Kinderwunsch Schwanger mit 44? «Na, das können Sie vergessen!»

Von Sulamith Ehrensperger

17.12.2020

Der Anteil der Frauen, die spät, das heisst über 40, ein Kind bekommen, nimmt in der Schweiz zu. Bei einem Drittel der Lebendgeburten im vergangenen Jahr war die Mutter laut Statistik über 35 Jahre alt.
Der Anteil der Frauen, die spät, das heisst über 40, ein Kind bekommen, nimmt in der Schweiz zu. Bei einem Drittel der Lebendgeburten im vergangenen Jahr war die Mutter laut Statistik über 35 Jahre alt.
Bild: Carlo Navarro, Unsplash

Bereits ab Ende 30 gelten Schwangere in der Medizin als «Risikogebärende». Tanja D. ist mit fast 44 Jahren schwanger geworden. Ihre Geschichte hat sie «blue News» erzählt.

Tanja D.* war ziemlich überrascht, als sie kurz vor ihrem 44. Geburtstag einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen hielt. Sie hatte schon unzählige solcher Tests hinter sich – eine Enttäuschung folgte auf die andere. Zwölf Jahre lang.

Dann um sechs Uhr an einem Januarmorgen wachte sie auf: «Es war wie eine telepathische Eingebung, dass ich sofort einen Test machen soll», erinnert sie sich. Zum ersten Mal zeigte der Teststreifen ein positives Resultat an. Sie konnte es kaum glauben, sie testete gleich zwei weitere Male. Die Tests hat sie bis heute in einer Schublade aufbewahrt. Ihren Partner weckte sie übrigens auf mit dem Satz: «Sebastian, es ist etwas Seltsames passiert: Ich bin schwanger.»

Seit über 14 Jahren sind Tanja und Sebastian* ein Paar. «Ich hatte fest den Wunsch, natürlich schwanger zu werden, und glaubte daran.» Trotzdem klappte es nicht. Es war ein ewiges Bangen und Hoffen: «Bei jeder Periode war ich einen Tag lang traurig, dann hoffte ich weiter.» Erst mit 38 Jahren bekam sie die Diagnose PCOS: Eine Fruchtbarkeitsstörung, bei der es unregelmässig zum Eisprung kommt, es daher schwieriger ist, schwanger zu werden. «Es wäre einfacher gewesen, wenn ich die Diagnose vorher gekannt hätte», findet Tanja.

«Damit ich nicht daran zerbreche»

Sie erlebte eine Reise ins Ungewisse. Tanja wurde an eine Spezialistin verwiesen, inzwischen war sie 39 Jahre alt. Eine Enttäuschung: «Die Ärztin schaute mehr in den Computer als mir ins Gesicht», erinnert sie sich. «Sie war nur daran interessiert, mich an die Reproduktionsmedizin weiterzureichen.» Sie antwortete der Ärztin: «Ich glaube, ich habe schon noch Zeit, bis ich 45 bin. Vielleicht sogar länger – bis zur Menopause», erinnert sich Tanja. Die Ärztin rief: «Na, das können Sie vergessen!»

Immer wieder bekam sie zu hören, dass sie sich keine Hoffnung auf eine Schwangerschaft mehr machen solle. Und wenn, dass die Reproduktionsmedizin eben der einzige Weg sei. Drei Monate lang versuchte es das Paar dann doch mit Hormonstimulation. «Ich hatte damit grossen Stress, vor allem, dass wir quasi auf Kommando miteinander schlafen mussten. Es gab grosse Spannungen zwischen uns.» Dann war Schluss, Tanja wollte nicht mehr. Sie wählte den alternativen Weg, «der wahrscheinlich umständlicher war». Aber sie wollte sich ihren Kinderwunsch auf so natürliche Art wie möglich erfüllen, «damit ich nicht daran zerbreche».

Sich noch stärker hineingeben 

Trotz viel Auf und Ab ist Tanja nie in grosse Verzweiflung oder gar eine Depression gefallen. «Ich wusste, dass wenn ich hoffnungslos bin, es nicht gut kommt.» Sie hielt sich immer wieder vor Augen, dass es auch einen Weg ohne Kinder gibt. «Ich sagte mir, dass ich alles mache, was ich kann.» Sie versuchte es mit Akupunktur und Shiatsu, sie liess sich von einer «PCOS-Diva» in den USA beraten, versuchte es mit einem natürlichen Medikament, um den Zyklus zu regulieren, hielt sich mit ungesunder Ernährung zurück und nahm 15 Kilo ab. Doch es stellte sich keine Schwangerschaft ein.

Nur eine gute Eizelle, dann könnte es klappen

«Dann beschloss ich, noch einen Gang höher zu schalten.» Sie sammelte positive Informationen und Gedanken zum Thema, sprach mit Frauen, die mit 45 Jahren ihr erstes Kind geboren haben, und beschäftigte sich mit dem Loslassen. Ein paar Monate vor der Schwangerschaft begann sie intensiv Yoga zu praktizieren, führte ein Leberfasten durch, nahm tibetische Kräuter und probierte zusammen mit ihrem Partner ein georgisches Silvester-Ritual aus, dazu gehörte auch eine Segnung auf «die Familie und die Kinder». «Ich glaube, das hat auch genützt, es hatte etwas Magisches», meint sie und lacht.

Auch fand sie nach langem Suchen Unterstützung von einer offenen und unkonventionellen Gynäkologin. Von ihr hörte Tanja zum ersten Mal: «Es braucht während eines Zyklus nur eine gute Eizelle und dann könnte es schon klappen.» Diese positive Einstellung habe so unheimlich gutgetan, neben den vielen negativen Prophezeiungen seitens der Schulmedizin. 

Nach einer Viertelstunde war er da

Vor zehn Wochen dann ist ihr Sohn Benjamin* zur Welt gekommen. Er wurde in einem Geburtshaus geboren – im Beratungszimmer, es hatte nicht mal mehr für ein Geburtszimmer gereicht, aber auch, weil diese schon besetzt waren. Die Geburt dauerte nur 13 Minuten und war laut Tanja «sozusagen schmerzfrei», vielleicht auch, weil sie auf die «Hypnobirthing»-Methode vertraute. Benjamin war «ein bisschen klein», nur 2,6 Kilo schwer, aber gesund und kräftig.

«Für mich ist es kein Problem, dass ich eine ältere Mutter bin», betont sie im Gespräch. Früher hätten Frauen oft mit weit über 40 nochmals ein Kind geboren. Die 44-Jährige ist überzeugt: «Auf der spirituellen Ebene kommt es so, wie es kommen soll. Das Kind kommt, wenn es dich ausgesucht hat und du bereit bist.»

Mit ihrer Geschichte möchte sie Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch Mut machen. «Lasst euch Zeit, schaut gut zu euch und bleibt in der Freude, was immer auch kommt.»

*Name von der Redaktion geändert



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