Reaktionen auf Massaker von Butscha «Diese Verbrechen müssen wir schonungslos aufklären»

SDA/tafu/gbi

4.4.2022

Russland wird für mögliche Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen – Scholz

Russland wird für mögliche Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen – Scholz

Der Bundeskanzler hat sich für eine unabhängige Untersuchung der getöteten Zivilisten in der Region Kiew ausgesprochen.

04.04.2022

Weltweit sorgen die Berichte aus Butscha für Entsetzen, Politiker*innen verurteilen das mutmasslich durch die russische Armee verübte Kriegsverbrechen. 

SDA/tafu/gbi

4.4.2022

Die Bilder aus dem Kiewer Vorort Butscha mit Leichen auf den Strassen sorgen seit Sonntag international für Empörung. Weltweit verurteilten Politiker*innen das mutmassliche Kriegsverbrechen der russischen Armee. Der Kreml weist dagegen sämtliche Anschuldigungen von sich und bezweifelt die Echtheit der Bilder. Die Reaktionen im Überblick.

Deutschland

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat dem russischen Militär Verbrechen in der Ukraine vorgeworfen und schonungslose Aufklärung gefordert. «Ich verlange, dass internationale Organisationen wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz Zugang erhalten zu diesen Gebieten, um die Gräueltaten unabhängig zu dokumentieren», erklärte der SPD-Politiker am Sonntag in Berlin, die er auch auf Twitter teilte.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz äusserte sich am Sonntag zu den Gräueltaten in Butscha.
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz äusserte sich am Sonntag zu den Gräueltaten in Butscha.
BILD: Keystone/EPA/Adam Berry

«Diese Verbrechen des russischen Militärs müssen wir schonungslos aufklären.» Täter und Auftraggeber müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Das Wort Kriegsverbrechen benutzte er in der Stellungnahme nicht.

«Furchtbare und grauenerregende Aufnahmen haben uns an diesem Wochenende aus der Ukraine erreicht», sagte der Kanzler. «Strassen übersät mit Leichen. Notdürftig verscharrte Körper. Es ist von Frauen, Kindern und Alten die Rede, die unter den Opfern sind.»

Scholz forderte Russland zum wiederholten Mal auf, «endlich in einen Waffenstillstand einzuwilligen und die Kampfhandlungen einzustellen».

Frankreich

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fordert, Russland vor der internationalen Justiz wegen Kriegsverbrechen zur Verantwortung zu ziehen.

«Es ist klar, dass es heute ganz klare Hinweise auf Kriegsverbrechen gibt. Es war die russische Armee, die in Butscha war», sagte Macron am Montag dem Radiosender France Inter. Frankreich habe den ukrainischen Behörden Hilfe bei den Ermittlungen angeboten.

«Die internationale Justiz muss sich darum kümmern», verlangte Macron. «Und diejenigen, die diese Verbrechen begangen haben, werden sich dafür verantworten müssen.» 

Grossbritannien

«Russlands verabscheuungswürdige Angriffe auf unschuldige Zivilisten in Irpin und Butscha sind weitere Beweise dafür, dass (der russische Präsident Wladimir) Putin und seine Armee in der Ukraine Kriegsverbrechen begehen», sagte Boris Johnson einer Mitteilung vom Sonntag zufolge.

Der britische Premier versprach, «alles in meiner Macht zu tun, um Putins Kriegsmaschinerie auszuhungern». London werde sowohl die Sanktionen gegen Moskau verschärfen als auch die Waffenlieferungen und die humanitäre Hilfe für die Ukraine erhöhen, fügte Johnson hinzu.

Der Premier bekräftigte die britische Unterstützung für eine Untersuchung von Gräueltaten in der Ukraine durch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. London werde die finanzielle Unterstützung dafür aufstocken und spezialisierte Ermittler entsenden, sagte Johnson. Er fügte hinzu: «Wir werden nicht ruhen, bis der Gerechtigkeit Genüge getan ist.»

EU

«Eine unabhängige Untersuchung ist dringend erforderlich», schrieb EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Sonntag auf Twitter. Zugleich versicherte sie, dass die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen würden.

Am Montagnachmittag teilte von der Leyen mit, dass sie mit Präsident Selenskyj über die «scheusslichen Morde an Zivilisten» gesprochen habe. Die EU sei bereit, in Abstimmung mit dem ukrainischen Generalstaatsanwalt gemeinsame Ermittlungsteams zur Dokumentation von Kriegsverbrechen zu entsenden.

Russland

«Wir weisen alle Anschuldigungen kategorisch zurück», sagte der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Zugleich warnte er internationale Politiker*innen vor voreiligen Schuldzuweisungen. Es müssten alle Seiten angehört und der Fall auf höchster Ebene im UNO-Sicherheitsrat besprochen werden. Peskow kritisierte, dass eine entsprechende Initiative blockiert worden sei.

Zugleich stellte Peskow die Echtheit der zahlreichen Aufnahmen der toten Zivilist*innen infrage. Die Bilder stammen teils von internationalen Pressefotografen, die vor Ort waren. Gleichwohl meinte Peskow: «Nach dem, was wir gesehen haben, ist dem Videomaterial in vielerlei Hinsicht nicht zu trauen, weil unsere Spezialisten aus dem Verteidigungsministerium dort Hinweise auf Videofälschungen und andere Fakes festgestellt haben.» Das Verteidigungsministerium in Moskau hatte bereits am Sonntag auf dem Chat-Dienst Telegram angedeutet, dass die Aufnahmen gefälscht sein könnten. 

Ukraine

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reiste am Montag in die zerstörte Stadt Butscha. «Die Welt wird das als Genozid anerkennen», sagte Selenskyj vor Ort zu Journalisten. Die Frage eines Reporters, ob es nun immer noch möglich sei, mit Russland über Frieden zu verhandeln, bejahte er: «Die Ukraine muss Frieden bekommen.»

Zugleich betonte Selenskyj, ein baldiger Verhandlungserfolg sei auch in Russlands Interesse: «Je länger die Russische Föderation den Gesprächsprozess verzögert, desto schlimmer wird es für sie.»

Erstmals hatte sich der Präsident am Sonntagabend in einer Videobotschaft zu den Bildern aus Butscha geäussert. Er befürchte, dass sich noch «schrecklichere Dinge auftun könnten» als das, was bisher über die Verbrechen in der Stadt bekannt geworden sei.

Andere Regionen des Landes stünden noch unter russischer Kontrolle. Dort könnten «noch mehr Tote und Misshandlungen» bekannt werden. «Denn das ist die Natur des russischen Militärs, das in unser Land gekommen ist. Sie sind Unwesen, die nicht wissen, wie sie es anders machen sollen», sagte Selenskyj. Er wolle, dass jede Mutter eines russischen Soldaten die Leichen der getöteten Menschen in Butscha und anderen Städten sehe.

«Was haben sie getan? Warum wurden sie getötet? Was hat ein Mann getan, der mit dem Fahrrad die Strasse entlangfuhr?», fragte Selenskyj. «Warum wurden gewöhnliche Zivilisten in einer gewöhnlichen, friedlichen Stadt zu Tode gefoltert? Warum wurden Frauen erdrosselt, nachdem sie ihnen die Ohrringe aus den Ohren gerissen hatten? Wie konnten sie Frauen vergewaltigen und sie vor den Augen der Kinder töten? Ihre Körper auch nach ihrem Tod verspotten? Warum haben sie die Körper von Menschen mit Panzern überfahren? Was hat die ukrainische Stadt Butscha Ihrem Russland getan?»

Michelle Bachelet, UNO-Menschenrechtschefin

UNO-Menschenrechtschefin Michelle Bachelet hat unabhängige Untersuchungen zu möglichen Kriegsverbrechen an Zivilisten in Butscha gefordert. «Es sollte alles getan werden, um Beweise zu sichern», sagte Bachelet am Montag in Genf. Alle Leichen sollten exhumiert, identifiziert und untersucht werden.

Berichte aus Butscha und anderen Regionen der Ukraine würden «schwerwiegende und beunruhigende Fragen über mögliche Kriegsverbrechen» und andere Rechtsverletzungen aufwerfen, sagte die UNO-Hochkommissarin.

«Für Wahrheit, Gerechtigkeit und Rechenschaft muss alles unternommen werden, um die Vorgänge in Butscha unabhängig und erfolgreich zu untersuchen», sagte Bachelet. Sie forderte Entschädigungen und Wiedergutmachung für die Opfer und ihre Familien.

Die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, spricht in Genf.
Die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, spricht in Genf.
Bild: Keystone

António Guterres, UNO-Generalsekretär

UNO-Generalsekretär António Guterres hat sich «zutiefst schockiert» geäussert. «Es ist essenziell, dass eine unabhängige Untersuchung zu effektiver Rechenschaft führt», sagte er am Sonntag in New York laut Mitteilung. 

Schweiz: Untersuchung wird unterstützt

«Die Schweiz befürchtet, dass schwere Verstösse gegen die Menschenrechte begangen worden seien – und ruft «alle Seiten» dazu auf, das humanitäre Völkerrecht zu respektieren und die Zivilbevölkerung zu schützen. Das geht aus einer Twitter-Mitteilung des Aussendepartements vom Sonntagabend hervor.

Die Schweiz unterstütze unabhängige internationale Untersuchungen zu mutmasslichen Verletzungen des Völkerrechts. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) nannte in seiner Mitteilung auf Twitter ausdrücklich Untersuchungen des Internationalen Strafgerichtshofes, aber auch solche anderer Institutionen. 

USA

«Man kann nicht anders, als diese Bilder als einen Schlag in die Magengrube zu sehen», sagte US-Aussenminister Antony Blinken am Sonntag dem Sender CNN. Der Minister verwies darauf, dass die US-Regierung bereits im vergangenen Monat zu dem Schluss gekommen sei, dass russische Truppen in der Ukraine Kriegsverbrechen begingen. «Das ist die Realität, die sich jeden Tag abspielt, solange Russlands Brutalität gegen die Ukraine anhält. Deshalb muss es ein Ende haben.»

Australien

Der australische Premierminister Scott Morrison hat sich entsetzt über die Kriegsgräuel in der ukrainischen Stadt Butscha gezeigt. «Angriffe auf unschuldige Zivilisten und zivile Infrastruktur sind Kriegsverbrechen», twitterte der Regierungschef am Montag. «Russland muss und wird für die Aktionen seiner Streitkräfte zur Rechenschaft gezogen werden.»

Der australische Premierminister Scott Morrison fordert Sanktionen gegen Russland.
Der australische Premierminister Scott Morrison fordert Sanktionen gegen Russland.
Bild: EPA

Der australische Aussenministerin Marise Payne bezeichnete die Berichte über «summarische Hinrichtungen, Vergewaltigungen, Plünderungen und andere Verbrechen» durch russische Truppen in Butscha und der gesamten Ukraine als «verabscheuungswürdig».