Regierung müssen sie das auch nicht. Aber zum Schutz der eigenen Organisation und der Weltmeisterschaft wäre es praktisch gewesen.»
Dafür, dass sie nicht freiwillig selbst aufgerüstet hat und die Schutzmassnahmen nicht von sich aus erhöht hat, zahlt die PDC nun einen hohen Preis. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Am Mittwoch blieb mit dem Engländer Dave Chisnall bereits der nächste Spieler mit einem positiven Corona-Test hängen. Auch Dirk van Duijvenbode ist ein Wackelkandidat, nachdem er mit van Gerwen und van der Voort am Weihnachtsdinner war.
Titelverteidiger Price fordert WM-Abbruch
Eigentlich würde dieser am Mittwochabend in den Achtelfinals auf Titelverteidiger und nach van Gerwens Aus auch unangefochtenen WM-Favoriten Gerwyn Price treffen. Der ansonsten sehr eigenwillige und oft narzisstische Waliser fühlte am Dienstag mit Widersacher «MvG» mit. «Traurig, dass manche Spieler wegen Covid ausscheiden», schrieb Price auf Instagram. Die WM werde dadurch «abgewertet. Ich spiele lieber gegen die Besten, um der Beste zu sein».
Nach dem positiven Test von Chisnall hat sich Price am Mittwoch in den sozialen Medien nochmals gemeldet und für einen WM-Abbruch plädiert. «Das Turnier sollte verschoben werden», schrieb der 36-Jährige. «Ich war selbst in dieser Position, deswegen fühle ich mit den ausgeschiedenen Spielern.»
Der ehemalige Rugby-Profi wurde in diesem Jahr aus der Premier League gestrichen, weil er vor dem Start positiv auf das Virus getestet worden war. Eine Verschiebung der WM sei wahrscheinlich nicht die beste Option, «aber eine Option, mit der ich einverstanden wäre». Die PDC hat bislang nichts in diese Richtung verlauten lassen, aber die Ereignisse überschlagen sich derzeit.