Erdbeben-Szenario für die Schweiz Schweizer Spitäler wären mit 25 Schwerverletzen am Limit

SDA/gbi

12.2.2023

Mehr als 25'000 Tote nach Erdbebenkatastrophe

Mehr als 25'000 Tote nach Erdbebenkatastrophe

Die Zahl der Toten nach den Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist auf mehr als 25'000 gestiegen. Die Such- und Rettungsarbeiten gingen auch am Samstag weiter. Vereinzelt gab es noch Berichte, dass Menschen lebend aus Trümmern gerettet wurden.

12.02.2023

Die verheerende Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien treibt auch die Sonntagspresse um: Überlebende sollen einfacher zu Verwandten in die Schweiz reisen können. Und: Eine Gruppe von Ärzten schlägt Alarm. 

SDA/gbi

12.2.2023

Die Schweiz kommt den Überlebenden des Erdbebens in der Türkei und Syrien entgegen. Wer sein Haus oder seine Wohnung verloren hat und vorübergehend in der Schweiz bei Verwandten unterkommen will, wird prioritär behandelt.

Um ein beschleunigtes Visum-Verfahren zu durchlaufen, müssen Betroffene ein Formular ausfüllen. Gemäss Staatssekretariat für Migration (SEM) haben das bisher 603 Personen gemacht, wie die «SonntagsZeitung» schreibt. Alle Anträge werden einzeln von den Schweizer Behörden geprüft.

Seit Dienstag haben die 87 Fachkräfte der Schweizer Rettungskette und von Redog laut dem Aussendepartement 39 Personen geborgen – unter den Geretteten waren auch zwei Neugeborene.

Notruf-Knopf auf dem Handy in der Schweiz kein Thema

In der Schweiz ist ein digitaler Notruf-Knopf auf dem Handy, wie er etwa in der Türkei existiert, kein Thema, wie Recherchen der «NZZ am Sonntag» zeigen. Und dies, obwohl der Bund derzeit sein Erdbebenmanagement überarbeitet.

Mehr als 28'000 Todesopfer

Eine knappe Woche nach den Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist die Zahl der Toten auf mehr als 28'000 gestiegen. Der türkische Vize-Präsident Fuat Oktay sagte laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu in der Nacht zu Sonntag, in der Türkei seien mindestens 24'617 Menschen ums Leben gekommen. Aus Syrien wurden zuletzt 3574 Tote gemeldet. Knapp 80'300 Verletzte wurden bisher gezählt.

Das erstaunt, da Expert*innen davon ausgehen, dass bei einem schweren Beben die Notrufzentrale rasch überlastet wäre. Zwar sind Erschütterungen der Magnitude 7,8 wie in der Türkei bei uns kaum realistisch, wohl aber von Stärke 6,5. Allein in Zürich könnten bei einem Beben dieser Stärke 753 Menschen sterben und rund 76'500 Bewohner obdachlos werden, wie neue Szenarien der Stadt zeigen.

Das Telefonsystem käme schnell an seine Grenzen, sagt Markus Meile, Stabschef der städtischen Krisenorganisation dazu: «Auf die Bewältigung dieser schieren Menge gleichzeitiger Anrufe sind unsere Alarmsysteme weder personell noch technisch ausgerichtet.»

Schweiz hätte schon bei 25 Schwerverletzten ein Problem

Nach den Erdbeben in der Türkei und Syrien schlägt eine Gruppe von Ärzten in der Schweiz Alarm: «Bei Ereignissen mit mehr als 25 Schwerverletzten haben wir ein Problem», sagte Mathias Zürcher, leitender Arzt für Rettungs- und Katastrophenmedizin am Universitätsspital Basel, der «SonntagsZeitung». Um die Verletzten zu behandeln, gebe es zwar Kapazitäten, aber nicht in allen Bereichen ausreichende.

Ein Unfallopfer wird ins Berner Inselspital eingeliefert (Archivbild)
Ein Unfallopfer wird ins Berner Inselspital eingeliefert (Archivbild)
Bild: Keystone

Zudem seien sie über das ganze Land verteilt. Und niemand habe eine Übersicht. Der Bund hat zwar einen Koordinierten Sanitätsdienst (KSD). Nach einem Entscheid des Bundesrats wurde dieser kürzlich jedoch umstrukturiert. Die Ärzte-Gruppe ist der Ansicht, dass der KSD schon seit einiger Zeit schlecht aufgestellt ist und zu wenig effektiv koordiniert.

Der KSD sei derzeit «nicht mehr handlungsfähig», sagte Joseph Osterwalder, emeritierter Professor für Notfallmedizin, weil es unter anderem an Fachwissen, Konzepten und Personal mangle.

Rettungsteams erhalten psychologische Unterstützung

Das Korps für humanitäre Hilfe hat am Freitag zwei Psychologen in die Türkei fliegen lassen. Sie sollen die Angehörigen der Schweizer Rettungskette im syrisch-türkischen Erdbebengebiet bei der psychischen Bewältigung ihres Einsatzes unterstützen, wie Pierre-Alain Eltschinger, Mediensprecher des Eidgenössischen Aussendepartements EDA, dem «SonntagsBlick» sagte.

Die Massnahme wird nur bei schweren Einsätzen ergriffen. Die Schweizer Rettungskette, ein Team von mittlerweile knapp 100 Leuten, befindet sich im Stand-by-Modus. Wenn die Einsatzkoordinationsstelle in der Katastrophenregion sie aufbietet, rücken die Retterinnen und Retter mit ihren Hunden aus. Körperliche Müdigkeit macht sich breit.

Dazu kommt die mentale Erschöpfung. Wenn ein Mensch während eines Bergungsversuchs stirbt, erschüttert das auch erfahrene Rettungsprofis.

Suchhunde im Training: «Ist das verschüttete Opfer gefunden, bellt und scharrt sie»

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Hunde und Rettungskräfte von der Schweizer Organisation Redog suchen in der Türkei weiter nach Überlebenden. Wie ein Hund nach Verschütteten sucht und was es dazu braucht, hat blue News auf dem Übungsgelände von Redog erfahren.

09.02.2023