Corona-Experte mit Bundesrat einig «Von China geht keine relevante Bedrohung für uns aus»

Von Gil Bieler

11.1.2023

China hat die Grenzen wieder geöffnet. Im Bild: ein aus China eingereister Passagier am Flughafen Frankfurt in Deutschland. 
China hat die Grenzen wieder geöffnet. Im Bild: ein aus China eingereister Passagier am Flughafen Frankfurt in Deutschland. 
Bild: Keystone

Die Schweiz geht erneut einen Sonderweg: Sie verzichtet – im Gegensatz zu den Nachbarländern – auf eine Corona-Testpflicht für Einreisende aus China. Der Infektiologe Andreas Cerny ordnet die Sachlage ein.

Von Gil Bieler

11.1.2023

Herr Cerny, der Bundesrat führt vorerst keine Testpflicht für China-Reisende ein. Er begründet, ein solcher Schritt hätte kaum einen Einfluss auf das epidemiologische Geschehen in der Schweiz. Stimmen Sie zu?

Zur Person
blue News

Andreas Cerny arbeitet als Infektiologe am Spital Moncucco in Lugano.

Den Entscheid und die Begründung finde ich nachvollziehbar. Es ist ja nicht zu erwarten, dass riesige Mengen von Menschen direkt aus China in die Schweiz reisen. Ausserdem zirkuliert das Virus in der Schweiz nach wie vor, mittlerweile auf endemische Weise, und die Schweizer Bevölkerung ist zu 100 Prozent immunisiert – sei es durch eine Impfung oder eine durchgemachte Infektion. Von China geht daher keine relevante Bedrohung für uns aus.

Viele andere Länder setzen jedoch genau auf eine Testpflicht. Bringt das wirklich einen epidemiologischen Nutzen oder ist das nur eine Beruhigungspille für das Volk?

Es gibt Befürchtungen, dass neue Varianten eingeschleppt werden könnten. Jedoch deutet – aufgrund der wenigen Daten, die wir aus China haben – nichts auf eine neue Mutation hin. Der immense Ausbruch, den wir gerade in China sehen, ist vielmehr auf die nicht vorhandene Immunität der chinesischen Bevölkerung zurückzuführen. Viele Menschen kamen wegen der Null-Covid-Strategie noch nie mit dem Virus in Berührung, ausserdem ist die Durchimpfungsrate gerade bei der älteren Bevölkerung lückenhaft.

Die Bilder und Meldungen der Infektionswelle in China wecken böse Erinnerungen an den Beginn der Pandemie. Wie beunruhigt sind Sie als Fachmann?

Mich beunruhigt, wie es der chinesischen Bevölkerung ergeht. Für uns erkenne ich aber keine Bedrohung.

Wie sehen Sie das Risiko, dass bei einer solch grossen Menge von Infizierten gefährliche neue Virusvarianten entstehen?

Mit XBB.1.5 gibt es eine neue Variante, die sich in den USA verbreitet und auch in anderen Ländern auf dem Vormarsch ist. Das ist wiederum eine Variante, die den bisher gebildeten Antikörpern ausweichen kann. Aber in Ländern mit hoher Durchimpfungsrate scheint auch diese Variante keine grossen Probleme zu bereiten, was schwere Krankheitsverläufe oder eine Überlastung des Gesundheitssystems angeht.

Dann haben wir in der Schweiz das Gröbste in der Corona-Pandemie hinter uns?

Das kann man, glaube ich, so sagen, ja.

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