Elon Musk kauft Twitter Will er wirklich nur «helfen»?

Von Philipp Dahm

28.10.2022

Musk feuert Chefriege bei Twitter und will selbst Chef sein

Musk feuert Chefriege bei Twitter und will selbst Chef sein

Der Abschluss des Twitter-Kaufs ist noch nicht einmal offiziell verkündet – doch Elon Musk soll laut Medienberichten schon die Top-Manager des Online-Dienstes gefeuert haben. Nach Informationen des Finanzdienstes Bloomberg will Musk zunächst selbst den Chefposten übernehmen.

28.10.2022

Der reichste Mann der Welt kauft Twitter, um «der Menschheit zu helfen». Elon Musk verkauft sich als Garant der freien Rede, will aber auch die Kunden nicht vergraulen. Und dann ist da noch die Sache mit dem Lavabo.

Von Philipp Dahm

28.10.2022

Es ist eine Szene, die im Gedächtnis bleibt – auch wenn der Clip bloss 9 Sekunden dauert. Zwei Männer halten eine Glastür im Twitter-Hauptquartier in San Francisco, Kalifornien, auf. Elon Musk, in dunkler Jeans und grauem T-Shirt, schreitet hindurch. In den Armen hält er ein Lavabo.

«Ich muss mal gucken, wo ich es hinstelle», sagt er. Der Filmende lacht verlegen. Im dazugehörigen Tweet schreibt er «Entering Twitter HQ – let that sink in!» Also: «Ich betrete das Twitter-HQ – macht euch das bewusst.» Der Gag: Der Ausdruck sink bedeutet im Englischen eben auch Lavabo.

«Versteht ihr's? Er wollte einen Wortwitz veranschaulichen», lästert Stephen Colbert in seiner «Late Show»-Show. «Lasst es mich auch mal versuchen: Du hast eine Schraube locker», sagt er und wedelt mit einer solchen in die Kamera. Er sehe bereits den Tweet an Musks erstem schlechten Tag im neuen Job:

«Unsere Aktien können wir spülen»: «The Late Show with Stephen Colbert» imaginiert Musks ersten Tweet, wenn es beim Kurznachrichtendienst nicht läuft.
«Unsere Aktien können wir spülen»: «The Late Show with Stephen Colbert» imaginiert Musks ersten Tweet, wenn es beim Kurznachrichtendienst nicht läuft.
Screenshot: YouTube/The Late Show with Stephen Colbert

Elon Musk hat es also getan: Am heutigen 28. Oktober um 23 Uhr MESZ soll der 44-Milliarden-Deal abgeschlossen sein. Er habe «viele coole Leute» angetroffen, zwitschert der 51-Jährige noch bei seinem merkwürdigen Besuch – und verspricht der Belegschaft laut «Bloomberg», er habe nicht vor, wie kolportiert 75 Prozent von ihnen zu entlassen.

Firmenchef Parag Agrawal und Finanzchef Ned Segal hat Musk dann aber doch prompt gefeuert. Auch Twitter-Anwältin Vijaya Gadde und Sean Edgett, der Twitter seit 2012 berät, stehen angeblich vor dem Abflug. Es waren also nicht alle cool im Hauptquartier, wo jetzt ganz offenbar ein anderer Wind weht.

«Für die Menschheit»

Exzentrisch ist auch, dass Musk seinen eigenen Twitter-Status in «Chief Twit» geändert hat. Unglücklich ist das auch: Es tönt ein bisschen wie «Chief Twat» – also «Ober-Arschloch». Und während sich der Multi-Milliardär in den letzten Wochen stets als Hüter des Rechts auf freie Meinungsäusserung präsentiert hat, rudert Musk nun zurück. Natürlich via Twitter.

Den Werbekunden verspricht der neunfache Vater nun nämlich, Twitter werde kein kein «Ort des Grauens» werden, wo ohne Konsequenzen alles gesagt werden könne. Er habe den Kauf gemacht, «um der Menschheit zu helfen», die er liebe. Zuletzt zwitschert der neue Firmenboss dann noch: «the bird is freed» also «Der Vogel ist befreit.»

Wer so einen Vogel hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. «Es ist interessant zu sehen», sagt Trevor Noah in seiner «Daily Show», «wie Elon vom Wildwest-Cowboy der freien Rede [dazu wechselt], an die Werbekunden zu appellieren und zu sagen: ‹Twitter wird für eure Werbe-Dollar ein sicherer Hafen sein.› Freie Rede ist schön und gut, aber wisst Ihr, was auch gut ist? Geld, yeah!»

«Absolutist der freien Rede»

Wird Twitter bald mehr Hass oder Lügen verbreiten? Wie Elon Musk den Balanceakt zwischen freier Meinungsäusserung und der Moderation seiner neuen Plattform gestalten will, bleibt abzuwarten. Einerseits bezeichnet sich der gebürtige Südafrikaner als «Absolutist der freien Rede», doch andererseits muss der Mann einen Kredit von 13 Milliarden Dollar für den Kauf aufnehmen, die wieder eingespielt werden müssen.

«Absolutist der freien Rede»? Elon Musk auf der MET-Gala am 2. Mai 2022 in New York.
«Absolutist der freien Rede»? Elon Musk auf der MET-Gala am 2. Mai 2022 in New York.

Was also macht Musk mit der Frage, die im Raum steht: Darf Donald Trump sein Comeback bei Twitter feiern? Im Mai zumindest hat der reichste Mann der Welt angekündigt, er werde die Sperrung des Ex-Präsidenten aufheben, falls er Twitter kaufen werde. Es sei nicht richtig, dass Trump verbannt worden und seine Stimme nur noch in rechten Kreisen zu hören sei.

Klar dürfte aber auch sein, dass seine friedliebenden Werbekunden wenig Begeisterung daran haben dürften, falls der 76-jährige New Yorker Twitter wieder nutzen darf: Ein Aufschrei der liberalen Nutzer wäre wohl gewiss. Es ist schwer abzuschätzen, wie der sonderbare Herr Musk nun weiterfahren will. Man darf aber durchaus spekulieren, dass sein neuer Kurs eher schräg als gerade sein wird.