Neun Fragen einen Monat vor geplanter Eröffnung Werden die Olympischen Spiele in Peking doch noch abgesagt?

Von Marcel Allemann

4.1.2022

Vor den Olympischen Winterspielen in Peking gibt es noch viele Fragezeichen.
Vor den Olympischen Winterspielen in Peking gibt es noch viele Fragezeichen.
Bild: Keystone

In einem Monat beginnen die Olympischen Spiele in Peking. Doch können diese im Zug der Omikron-Welle auch wirklich stattfinden? Und wenn ja – in welcher Form? blue News geht auf die derzeit brennendsten Fragen ein.

Von Marcel Allemann

4.1.2022

Werden die Olympischen Spiele am Ende wegen Omikron doch noch abgesagt oder verschoben?

Wenn wir in den letzten zwei Jahren etwas gelernt haben, dann ist es der Fakt, dass nichts ausgeschlossen werden sollte. Auch nicht eine kurzfristige Absage oder Verschiebung der Olympischen Spiele. Das macht auch Ralph Stöckli, Chef de Mission bei Swiss Olympic, nicht. Gegenüber den Tamedia-Zeitungen sagt er: «Wir wollen ja nicht so tun, als ob nichts wäre.» Und spielt dabei auf die Omikron-Variante an, die den Wintersport derzeit heftig durcheinander wirbelt und für viele Unsicherheiten sorgt. 



Und trotzdem ist es sehr unwahrscheinlich, dass es noch zu einer Absage kommt. Chinas Staatspräsident Xi Jinping schloss dies in seiner Neujahrsansprache ans Volk aus und erklärte: «Wir werden der Welt von ganzem Herzen die Olympischen Spiele präsentieren, die Winterspiele sollen kommen, China ist bereit.» Würden die Winterspiele nun doch noch abgesagt, hätte das für Xi Jinping einen heftigen Gesichtsverlust zur Folge. Und einen solchen gilt es im asiatischen Raum generell tunlichst zu vermeiden.

Kommt dazu, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit Chinas Regierung im selben Boot sitzt und diese Spiele genauso um jeden Preis durchboxen will. Aus ähnlichen Gründen. «Wir schauen nach vorne, auf erfolgreiche Olympische Spiele in Peking und haben grosses Vertrauen», erklärte IOC-Präsident Thomas Bach am 1. Januar.

Wird die sportliche Fairness an den Olympischen Spielen trotz der Corona-Situation gegeben sein?

Das ist die Frage, die derzeit die meisten Nationalen Olympischen Komitees und ihre Sportler beschäftigt. Deshalb steht dieses Thema auch im Zentrum eines Austauschs, der am Mittwoch zwischen den einzelnen Komitees und dem IOC stattfinden wird. «Wir müssen mit aller Kraft sicherstellen, dass die Selektionen fair bleiben und dann vor allem auch faire Wettkämpfe vor Ort sichergestellt werden können», fordert Stöckli im Gespräch mit blue News.

Ralph Stöckli: «Wir wollen keine unfairen Spiele»

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Einen Monat vor den Olympischen Winterspielen in Peking, ist die Lage kompliziert. Die Corona-Variante Omikron gefährdet den Grossanlass. Ralph Stöckli, Chef de Mission bei Swiss Olympic, schildert im Interview die aktuelle Situation.

04.01.2022

Wenn man sieht, wie sich in verschiedenen Sportarten in den letzten Wochen wieder verstärkt die Startfelder wegen Corona-Fällen gelichtet haben, dann ist es völlig berechtigt, anzuzweifeln, ob faire und sportlich relevante Wettkämpfe ausgetragen werden können. Corona im Zeitalter der hochansteckenden Omikron-Variante komplett aus der Olympia-Bubble rund um Peking heraushalten zu können, scheint trotz der heftigen Schutzmassnahmen vor Ort fast schon illusorisch.

Deshalb liegt es auf der Hand, dass es auch in Peking positive Fälle geben wird und Sportler, deren Karriere-Highlights und Medaillenträume wegen eines positiven Befunds zur Unzeit platzen werden. Eine brutale Situation für jeden Betroffenen. Aber eben auch eine Situation, die aktuell genauso zum Sport und Sportlern gehört wie üblicherweise Verletzungen.

Wie sieht die Covid-Kontrolle für die Sportler in Peking aus?

Die Kontrollen werden harsch sein, man könnte auch schon fast von einer Totalüberwachung sprechen. Alle olympischen Stätten entsprechen einer Bubble, sind hermetisch abgeriegelt. Dies trifft auch auf die Transportmittel zu. Jede Person innerhalb dieser Bubble des Olympischen Dorfs muss täglich zum PCR-Test und natürlich ist das ständige Tragen einer Maske Pflicht.



Was geschieht mit positiv getesteten Sportlern?

Für diese wird es ungemütlich. Wer positiv ist, wird sofort isoliert und nochmals getestet. Wenn auch dieses Ergebnis positiv ist, muss die Person das Olympische Dorf umgehend verlassen. Sie soll dann mit einem Spezialkrankenwagen in eine dafür vorgesehene Klinik überführt werden. Wie lange sie in der Klinik bleiben müssen, entscheiden gemäss Regelwerk des IOC die behandelnden chinesischen Ärzte. Aktuell werden in China Personen mit einem positiven PCR-Test mehrere Wochen in Kliniken isoliert. Ob für Olympia-Teilnehmer Ausnahmen gelten werden, ist unklar.

Können ungeimpfte Sportler überhaupt an den Olympischen Spielen teilnehmen?

Theoretisch ja, aber Ungeimpfte müssen nach ihrer Ankunft für 21 Tage in Quarantäne. Wenn sie diese Tortur auf sich nehmen, ist es indes stark zu bezweifeln, ob sie danach noch auf ihrem sportlichen Toplevel leistungsfähig sein können.

Gibt es ungeimpfte Schweizer Olympia-Kandidaten?

Ja, vereinzelt gibt es diese. Beispielsweise die beiden Skirennfahrer Urs Kryenbühl und Ralph Weber sowie die Snowboarderin Patrizia Kummer, die bislang allesamt aus persönlichen Gründen auf eine Impfung verzichtet haben. Für Kryenbühl und Weber dürfte die Olympia-Selektion anhand ihrer sportlichen Resultate ohnehin schwierig werden, Kummer hat die Limite geschafft, müsste bei einer Selektion aber wie erwähnt für drei Wochen in Quarantäne.



Gibt es Sportler, die aufgrund der Umstände freiwillig auf die Olympischen Spiele verzichten?

Die NHL hat die Teilnahme seiner Spieler aufgrund der neuen Pandemie-Situation zurückgezogen. Davon betroffen sind auch unsere Nati-Stars wie Roman Josi, Nino Niederreiter oder Timo Meier. Es gibt auch Einzelsportler, die einen Verzicht ins Auge fassen. Schweizer Athleten, die freiwillig auf eine Olympia-Teilnahme verzichten, sind aktuell, zumindest offiziell, nicht bekannt.



Stöckli würde einen Verzicht von Schweizer Sportlern aber durchaus respektieren. Gegenüber Tamedia sagt er: «Mir würde es fern liegen, einen solchen Entscheid zu kritisieren. Es soll ein Privileg sein, an die Spiele zu gehen, und wenn man das nicht mehr so empfindet, ist es wohl besser, daheim zu bleiben.» 

Was sind aus epidemischer Betrachtungsweise die grössten Herausforderungen für die Spiele und China?

Natürlich die hochansteckende Omikron-Variante und dann vor allem auch noch der Umstand, dass die chinesischen Impfstoffe offensichtlich nicht vor einer Ansteckung bei dieser neuen Variante schützen.

Wird es an den Winterspielen Zuschauer geben?

Fix ist, dass ausländische Zuschauer nicht erlaubt sind. Ob die chinesische Bevölkerung die Gelegenheit bekommt, Wettkämpfe zu besuchen, oder es wie im Sommer in Tokio olympische Geisterspiele geben wird, ist noch immer offen.