NFL War dies der Abgang eines Hall-of-Famers? Drew Brees vor dem möglichen Karriereende

Von Pascal Wengi

18.1.2021

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Drew Brees kann mit seiner letzten Vorstellung nicht zufrieden sein.
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Drew Brees kann mit seiner letzten Vorstellung nicht zufrieden sein.
Bild: Keystone

Vor dem Playoff-Duell der Quarterback-Giganten zwischen Drews Brees’ New Orleans Saints und Tom Bradys Tampa Bay Buccaneers rechnen Experten damit, dass dies die letzte Saison für Brees gewesen sei. Seine Performance im nachfolgenden Spiel war aber für den Abgang eines Hall-of-Famers unwürdig.

Brees’ Status in New Orleans ist trotz seiner Performance unantastbar. Als er damals 2006 einen neuen Verein suchte, führte ihn Saints-Coach Sean Payton durch New Orleans. Aus Versehen durch eine erst vor Kurzem von Hurrican Katrina zerstörte Nachbarschaft, welche Payton eigentlich meiden wollte, um beim Quarterback keinen schlechten Eindruck der Stadt zu hinterlassen.

Beim Anblick der in Ruinen liegenden Metropole beschloss Brees bei den Saints zu unterschreiben, obwohl sie – sportlich gesehen – die auf dem Papier schlechteste Wahl waren. Aber er wollte mehr als nur ein Quarterback sein, er wollte den Menschen in der gebeutelten Stadt Hoffnung schenken.

Seine herausragende Performance auf dem Rasen und seine vorbildliche Einstellung waren für die Einwohner eine willkommene Abwechslung zum albtraumhaften Alltag in einer Stadt, welche noch Jahre lang unter den Folgen der Naturkatastrophe zu leiden hatte. Doch auch neben dem Platz engagierte er sich zusammen mit seiner Ehefrau Brittany für die Opfer der Katastrophe und war eine Bereicherung für die Gemeinschaft. Spätestens aber mit dem Super Bowl Sieg der New Orleans Saints im Jahr 2010 schrieb er dann das Comeback-Märchen neu. Genau jenes Märchen, das die Region so dringend benötigte.

Einer der besten Quarterbacks aller Zeiten

Nicht nur aufgrund dieser Geschichte und seiner Bedeutung für eine ganze Region und vielleicht sogar für eine ganze Nation, gehört Drew Brees zu den besten Quarterbacks aller Zeiten. In den Quarterback-Statistiken muss er sich, wenn überhaupt, nur gegen den «the Greatest of All Time» (GOAT), Tom Brady, geschlagen geben. Doch mit nur 18 Monaten weniger auf dem Kilometerstand als GOAT-Opa Tom Brady gehört er halt eben auch zu den ältesten der Quarterback-Riege.

Schon länger wurde über sein Karriereende spekuliert, doch verkündete er Anfang 2020, dass er sicher noch eine Saison anhängen werde. Nun da sich die Saison dem Superbowl und somit auch deren Ende nähert, tickte auch die Uhr für Drew Brees unnachgiebig. Bisher fehlte eine offizielle Ankündigung, wie es mit dem Superstar weitergehen wird. Beim TV-Sender «NBC» hat Brees aber bereits einen Vertrag als TV-Experte über zwei Jahre unterschrieben.

Seine zukünftigen Berufskollegen bei «FOX» gingen dann vor dem Playoff-Spiel fest davon aus, dass er seine Karriere nach dieser Season beenden wird und verkündeten dies schon fast als in Stein gemeisselte Botschaft. Dies ausgerechnet vor dem Duell gegen seinen grössten Konkurrenten Tom Brady. Die beiden verbindet zwar nach eigener Aussage eine spezielle Freundschaft und tiefer Respekt, doch trotzdem war die Partie zwischen Brees und Brady so etwas wie das mögliche letzte Kräftemessen der alten Football-Titanen. Wie King Kong gegen Godzilla.

Auf dem Feld erbitterte Rivalen – nach dem Spiel nur zwei Familienväter und NFL-Legenden, die sich gut verstehen: Drew Brees (l.) und Tom Brady.
Auf dem Feld erbitterte Rivalen – nach dem Spiel nur zwei Familienväter und NFL-Legenden, die sich gut verstehen: Drew Brees (l.) und Tom Brady.
Bild: Keystone

Ausgerechnet beim Giganten-Duell geschwächelt

Vor dem Spiel war es dann aber nur wenigen wirklich bewusst, dass dieses Duell der Giganten die vorläufige Abschiedsvorstellung für Brees sein könnte. Mit einer seiner schwächsten Leistung vermochte es der Saints-Quarterback dann nicht, dem Team von Brady entgegenzuhalten. Sinnbildlich für seine Performance ist der Umstand, dass der längste Pass der Saints gestern Abend nicht von Brees, sondern durch dessen Ersatz-Quarterback Jameis Winston in einem Trickspielzug geworfen wurde. Brees, der sonst für seinen starken und präzisen Wurfarm bekannt ist, hat keinen einzigen Pass über 20 Yards an den Mann gebracht – noch nicht mal versucht. Es fehlte ihm spürbar an Geschwindigkeit und Kraft.

Am Ende unterliefen ihm dann noch drei Interceptions, von welchen die Buccaneers zwei direkt in Punkte umzumünzen vermochten und die Niederlage der Saints besiegelten. Mit 19 erfolgreichen Pässen von 34 Versuchen, 134 Yards, einem Touchdown und drei Interceptions erhielt er ein Passer-Rating von 38,1 (Max 158,3) – ein hundsmiserabler Wert – und das im womöglich letzten Profispiel.

Drew Brees bedankt sich sichtlich gerührt nach seinem vorerst letzten Spiel bei seiner Familie und den Fans.
Drew Brees bedankt sich sichtlich gerührt nach seinem vorerst letzten Spiel bei seiner Familie und den Fans.
Bild: AP

Um es für Sport-Fans – welche die NFL nicht regelmässig verfolgen – zu erklären, hier ein Fussball-Vergleich: Das wäre in etwa so, wie wenn vor dem Champions-League-Final zwischen Barcelona und Juventus Turin Messis Rücktritt verkündet wird und Barça dann wegen drei katastrophalen Fehlpässen von Messi verliert.

Doch noch ist nicht aller Tage Abend, denn so richtig will noch niemand daran glauben, dass Brees endgültig seine Schuhe an den Nagel hängen wird – vor allem nicht nach einer Leistung, welche in keinster Weise dem Potenzial dieses Ausnahmeathleten entspricht. Doch feierte er kürzlich seinen 42. Geburtstag und brach sich in dieser Saison gerade erst elf (!) Rippen. Als Football-Fan kann man nur hoffen, dass Brees diese Niederlage als Ansporn nimmt, es doch noch ein weiteres Jahr zu versuchen und New Orleans noch einmal an das Märchen des grossen Comebacks glauben lässt.

Drew Brees: «Dieses Spiel hat mir so viel gegeben»

Drew Brees: «Dieses Spiel hat mir so viel gegeben»

18.01.2021

Zurück zur StartseiteZurück zum Sport