«Durchbruch» bei der Kernfusion Ist damit das Energie-Problem für immer gelöst?

Von Philipp Dahm

13.12.2022

Forscher melden historischen Fortschritt bei Energie-Gewinnung

Forscher melden historischen Fortschritt bei Energie-Gewinnung

Wissenschaftlern in den USA gelang es zum ersten Mal bei einer Kernfusion mehr Energie zu gewinnen als zu verbrauchen. Die Technologie gilt als sauber und sicher.

13.12.2022

US-Forscher vermelden einen «Durchbruch» bei der Kernfusion. Kern was? Und was ist so bedeutsam an dem, was in Kalifornien passiert ist? Ist das Energieprobleme damit gelöst? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Philipp Dahm

13.12.2022

US-Wissenschaftler berichten von einem «Durchbruch» bei der Kernfusion: Erstmals ist eine Kernfusion gelungen, die nicht mehr Energie verbraucht hat, als zuvor reingesteckt wurde. Was heisst das? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.

Was ist Kernfusion?

Bei der Kernspaltung, wie sie in Atomkraftwerken betrieben wird, gewinnt man Energie, indem Atome gespalten werden. Das Problem ist, dass dabei radioaktiver Abfall entsteht. Bei der Kernfusion hingegen werden Atome zusammengeführt. Auch dabei wird viel Energie frei, doch der Vorgang ist im Vergleich sehr viel sicherer, und es entsteht auch kein Atommüll.

Was wird für die Kernfusion benötigt?

Die Basis bilden in der Regel zwei Isotope des Wasserstoffs: Deuterium alias schwerer Wasserstoff und Tritium alias superschwerer Wasserstoff. «Man braucht bloss ein wenig Wasserstoff, und das ist der Stoff, von dem man im Universum am meisten findet», erklärt Julio Friedmann von der Lawrence Livermore National Laboratory dem US-Sender CNN.

Stolz wie Oscar: US-Energieministerin Jennifer Granholm verkündet am 13. Dezember in Washington einen «Durchbruch» bei der Kernfusion.
Stolz wie Oscar: US-Energieministerin Jennifer Granholm verkündet am 13. Dezember in Washington einen «Durchbruch» bei der Kernfusion.
EPA

«Wasserstoff findet sich im Wasser. Also ist der Stoff, der diese Energie generiert, grossteils grenzenlos, und er ist sauber.» Gibt man etwas Tritium zum Deuterium hinzu, das in einem Glas Wasser steckt, kann man ein Haus ein Jahr mit Energie versorgen, heisst es da.

Welche Arten von Kernfusion gibt es?

Es gibt zwei verschiedene Arten: die laserbasierte und die magnetbasierte. Bei letztgenannter Methode wird Plasma erhitzt, während ein Magnetfeld es zusammenhält. Bei der erstgenannten Methode werden speziell geformte Ziele mit mehreren Lasern beschossen, um dortige Wasserstoff-Teilchen so stark zu beschleunigen, dass sie miteinander zu Helium verschmelzen, also fusionieren.

Ist die Kernfusion neu?

Mitnichten. Seit den 50ern experimentieren Wissenschaftler mit der Technik. Das Problem: Es ist bis dato noch nie gelungen, mehr Energie zu gewinnen, als man in den Prozess hineinsteckt. 

Der französische International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER) in Saint-Paul-Lez-Durance ist seit 2013 in Bau. Die Schweiz ist über EURATOM daran beteiligt.
Der französische International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER) in Saint-Paul-Lez-Durance ist seit 2013 in Bau. Die Schweiz ist über EURATOM daran beteiligt.
Archivbild: AP

Ist das Energieproblem gelöst worden?

Wenn man US-Energieministerin Jennifer Granholm Glauben schenken will, ja: Demnach ist es den Forschern des Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien tatsächlich gelungen, beim Verschmelzen von Atomkernen mehr Energie herauszuholen als hereinzustecken. «Einfach ausgedrückt ist dies eine der beeindruckendsten wissenschaftlichen Leistungen des 21. Jahrhunderts», sagt Granholm. Die gewonnene Wärme muss nur noch in Strom verwandelt werden.

Löst der Durchbruch unser Energieproblem?

Der Schritt ist ein Meilenstein, doch bevor die Kernfusion unsere Häuser heizt, wird noch viel Wasser den Rhein hinunterfliessen. Die Menge an Energie, die produziert worden ist, ist noch sehr gering. «Es ist so viel, wie es braucht, um zehn Wasserkocher kochen zu lassen», verdeutlicht Jeremy Chittenden vom Londoner Imperial College bei CNN. «Um das in ein Netz einzuspeisen, brauchen wir einen grösseren Energiegewinn, der ausserdem substanzieller ist.»

Wie geht es weiter?

Um Ergebnisse wie das jüngste zu erzielen, muss sehr viel Geld und noch mehr Energie in die Hand genommen werden. An eine industrielle Nutzung ist daher noch nicht zu denken. Der Prozess muss erst einfacher und deutlich günstiger werden. «Das wird in den nächsten 20 bis 30 Jahren nicht bedeutend zu einer Reduktion klimaschädlicher Gase führen», sagt Friedmann.