Brian Holm «Wir hatten keinen Hipster-Koch mit Seemann-Tattoos» – wenn des Dopingsünders Kragen platzt

René Weder

4.9.2020

Andere Zeiten, andere Sitten: Kasper Asgreen (rechts) erhält eine Abreibung von Ex-Telekom-Fahrer (und Dopingsünder) Brian Holm.
Andere Zeiten, andere Sitten: Kasper Asgreen (rechts) erhält eine Abreibung von Ex-Telekom-Fahrer (und Dopingsünder) Brian Holm.
Bild: Getty / Keystone

Da ist mächtig was los am Rande der Tour de France. Der ehemalige Spitzenfahrer Brian Holm rechnet mit der neuen Fahrergeneration ab. Doch die Sache wird zum Bumerang. 

Erinnern Sie sich an Brian Holm? Der Däne fuhr in den 90er-Jahren im Team Telekom an der Seite von Jan Ullrich und Bjarne Riis. Als «Edel-Domestik» galt er 1996 als entscheidendes Puzzle-Teil beim Grosserfolg des deutschen Teams an der «Grande Boucle»: Riis gewann damals vor Ullrich, dessen grosse Stunde ein Jahr später schlagen sollte.

Nur war das Team Telekom der 90er-Jahre nicht nur bekannt für seine Erfolge, sondern auch für systematischen Dopingmissbrauch. Sowohl Ullrich als auch Riis wurden überführt. Der Deutsche sorgt heute noch für Schlagzeilen, selten für positive. Der Däne, der in Anspielung auf seinen verdächtig aussergewöhnlichen Hämatokritwert den Spitznamen «Mister 60 Prozent» erhielt, ist hingegen zurück im Radsport-Geschäft: Als Anteilseigner und Teammanager des Rennstalls NTT ist er 2020 wieder Teil der Tour, was selbstredend nicht alle gut finden, denn Riis steht nicht für die Glaubwürdigkeit, die dem Radsport dieser Tage gut bekommen würde.



«Eine harte Etappe» – und schon brennt der Briefkasten

Zurück zu Brian Holm: Der inzwischen 57-jährige Däne hat ein bewegtes Leben mit Höhepunkten und Rückschlägen hinter sich. Als Fahrer feierte er zahlreiche Erfolge, 1991 gewann er etwa Paris – Brüssel. Insgesamt holte er als Profi 14 Siege und sicherte sich 1984 auf der Bahn ein Olympia-Diplom. 2004 wurde eine Krebserkrankung publik, von der er wieder genesen konnte. 2014 wurde er wegen obszöner Handlungen in Gegenwart eines Kindes angezeigt, von dem Vorwurf jedoch von einem dänischen Gericht freigesprochen.

Am meisten mediale Aufmerksamkeit genoss Holm jedoch 1996 als Helfer des Duos Riis / Ullrich. Brisantes Detail: 2007 gab er zu, dass er damals, wie viele andere auch, mit Epo seine Leistung steigerte. So viel zum Kontext. Jetzt meldet sich Holm mit einem Rundumschlag via Instagram in der öffentlichen Wahrnehmung zurück und zieht über die junge Fahrergeneration her. Auslöser ist ein Post seines Landsmanns Kasper Asgreen (25), der vor zwei Tagen von einer «sehr harten Etappe» schrieb.

Holm schreibt daraufhin: «Lieber Kasper. Wenn du nach drei Tagen in Südfrankreich müde bist, erzähle ich dir etwas über die Tour 1996. Henn, Aldag, Heppner und Bölts zogen das Peloton drei Wochen durch Hitzewellen, Stürme und nasses Kopfsteinpflaster. Wir hatten keinen schicken Bus oder einen Hipster-Koch mit Seemann-Tattoos und einem lustigen Hütchen (…) Pressesprecher gab es nicht, wir redeten mit unserem Herzen, und wenn uns jemand schlug, gratulierten wir nicht hinterher auf dem Scheiss-Facebook.» Interessant hierbei ist, dass Holm für seinen Ausbruch den Weg via Instagram wählt, aber das lassen wir an dieser Stelle mal so stehen.

«Ich musste drei Wochen die beschissene Musik von Bjarne Riis ertragen»

Der Däne ledert weiter und schreibt sich förmlich in Rage: «Ich teilte das Zimmer mit Bjarne Riis und musste drei Wochen seine beschissene Musik ertragen. Wir haben unseren Boss Walter Godefroot nie lachen sehen und Riis, Zabel und Ullrich waren keine Stand-up-Comedians. Nach dem Tour-Sieg, und nachdem wir die Hälfte aller Etappen gewannen, assen wir in Paris Sauerkraut, weil es das Lieblingsessen der scheiss ‹Fritzes› war» (damit meint er die Deutschen, Anm. d. Red). Holms erteilt Asgreen letztlich noch einen Ratschlag: «Lieber Kasper, wenn du müde bist und dich unwohl fühlst, ruf mich an. Ich erzähle dir vom wahren Leben. Gute Fahrt in deinem voll klimatisierten Hightech-Bus und geniesse deinen Protein-Erdbeer-Milchshake. Denk dran, dass Radsport deine Religion ist. Viel Glück.»

Da hat einer aber einen mächtig dicken Hals, weshalb auch immer. Nur ist es gefährlich, mit Steinen zu werfen, wenn man im Glashaus sitzt. Als die Deutsche «Bild»-Zeitung über Holms Exkurs auf der sozialen Plattform berichtet, kontert dieser am Freitagmorgen mit einem weiteren Post. Diesmal schreibt er auf Deutsch und klarer Geste (dazu mit einem Herzchen versehen): «Liebe @sport_bild ... Wünsche euch allen einen schönen tag ❤️.» Wenn am Ende die Liebe siegt, sind auch wir mit dieser Geschichte einverstanden.

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