Machtmissbrauch von Google? Kontroverse um neues Internet-Protokoll entbrannt

dj

30.9.2019

Ein von allen Internet-Browsern genutztes Protokoll bekommt ein Update. Das gefällt nicht allen.
Ein von allen Internet-Browsern genutztes Protokoll bekommt ein Update. Das gefällt nicht allen.
iStock

Nutzt Google ein neues Internet-Protokoll, das die Sicherheit verbessern soll, zu seinem eigenen Vorteil aus?

Damit aus einer Web-Adresse im Klartext wie bluewin.ch eine für Computer-Netzwerke verständliche IP-Adresse wie 213.3.75.34 wird, braucht es das Domain Name System, kurz DNS, das diese Umwandlung vornimmt.

Doch DNS ist hoffnungslos veraltet und Anfragen an DNS-Server — die üblicherweise beim eigenen Internet-Anbieter untergebracht sind — werden unverschlüsselt übertragen. Das macht sie abhörbar und anfällig für Manipulationen — einen sogenannten Man-In-The-Middle-Angriff. Daher wurde als neues Standard-Protokoll DNS over HTTPS (DoH) entwickelt, das diese Anfälligkeiten beheben soll.

Vor allem vorangetrieben wird die Adoption von DoH von Google und Mozilla, Hersteller der führenden Browser Chrome und Firefox. Doch wie das «Wall Street Journal» berichtet, sehen einige amerikanischen Internet-Anbieter wie AT&T und Comcast den Wechsel zu DoH kritisch. Sie behaupten, durch DoH würden sie weitere Wettbewerbsnachteile gegenüber Google erleiden.

Nutzer lassen sich nicht mehr verfolgen

Das Argument der Internet-Anbieter ist folgendes: Wird DoH zum Standard, können die Internet-Anbieter nicht mehr so einfach verfolgen, welche Websites ihre Kunden besuchen. Google wiederum, das eigene DoH-Server betreibt und mit Chrome den dominierenden Browser für Desktop und Smartphones entwickelt, habe diese Einsicht und deshalb einen Wettbewerbsvorteil, wenn es ums Sammeln von Daten und deren Verwertung geht.

Das öffentlich zu argumentieren, ist natürlich nicht ganz einfach für die Internet-Anbieter. Denn kaum ein Nutzer wird es als etwas Schlechtes ansehen, dass der eigene Internet-Anbieter ihn nicht mehr auf Schritt und Tritt verfolgen kann. Diese haben sich allerdings schon beim US-Kongress beschwert, der erste Untersuchungen begonnen hat.

Google wiederum sagt, dass es Chrome-Nutzer keinesfalls dazu zwingen werde, nur Google-eigene DoH-Server zu nutzen. Es will DoH im nächsten Monat zunächst mit rund einem Prozent seiner Nutzer testen. Mozilla hat DoH bereits im Testeinsatz und ultimativ das Ziel, alle seine Privatkunden auf das neue Protokoll umzustellen.

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Staatliche Zensur wird schwieriger

DoH bringt noch eine zweite Komplikation mit sich, nämlich die Unmöglichkeit staatlicher Blockaden einzelner Internet-Seiten. Diese werden heutzutage meistens auf DNS-Ebene realisiert. Gibt ein Nutzer die URL einer gesperrten Website an, wird er stattdessen auf eine Informationsseite geleitet. In der Schweiz werden etwa im Rahmen des Geldspielgesetzes so ausländische Lotterie-Websites gesperrt — erst Anfang September hatte die Lotterie- und Wettkommission die Sperrung von knapp 60 solcher Seiten veranlasst.

Zwar war eine solche Blockade auch schon vor DoH für erfahrene Nutzer ziemlich leicht umgehbar, doch falls DoH zum Standard für alle Browser wird, würden gesetzliche Regularien völlig ausgehebelt. Mozilla wurde deswegen von britischen Internet-Anbietern schon zum «Internet-Schurken» nominiert, eine Entscheidung, die im Netz auf fast universelle Ablehnung stiess.

Dennoch hat Mozilla zumindest in Bezug auf Grossbritannien Entgegenkommen signalisiert. In einem Brief an Digitalministerin Nicky Morgan versprach man, DoH für britische Nutzer nicht standardmässig zu aktivieren. In den USA will Mozilla allerdings weiterhin DoH zum Standard für alle Nutzer machen — für andere Länder hat es seine Pläne noch nicht bekannt gegeben.

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