Russische Exporte Indiens und Chinas Ölkäufe bescheren Moskau nötige Einkünfte

Von Krutika Pathi und Elaine Kurtenbach, AP

14.6.2022 - 23:55

Indien entwickelt sich für Russland zu einer immer wichtigeren Quelle von Öleinkünften.
Indien entwickelt sich für Russland zu einer immer wichtigeren Quelle von Öleinkünften.
Bild: KEYSTONE

Mit dem Stopp von Energieimporten aus Russland wollen es westliche Länder Putin erschweren, seinen Krieg in der Ukraine zu finanzieren. Aber wie es aussieht, geht diese Rechnung nicht auf.

14.6.2022 - 23:55

Indien und andere asiatische Länder werden für Moskau zu einer zunehmend vitalen Quelle von Öleinkünften – trotz starken Drucks seitens der USA, ihre Käufe nicht zu steigern. Und das erhöht Russlands Exporteinnahmen, während Washington und die EU bemüht sind, Energieimporte aus Russland zu kappen, um dem Kreml die Finanzierung seines Krieges in der Ukraine zu erschweren.

Ein jüngster Bericht des Centre für Research on Energy and Clean Air (Crea) in Helsinki besagt, dass Russland in den ersten 100 Kriegstagen 93 Milliarden Euro durch die Ausfuhr fossiler Brennstoffe verdiente, obwohl das Exportvolumen im Mai zurückging. Diese Einkünfte seien «der Schlüsselbefähiger von Russlands militärischem Aufbau und seiner Aggression», machten 40 Prozent der gesamten Budgeteinnahmen aus, stellte die unabhängige Denkfabrik fest. 

60 Millionen Barrel russisches Öl gingen nach Indien

Indien, ein ölhungriges Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern, hat bislang in diesem Jahr fast 60 Millionen Barrel russischen Öls verschluckt, während es 2021 insgesamt 12 Millionen waren, wie die Rohstoffdatenfirma Kpler berichtet. Lieferungen in andere asiatische Länder wie China haben in den vergangen Monaten ebenfalls zugenommen, wenn auch weniger stark.

Und die Kette dürfte nicht abreissen. So erwägt Sri Lankas Regierungschef Ranil Wickremesinghe nach eigenen Angaben den Kauf von mehr russischem Öl, um sein in einer schweren Wirtschaftskrise steckendes Land am Laufen zu halten. Er werde zuerst nach anderen Quellen Ausschau halten, aber sei offen für mehr Lieferungen aus Russland, sagte er am Wochenende der Nachrichtenagentur AP. Bereits Ende Mai hatte Sri Lanka 90'000 Tonnen russischen Rohöls eingekauft, um seine einzige Raffinerie wieder in Betrieb zu nehmen.

Russland ist derweil bemüht, seine Exporte zu diversifizieren. Botschafter Marat Pawlow traf am Montag mit dem designierten philippinischen Präsidenten Ferdinand Marcos Jr. zusammen und bot Moskauer Hilfe bei der Versorgung mit Öl und Gas an. Marcos Jr. , der seine sechsjährige Amtszeit am 30. Juni antritt, sagte zunächst nicht, ob er das Angebot in Betracht zieht.

Indiens Bedeutung für Russland wächst

Seit Russland am 24. Februar seinen Angriff auf die Ukraine begonnen hat, sind die globalen Ölpreise massiv in die Höhe geschnellt – ein zusätzlicher Anreiz für die Raffinerien in Indien und anderen Ländern, russisches Rohöl zu nutzen, das ihnen zu einem stark verbilligten Preis von 30 bis 35 Dollar pro Barrel angeboten wird. Im Vergleich dazu kosten Brent und anderes international gehandeltes Rohöl etwa 120 Dollar.

Die Bedeutung von Ländern wie Indien ist für Russland gewachsen, nachdem sich die EU – bislang der Hauptmarkt für fossile Brennstoffe, die den grössten Teil der Moskauer Auslandserträge ausmachen – darauf verständigt hat, die meisten Ölkäufe bis Ende 2022 zu stoppen. «Ein eindeutiger Trend scheint sich zu manifestieren», formuliert es Matt Smith, der bei Kpler auf die Analyse des russischen Ölhandels spezialisiert ist.

In indischen Raffinerien wird russisches Öl veredelt.
In indischen Raffinerien wird russisches Öl veredelt.
Bild: KEYSTONE

Demnach fliesst Öl, das bislang nach Europa ging, jetzt zunehmend nach Asien, mit Indien als Topkäufer, gefolgt von China. Auch die Türkei ist ein Schlüsselzielort für Lieferungen. In Indien werde zunehmend erkannt, welche Chancen in dem Kauf von billigem russischen Öl lägen, sagt Smith. Es werde in indischen Raffinerien veredelt und dann als sauberes Produkt verschickt – mit starken Gewinnen.

So sind im Mai etwa 30 russische Tanker in Indien eingetroffen, täglich wurden etwa 430 000 Barrel Öl entladen. In den ersten drei Monaten dieses Jahres waren es laut dem Energie-Forschungszentrum in Helsinki durchschnittlich 60 000 Barrel am Tag.

Auch staatseigene und unabhängige Raffinerien in China greifen zunehmend zu. 2021 war die Volksrepublik der Internationalen Energiebehörde zufolge der grösste einzelne Käufer russischen Öls – mit 1,6 Millionen Barrel pro Tag, gleichmässig verteilt auf Pipeline- und Schiffsrouten. Indiens Importe entsprechen nur einem Viertel davon, aber die deutliche Zunahme seit Beginn des Ukraine-Krieges könnte zu Spannungen zwischen Washington und Neu Delhi führen. Ungeachtet dessen hat Indiens Aussenminister Subrahmanyam Jaishankar betont, dass sein Land tun werde, was in dessen bestem Interesse sei.

Indiens Rohöl-Einfuhren aus Russland sind von 100 000 Barrel am Tag im Februar auf täglich 370 000 im April und dann 870 000 im Mai gestiegen. Ein wachsender Teil dieser Lieferungen hat Öl aus dem Irak und Saudi-Arabien verdrängt, und das meiste ging an Raffinerien in Sika und Jamnagar an Indiens Westküste. Bis zum April hatte die russische Ware Crea zufolge weniger als fünf Prozent des in Jamnagar bearbeiteten Rohöls ausgemacht, im Mai waren es 25 Prozent.

«Indien bietet ein Ventil für russisches Rohöl»

Indiens Exporte von Ölprodukten wie Diesel sind auf 685'000 Barrel pro Tag gestiegen, im Vergleich zu 580'000 Barrel vor der Ukraine-Invasion. Ein grosser Teil des exportierten Diesels wird in Asien verkauft, aber 20 Prozent wurde auf dem Weg durch den Suezkanal verschifft, in Richtung Mittelmeer oder Atlantik, also im Wesentlichen Europa oder den USA, wie Crea-Analyst Lauri Myllyvirta sagt. «Indien bietet ein Ventil für russisches Rohöl, durch den Markt zu gehen.»

Auch Chinas Importe haben dieses Jahr weiter zugenommen – und damit der Regierung von Wladimir Putin geholfen, einen Leistungsbilanzüberschuss von umgerechnet 92 Milliarden Euro für das erste Drittel dieses Jahres zu erzielen.

Von Krutika Pathi und Elaine Kurtenbach, AP