Inka Grings exklusiv «Wenn ich nicht spiele, habe ich kein Anrecht auf Nationalmannschaft»

Von Patrick Lämmle

23.8.2023

Die Schweizer Nationaltrainerin Inka Grings hat eine klare Linie.
Die Schweizer Nationaltrainerin Inka Grings hat eine klare Linie.
Keystone

Nach der WM ist vor der Nations League. Und dort treffen die Schweizerinnen auf Weltmeister Spanien, Halbfinalist Schweden und WM-Teilnehmer Italien. Die Vorfreude bei Nati-Trainerin Inka Grings ist gross.

Von Patrick Lämmle

23.8.2023

Nach dem WM-Final zwischen Spanien und England am vergangenen Sonntag nimmt sich die Schweizer Nationaltrainerin Zeit für einen Videocall mit blue News. Inka Grings analysiert das Endspiel und erzählt, dass sie ein paar Tage in Deutschland gewesen sei, um dort den Kopf durchzulüften. «Letzte Woche war ich aber schon wieder hier, habe gearbeitet und es pendelt sich jetzt alles wieder normal ein. Es geht jetzt auch schon bald wieder los.»

Einerseits beginnt am Samstag die heimische AXA Women's Super League, wo Grings Spielerinnen beobachten wird, andererseits stehen auch schon bald wieder Länderspiele auf dem Programm. Am 22. September spielt die Schweiz in der bei den Frauen neu ins Leben gerufenen Nations League gegen WM-Teilnehmer Italien (Aus in der Gruppenphase) und vier Tage später auswärts bei Weltmeister Spanien.

Wann starten die wichtigsten Frauen-Ligen?

  • 🇨🇭 Women's Super League: 26. August
  • 🇪🇸 Primera División: 8. September
  • 🇩🇪 Bundesliga: 15. September
  • 🇫🇷 Division 1 Féminine: 16. September
  • 🇮🇹 Serie A femminile: 16. September
  • 🏴󠁧󠁢󠁥󠁮󠁧󠁿 Premier League: 1. Oktober

Inka Grings, war die Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland das bis dato qualitativ beste Frauenfussballturnier überhaupt?

Das würde ich jetzt nicht sagen. Ich fand auch die Weltmeisterschaft 2019 in Frankreich super ausgeglichen, auch eine extrem starke Dynamik. Es war dieses Jahr auf der einen Seite sicherlich eine WM der Überraschungen, auf der anderen Seite gab es auch extrem viele Weckrufe für grosse Nationen, die sehr früh ausgeschieden sind. Ich kann aber sagen, dass es eine tolle Weltmeisterschaft war, ein tolles Fussballfest.

Welche Entwicklungen haben Sie beobachtet und haben Sie daraus Lehren gezogen?

Ja, definitiv. Du wärst verrückt, wenn du dir so ein Turnier nicht anschaust. Natürlich auch, wenn man doch die Möglichkeiten hat, über Statistiken ein paar Informationen reinzuholen. Ich denke, das Physische ist schon mal ein ganz, ganz wichtiger Teil einer erfolgreichen Mannschaft. Das ist das, was wir in der Schweiz immer noch ein bisschen bemängeln: Dass man nicht bereit ist, über seine Grenzen hinauszugehen. Bedingt aber auch, dass ich konstant, gut und viele Spiele in meinem Klub bestreite.

Inka Grings nennt England, Spanien und Schweden, «wo die Spielerinnen alle konstant auf sehr hohem Level Fussball spielen und auch viele Spielzeiten haben». Aber auch die Dynamik bei Sambia (3:3 im WM-Vorbereitungsspiel gegen die Schweiz) hat bei ihr einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Warum ist die physische Komponente so wichtig?

Ich sage das explizit, weil wir das Problem haben, dass wir zu viele Spielerinnen haben, die nicht regelmässig über 90 Minuten spielen. Das bremst dich dann natürlich in deiner Entwicklung. Weil die körperlichen und physischen Voraussetzungen, die werden immer höher. Das Spiel wird immer schneller. Viele Mannschaften haben sehr viele Läufe auf extrem hohem Niveau absolviert. Das kriegst du nicht in einer sechswöchigen Vorbereitung hin, sondern das erarbeitest du dir das ganze Jahr über. Diese Erkenntnis fand ich sehr interessant.

Fabienne Humm (links) und Alisha Lehmann feilen im Vorfeld der WM an ihrer Fitness.
Fabienne Humm (links) und Alisha Lehmann feilen im Vorfeld der WM an ihrer Fitness.
Keystone

Sind Sie mit den Klubs in der Schweiz in Kontakt und sagen: «Hey, wir müssen im Klub an der Fitness noch mehr arbeiten»?

Ich möchte unseren Spielerinnen und deren Klubs, besonders jenen in der Schweiz, aber nicht nur denen, Informationen und Empfehlungen mitgeben, was eine Spielerin in einer Woche für ein Programm absolvieren sollte, um auf internationalem Niveau mitzuhalten. Ob sie es dann durchführen, steht leider nicht mehr in meinem Ermessen und kann ich auch nicht kontrollieren. Aber wir werden da schon vernünftig aufklären. Denn wir haben ein grosses Ziel vor Augen. Und da muss ich einfach mehr tun, als ich bisher getan habe. Und zu wissen, auf welchem Stand man gerade ist und wo man hinkommen will, finde ich persönlich interessant. Das werden wir uns sicherlich mit den Trainern anschauen.

Sie werden ja dann wahrscheinlich schnell merken, wer das empfohlene Programm absolviert hat und wer nicht …

Ja, das definitiv. Qualität wird sich immer herauskristallisieren. Spielerinnen sollten einfach nur einsichtiger werden. Aber auch bereit sein, mehr zu tun. Aber intelligent mehr zu tun und nicht mit einem falschen Ehrgeiz falsche Trainings absolvieren. Das ist sicherlich ein Punkt, der ein ganz grosses Thema bei uns ist.

Wie wichtig es Inka Grings ist, dass ihre Spielerinnen im Verein viel Einsatzzeit haben und topfit sind, musste Riola Xhemaili erfahren. Die 20-Jährige ist eines der grössten Talente im Schweizer Fussball und wechselt auf die neue Saison hin von Freiburg zu Wolfsburg, einer der besten Adressen im Frauen-Fussball. Die Wölfe wurden in der vergangenen Saison Vizemeister und standen im Champions-League-Final. «Mit ihrer Spielfreude und Dribbelstärke bringt sie Fähigkeiten mit, die jede Abwehr vor Probleme stellen kann», begründete Frauenfussball-Direktor Ralf Kellermann den Transfer. Ihre fünf bisherigen Länderspieltore hatte die 22-fache Nati-Spielerin allesamt in der Qualifikation auf dem Weg zur WM erzielt. Dass Riola Xhemaili nicht für die Endrunde aufgeboten wurde, kam deshalb von aussen betrachtet überraschend. Warum es nicht gereicht hat, erklärt Inka Grings im Gespräch mit blue News ausführlich (siehe Video unten).

Inka Grings: «Wenn ich nicht spiele, habe ich kein Anrecht auf Nationalmannschaft»

Inka Grings: «Wenn ich nicht spiele, habe ich kein Anrecht auf Nationalmannschaft»

Dass Riola Xhemaili, die auf die neue Saison hin zu Champions-League-Finalist Wolfsburg wechselt, nicht für die WM aufgeboten wurde, kam von aussen betrachtet überraschend. Warum es nicht gereicht hat, erklärt Inka Grings im Gespräch ausführlich.

22.08.2023

Xhemaili nicht für die WM aufzubieten, wurde mancherorts kritisch beäugt. Allzu grosse Wellen schlug der Entscheid aber nicht, was auch daran liegt, dass Grings eine starke Kommunikatorin ist und ihren Entscheid unmissverständlich begründete. Ihre direkte Art scheint auch teamintern gut anzukommen. Aber war die Stimmung wirklich immer so harmonisch, wie es aus der Ferne den Anschein machte? Tatsächlich sei die Stimmung sehr gut gewesen, sagt Inka Grings und meint: «Eine klare Linie hilft, dass wenig Missstimmungen erfolgen.» Die ausführlichere Antwort gibt's im folgenden Video:

Inka Grings: «Eine klare Linie hilft, dass wenig Missstimmungen erfolgen»

Inka Grings: «Eine klare Linie hilft, dass wenig Missstimmungen erfolgen»

22.08.2023

Bald geht es weiter mit der Nations League. Die Schweiz trifft zum Auftakt am 22. September im Kybunpark auf Italien, vier Tage später auswärts auf die Weltmeisterinnen aus Spanien. Mit Schweden ist auch noch der WM-Dritte mit der Nati in einer Gruppe. Freuen Sie sich auf die maximale Herausforderung oder bereitet diese Gruppe Bauchschmerzen?

Ich glaube, die Spiele kommen für uns zur rechten Zeit. Wir haben nicht den Druck. Grundsätzlich wollen wir natürlich trotzdem jedes Spiel gewinnen, sonst brauche ich gar nicht erst anzutreten. Aber wir werden viele Spielerinnen testen, wir werden junge Spielerinnen testen und Veränderungen vornehmen. Ich hoffe auch auf eine Initialzündung, denn es ist letztendlich auch unser Vorlauf zur Heim-EM 2025. Und dass wir vielleicht auch ein paar Zuschauer generieren können, weil mehr Qualität und mehr Attraktivität im Fussball können wir gerade nicht bieten. Mit den Schwedinnen, die Dritter geworden sind, Weltmeister Spanien und mit Italien, immer noch eine Top-Nation. Es sind attraktive Namen und da hoffen wir einfach auch auf eine coole Kulisse, aber noch viel mehr auf wirklich sehr intensive Spiele, wo wir unsere Erfahrung daraus ziehen wollen, uns aber auch nicht verstecken möchten.

Eine grosse Veränderung wird es gezwungenermassen geben, denn mit Gaëlle Thalmann ist die Nati-Stammtorhüterin der letzten 15 Jahre zurückgetreten. Wer in ihre Fussstapfen tritt, ist noch nicht in Stein gemeisselt. Mit Livia Peng, Seraina Friedli und Elvira Herzog brennen drei Torhüterinnen darauf, in Thalmanns Fussstapfen zu treten. Grings sagt: «Also ich glaube, dass wir wirklich sehr gute Torhüterinnen haben, die aber auch ihre Leistungen abliefern müssen und vor allem spielen müssen. Und das werden wir uns dann sicherlich in Ruhe anschauen.»

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