Ukrainer boxt gegen Joshua um WM-Gürtel Oleksandr Usyks Mission für Freiheit und Frieden

ck

20.8.2022 - 06:31

Stehen sich am Samstagabend in einem emotionsgeladenen Kampf im Ring gegenüber: der Ukrainer Oleksandr Usyk (li.) und sein britischer Herausforderer Anthony Joshua
Stehen sich am Samstagabend in einem emotionsgeladenen Kampf im Ring gegenüber: der Ukrainer Oleksandr Usyk (li.) und sein britischer Herausforderer Anthony Joshua
Keystone

Wenn der ukrainische Schwergewichts-Weltmeister Oleksandr Usyk am Samstagabend gegen den Briten Anthony Joshua in den Ring steigt, ist dies mehr als ein Boxkampf.

20.8.2022 - 06:31

Den Tag, der alles veränderte, wird Oleksandr Usyk nie vergessen. «Es war der zwölfte Geburtstag meiner Tochter und natürlich habe ich geweint», sagte Usyk. Es waren keine Tränen der Rührung über die kleine Jelisaweta. Es waren Tränen des Entsetzens und der Hilflosigkeit. Es war der 24. Februar – und Russland hatte mit der Invasion von Usyks Heimatland Ukraine begonnen.

Im Vergleich zum Krieg ein Kinderspiel

Deshalb geht es am Samstag im saudi-arabischen Dschidda um Hoffnung für die Menschen in der Heimat, die das Duell kostenlos sehen können. Es geht um ein Zeichen der Freiheit, das die ganze Welt sehen soll. «Boxen ist ein Kinderspiel im Vergleich zum Krieg. Krieg ist Überleben», sagte Usyk.

Man kann den unglaublichen Druck und die womöglich noch grössere Motivation des 35-Jährigen nur erahnen. Es wird auch ohne die auf dem Spiel stehenden WM-Gürtel der wichtigste Kampf seines Lebens. Usyk ist Botschafter seiner Heimat, ein Botschafter des Friedens.

In den vergangenen Wochen zeigte er sich immer wieder in blau-gelben T-Shirts mit dem Aufdruck «Farben der Freiheit». Zur Abschluss-Pressekonferenz erschien er im traditionellen Kosaken-Gewand und sang am Ende ein ukrainisches Widerstandslied.

In Kiew auf Patrouille

Usyk hat den Überfall Russlands als Augenzeuge miterlebt. Der Superstar meldete sich beim Freiwilligen-Bataillon der ukrainischen Armee, ging in Kiew auf Patrouille. «Ich habe jeden Tag darum gebetet, dass mich niemand tötet und dass ich auf niemanden schiessen muss», sagte Usyk.

Als er verletzte Soldaten auf einer Krankenstation besuchte, änderte sich sein Blickwinkel. Seine Kameraden ermutigten ihn, die Heimat zu verlassen und wieder in den Ring zu steigen. Damit würde er der Ukraine mehr helfen. Auch die früheren Weltmeister Vitali und Wladimir Klitschko wirkten so auf Usyk ein. Ende März reiste er mit einer Sondergenehmigung nach Polen aus.

Von der Krim geflüchtet

Usyks Geschichte ist auch die eines Vertriebenen. Auf der Krim geboren und aufgewachsen, verliess er die Halbinsel nach der russischen Annexion 2014. Er zog nach Kiew. Um seinen Landsleuten ein wenig Ablenkung vom Alltag und Freude zu schenken, setzte Usyk alles daran, die TV-Rechte für den Rückkampf gegen Joshua für die Ukraine zu kaufen. «Am Ende bekam er die Rechte sogar geschenkt», sagte sein Promoter Alex Krassjuk.

Der Kampf wird im staatlichen Fernsehen, auf Usyks YouTube-Kanal sowie auf der Streaming-Plattform Megogo gratis zu sehen sein. «Das ist grossartig und zeigt meine Verbindung zur Ukraine. Das wird mich inspirieren» sagte Usyk.

Sportlich der Favorit

Sportlich gilt er ohnehin als Favorit, nachdem er Joshua im vergangenen September eine boxerische Lehrstunde verpasst und als Titelträger der grossen Verbände IBF, WBA und WBO sowie der kleineren IBO entthront hatte. Joshua wird gegen Usyk einen K.o. brauchen, doch der hat alle seine 19 Kämpfe gewonnen. Der langjährige Cruisergewichts-Weltmeister Usyk boxt erst seit knapp drei Jahren im Schwergewicht.

ck