Spiele-Kritik Eine digitale Verjüngungskur für das Gehirn

Von Domagoj Belancic

7.1.2020

Gerade im Alter ist es wichtig, dass auch das Gehirn in Form bleibt. Hier hilft Dr. Kawashima.
Gerade im Alter ist es wichtig, dass auch das Gehirn in Form bleibt. Hier hilft Dr. Kawashima.
Bild: Nintendo

Wer nicht nur körperlich, sondern auch mental topfit ins neue Jahr starten will, findet mit «Dr. Kawashima» den perfekten Trainingspartner für die tägliche Dosis Gehirnakrobatik.

Rund fünfzehn Jahre nach der Veröffentlichung des original «Gehirn-Joggings» auf dem Nintendo DS, meldet sich der japanische Neurowissenschaftler Dr. Kawashima mit einem brandneuen Titel auf der Nintendo Switch zurück.

Die Neuauflage knüpft genau dort an, wo die Vorgänger aufgehört haben - wer hier also ein «Game» im klassischen Sinn erwartet, wird enttäuscht.

Wie alt ist mein Gehirn?

Das unkonventionelle «Gehirn-Jogging» ist nämlich so konzipiert, dass der Spieler jeden Tag nur ein paar intensive Minuten mit dem Game verbringt und damit die Leistungsfähigkeit seines Gehirns Stück für Stück über einen längeren Zeitraum trainiert.

Im Zentrum des Trainings steht der tägliche Test des «geistigen Alters»: In drei zufällig ausgewählten Prüfungen werden verschiedene kognitive Fähigkeiten des Spielers auf die Probe gestellt.

Die Ergebnisse werden dann mithilfe von Daten aus echten neurowissenschaftlichen Studien abgeglichen und zu einem geistigen Alter zusammengerechnet. Ziel ist es, im Verlauf des Spiels das optimale Alter von 20 Jahren zu erreichen und zu halten.

Das hört sich einfacher an, als es ist: In meinem ersten Test bin ich spektakulär gescheitert und habe ein Alter von 73 Jahren erreicht. Immerhin tröstet und motiviert mich Dr. Kawashima bei der Auswertung der Ergebnisse: «Nicht aufgeben. Es kann nur besser werden.»

Im Anschluss an die nervenaufreibenden Prüfungen präsentiert Dr. Kawashima auf sympathische Art und Weise die Ergebnisse.
Im Anschluss an die nervenaufreibenden Prüfungen präsentiert Dr. Kawashima auf sympathische Art und Weise die Ergebnisse.
Bild: Nintendo

Tägliches Gehirn-Training mit simplen Minispielen

Um beim Alterstest besser abzuschneiden, können täglich eine Reihe kurzer Gehirn-Übungen in Form von simplen Minispielen absolviert werden. Diese trainieren den präfrontalen Kortex des Gehirns, der laut dem japanischen Doktor für eine Vielzahl von Gehirnfunktionen verantwortlich ist, die ab dem 20. Lebensjahr stetig abnehmen.

Zunächst sind nur drei Spiele verfügbar, wer aber täglich dranbleibt und trainiert, schaltet den Rest nach und nach frei.

Fans der alten Nintendo DS Spiele werden leider überrascht sein, wie viele Minispiele aus den Vorgängern wiederverwendet werden. Ein bisschen mehr Abwechslung und mehr Neuerungen wären für die Neuauflage wünschenswert gewesen.

Die Minispiele trainieren jeweils verschiedene Funktionen des Gehirns und sollten für optimale Ergebnisse jeden Tag absolviert werden.
Die Minispiele trainieren jeweils verschiedene Funktionen des Gehirns und sollten für optimale Ergebnisse jeden Tag absolviert werden.
Bild: Nintendo

Die Steuerung der Minispiele ist dabei ziemlich unkonventionell: Die Nintendo Switch Konsole wird für die meisten Spiele vertikal gehalten und mit dem mitgelieferten Plastikstift bedient.

Die Handhabung mit dem hochwertig verarbeitete Stift funktioniert meist tadellos und verleiht dem Game einen edlen und wissenschaftlichen Touch. Einzig die Handschrifterkennung funktioniert nicht immer ganz verlässlich, was zu einigen ärgerlichen Situationen und verlorenen High-Scores führen kann.

Apropos unkonventionelle Steuerung: Einige Minispiele machen sogar Gebrauch von der kleinen Infrarot-Bewegungskamera, die im rechten Joy-Con Controller der Switch versteckt ist.

Die Kamera erkennt die Hand des Spielers und kann beispielsweise bei der rasanten «Finger-Rechnen-Übung» erkennen, wie viele Finger der Spieler in die Kamera zeigt. Das funktioniert erstaunlich gut und fühlt sich frisch und irgendwie faszinierend an.

Garantierte Langzeitmotivation für Gehirnakrobaten

Zugegeben: Die Minispiele hören sich in der Theorie teilweise etwas langweilig an - in der Praxis machen die intensiven Gehirn-Übungen aber extrem viel Spass und motivieren immer wieder zu neuen High-Scores.

Und das liegt nicht zuletzt an der sympathischen und motivierenden Präsentation des Games: Dr. Kawashimas schwebender Kopf führt den Spieler charmant durch alle Trainingseinheiten, macht Witze und zitiert nebenbei immer wieder wissenschaftliche Studien, die die Wirksamkeit der Minispiele unterstreichen.

Zudem lässt sich die Entwicklung aller Ergebnisse mit detaillierten Liniendiagrammen und (Online-)Bestenlisten über mehrere Wochen und Monate mitverfolgen.

Dadurch fühlen sich selbst die simpelsten Minispiele irgendwie wichtig und wissenschaftlich fundiert an und geben dem Spieler das gute Gefühl, täglich ein Stückchen schneller, besser und jünger zu werden.

Wem die täglichen Trainingseinheiten trotzdem nicht genug sind, kann sein Gehirn zusätzlich mit unzähligen Sudoku-Rätseln und der «Bazillenjagd» beschäftigen. Letztere ist eine gelungene Adaption des Puzzle-Klassikers «Dr. Mario», der mit einem süchtig machenden Spielprinzip à la «Tetris» überzeugt.

Für kompetitiv veranlagte Spieler gibt es zudem einen lokalen Multiplayer-Modus. Mit gerade mal drei Minispielen fällt dieser aber sehr mager aus und gerät schnell in Vergessenheit.

Immerhin: Nintendo will den kompetitiven Teil des Games in Zukunft mit regelmässig stattfindenden «Gehirn Jogging»-Weltmeisterschaften weiter ausbauen. Wie dieser Online-Modus genau funktioniert, wird aber erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.

Die kommenden Spiele-Highlights für 2020

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