Insbesondere die aufstrebenden Schweizer Leichtathletik-Asse überzeugen im Coronajahr 2020 mit starken Leistungen. Mit Blick auf eine Olympiaselektion sind diese Efforts aber nutzlos.
Diese Ausgangslage erhöht den Druck auf die Sommersaison, die über Pfingsten so richtig lanciert wird.
Hallen-Europameisterin Ajla Del Ponte mit 11,08 Sekunden und Silvan Wicki in 10,11 über 100 m, William Reais in 20,24 über 200 m, Lore Hoffmann und Selina Rutz-Büchel in 1:58er-Zeiten über 800 m und 5000-m-Läufer Jonas Raess in 13:20,08 Minuten, Jason Joseph mit dem Schweizer Rekord im Hürdensprint (13,29) oder Simon Ehammer und Annik Kälin mit 8231 bzw. 6170 Zählern im Mehrkampf: All diese Leistungen aus dem vergangenen Sommer hätten wohl das Ticket für die Olympischen Spiele in Tokio eingebracht, wäre die Selektionsphase und die Berechnung des World Rankings wegen der Coronavirus-Krise nicht unterbrochen gewesen. Sie bleiben daher ein Muster ohne Wert.
Nun drängt die Zeit. Bis am 29. Juni muss geliefert werden. Mit Spitzenleichtathletik Luzern schliesst das Zeitfenster für die Olympiaselektion. Bloss fünf Wochen bleiben ab dem eigentlichen Start der Freiluftsaison mit den zahlreichen Pfingstmeetings. Die Athleten sind trotz des nasskalten Wetters in Form. Die Schweizer Delegation fiel am Mittwochabend beim top-besetzten Meeting in Ostrava jedenfalls mit durchs Band weg starken Leistungen auf.
Die prominenteste Startgelegenheit erhält Ajla Del Ponte. Die Frau aus dem Tessin steht am Sonntag zum Auftakt der Diamond League in Gateshead am Start. Die Qualität des 100-m-Feldes ist ausserordentlich hoch: Die Britin Dina Asher-Smith, die junge Amerikanerin Sha'Carri Richardson oder die Weltmeisterin Shelly-Ann Fraser-Pryce werden angekündigt.
Jonas Raess läuft in England den 5000er. Am Montag in Basel geht die Schweizer Elite in den Hürdendisziplinen an den Start.
Sextett steht besonders unter Druck
Im Gegensatz zu vergangenen Jahren lässt sich nicht auf den ersten Blick erkennen, ob eine Spitzenleistung olympiatauglich ist. Der Weltverband World Athletics setzte die Limiten bewusst so hoch an, dass sich mit diesen Werten die Starterfelder in Tokio nicht füllen lassen. Circa 50 Prozent der Athletinnen und Athleten werden per World Ranking selektioniert, Klarheit herrscht am 1. Juli. Das World Ranking gewichtet die fünf wertvollsten Resultate nach einem komplizierten Schlüssel.
Für die meisten Disziplinen definierte der Weltverband die Zeitfenster vom Sommer 2019 bis Ende der Hallensaison 2020 sowie von der Hallensaison 2021 bis zum 29. Juni 2021 als für Tokio massgebend. Aus diesem Grund figurieren im Limitenbulletin (erfüllte Limiten) von Swiss Athletics primär Namen, die 2019 brillierten. Es sind dies Alex Wilson (200 m), Julien Wanders (10'000 m) und Tadesse Abraham (Marathon) sowie Salomé Kora (100 m), Mujinga Kambundji (100 und 200 m), Lea Sprunger (400 m Hürden) und die Sprint-Staffel der Frauen. Das Zehnerfeld ergänzen Stabhochspringerin Angelica Moser, die im März mit dem Hallen-EM-Titel das Ticket löste, Fabienne Schlumpf, die im April beim Umstieg auf den Marathon brillierte, und der Hochspringer Loïc Gasch, der Anfang Mai den Schweizer Rekord auf 2,33 m anhob.
Mit den Leistungen aus dem Jahr 2019 sind auch Kariem Hussein, Jason Joseph, Ajla Del Ponte, Sarah Atcho, Selina Rutz-Büchel, Martina Strähl, Géraldine Ruckstuhl und die 4x400-m-Staffel der Frauen im World Ranking vielversprechend klassiert. Aber die Emporkömmlinge Annik Kälin, Lore Hoffmann, Simon Ehammer, Silvan Wicki, William Reais oder Jonas Raess stehen noch mit leeren Händen da.