Late Night USA «Das Stillsitzen alleine wird Trump in den Wahnsinn treiben»

Von Philipp Dahm

16.4.2024

«Jimmy Kimmel Live» nimmt – mal wieder – Donald Trump ins Visier.
«Jimmy Kimmel Live» nimmt – mal wieder – Donald Trump ins Visier.
Youtube/Jimmy Kimmel Live

Donald Trump döst bei der Verhandlung ein, greift den Richter und den Prozess an – aber in New York unvoreingenommene Geschworene zu finden, scheint schwer. Jimmy Kimmel verarbeitet nicht nur Juristisches, sondern auch Historisches.

Von Philipp Dahm

16.4.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Auftakt im Strafprozess um Schweigegeld für Stormy Daniels: Es gelingt in New York nicht, unvoreingenommene Geschworene zu finden.
  • Donald Trump äussert sich trotz Gag Order abfällig über den Prozess und seinen Richter.
  • Jimmy Kimmel erinnert daran, dass das Schweigegeld geflossen sein soll, als Trump seine Frau betrogen hat, als ihr Sohn Baron gerade vier Monate alt war.
  • Vor dem Prozess hat sich Trump über die Schlacht von Gettysburg geäussert, die «so schön auf viele verschiedene Arten» gewesen sei.

Natürlich hat auch Jimmy Kimmel auf Lower Manhattan in New York geschaut, wo der erste Tag im Strafprozess gegen Donald Trump begonnen hat. «Es gibt eine Gag Order gegen Donald Trump», erklärt der Late-Night-Host: «Trump darf keine aufrührerischen Aussagen über Zeugen, die Familien der Gerichtsbediensteten oder den Fall selbst machen.» 

Doch diese Anweisung des Richters hat der Ex-Präsident schon auf dem Weg ins Gericht mit Füssen getreten, so der Kopf von «Jimmy Kimmel Live» – zu sehen im Clip nach 53 Sekunden:

«Das ist politische Verfolgung», nölt Trump. «Das ist eine Verfolgung wie noch nie. Niemals hat jemals etwas Ähnliches gesehen. Und nochmal: Das ist ein Fall, der niemals hätte vorgebracht werden dürfen. Es ist ein Angriff auf Amerika. Und deshalb bin ich sehr stolz, hier zu sein. Das ist ein Angriff auf unser Land.»

«Ich wünschte, seine Eltern könnten das noch mitansehen»

«Er ist froh, dort zu sein wegen des Angriffs auf unser Land», kann sich Kimmel Lachen nicht verkneifen. «Er ist stolz, bei seinem Prozess zu sein, weil er ein Pornosternchen Schweigegeld gezahlt hat. Wer wäre da nicht stolz? Ich wünschte, seine Eltern könnten das noch mitansehen.»

Donald Trump spricht nach dem ersten Verhandlungstag mit der Presse – und greift den Prozess selbst und den Richter an.
Donald Trump spricht nach dem ersten Verhandlungstag mit der Presse – und greift den Prozess selbst und den Richter an.
Youtube/Jimmy Kimmel Live

Doch der 77-Jährige habe recht, wenn er sage, so was sei nie dagewesen: Der Vorgang sei tatsächlich einmalig. «Weil es ein Strafprozess ist, muss Trump jedes Mal im Gericht sein», klärt Kimmel auf: «Vier Tage die Woche von 9.30 bis 16.30 Uhr. Sechs Wochen muss er die ganze Zeit stillsitzen. Das alleine wird ihn in den Wahnsinn treiben.»

Es sei, als würde man einen Achtjährigen zu sechs Wochen Kirche verdammen, lacht der 56-Jährige. «Natürlich unternimmt er alles, um sich zu drücken: Sein Sohn Baron schliess am 17. Mai die Highschool ab. Er hat den Richter gebeten, ihn zu entschuldigen, damit er dorthin gehen kann. Und auch, wenn der Richter noch nicht darüber entschieden hat, heult Trump herum, als hätte er es.»

Im Gericht wird Trump zu «Dösi, dem Clown»

Das trifft es. «Wie sie wissen», sagt Trump im Clip ab Minute 2:18, «hat mein Sohn die Highschool abgeschlossen und es sieht so aus, als würde mich der Richter nicht zur Abschlussfeier meines Sohnes gehen lassen, der sehr, sehr hart gearbeitet hat, und er ist ein grossartiger Schüler, und er ist sehr stolz auf die Tatsache, dass er sich so gut geschlagen hat, und freut sich seit Jahren auf die Abschlussfeier mit seiner Mutter und seinem Vater. Es sieht so aus, als würde mich der Richter nicht vor diesen Betrugsprozess fliehen lassen. Es ist ein Betrugsprozess.»

«Es ist ein Strafprozess, er scheint das nicht zu verstehen», sagt Kimmel und wird giftig: «Dieser Betrüger-Richter lässt mich nicht mal zur Abschlussfeier meines Sohnes gehen, der vier Monate alt war, als ich seine Mutter mit dem Pornosternchen betrogen habe, dem ich Schweigegeld gezahlt haben soll.»

Trump beim Wahlkampf: In den kommenden sechs Wochen hat er für solche Auftritte weniger Zeit.
Trump beim Wahlkampf: In den kommenden sechs Wochen hat er für solche Auftritte weniger Zeit.
Youtube/Jimmy Kimmel Live

Im Gerichtssaal selbst war Trump augenscheinlich nicht mehr so angespannt: Wie die Gerichtsreporterin der «New York Times» festhält, scheint Trump zwischendurch ein Nickerchen gemacht zu haben. «Wenn Biden Sleepy Joe ist, macht dich das zu Dösi, dem Clown», lästert Kimmel.

Gescheiterte Geschworenensuche

«Stellt euch vor, Joe Biden wäre im Gericht am ersten Tag seines Prozesses eingeschlafen», doppelt der Moderator nach: «Trump wird ihn ‹Joe komatös›, Fox News würde bis Weihnachten darüber reden.» Doch wenn es bei Trump geschehe, sei das natürlich anders.

Late Night USA – Amerika verstehen
blue News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Der Prozess begann mit der Selektion der Geschworenen aus einem Pool von 500 Kandidat*innen. «Sie haben die ersten 96 reingebracht, und die Hälfte von ihnen hat sofort gesagt, sie könnten nicht fair und unvoreingenommen sein, weshalb sie entlassen wurden», weiss Kimmel. Am Ende seien gar keine Geschworene und kein Geschworener ausgewählt worden.

Damm berichtet die Late-Night-Show noch von Trumps denkwürdigen Auftritt in Schnecksville, Pennsylvania, am 13. April. «Vor nur vier Jahren waren wir das meist respektierte Land der Welt», tönt Trump im Clip ab Minute 4:47. «Wir waren am meisten respektiert, wie wir je respektiert waren.»

«So schön»: Die blutige Schlacht von Gettysburg

Kimmel hat für diesen erratischen Superlativ nur ein müdes Lächeln übrig. Denn: «Am Wochenende, bevor sein nie dagewesener Strafprozess beginnt, schafft er es irgendwie, das Ganze zu überschatten – mit seiner [gestörten] Interpretation der Geschehnisse von Gettysburg im Bürgerkrieg. Schnallt euch an: Das ist einer für die Ewigkeit.»

Trumps Gettysburg-Rede ich Schnecksville, Pennsylvania: Rechts neben dem Trumps Kopf sucht ein Anhänger mit einem unsichtbaren Fernglas nach dem Sinn.
Trumps Gettysburg-Rede ich Schnecksville, Pennsylvania: Rechts neben dem Trumps Kopf sucht ein Anhänger mit einem unsichtbaren Fernglas nach dem Sinn.
Youtube/Jimmy Kimmel Live

«Gettysburg, was für eine unglaubliche Schlacht das war», sagt Trump im Clip ab Minute 5:20. Nur kurz: Rund 50'000 Amerikaner sind zwischen dem 1. und 3. Juli 1863 gestorben. «Die Schlacht von Gettysburg – was für eine unglaubliche ... Ich meine, es war so viel und so interessant und so böse und schrecklich und so schön auf viele verschiedene Arten. Gettysburg, wow.»

Dann fragt der New Yorker sein Publikum doch tatsächlich, ob ihm aufgefallen sein, dass der Südstaaten-General Robert E. Lee gar kein so gutes Standing mehr hat. Bei Lee fällt ihm ein: «Niemals bergauf kämpfen, meine Jungs. Niemals bergauf kämpfen. Sie haben bergauf gekämpft. Er sagte: ‹Wow, das war ein grosser Fehler.› Er hat seinen grossen General verloren, und sie haben gekämpft. Kämpft niemals bergauf, meine Jungs, aber es war zu spät.»

«Das war locker der lustigste Krampfanfall, den ich je gesehen habe», kommentiert Kimmel.