Queen-Kennerin Joanna Lumley «Ihre gütigen Augen dringen in die Seele ein»

Von Marlène von Arx, Los Angeles

20.3.2022

Die Schauspielerin Joanna Lumley ist ein Fan der Queen. So sehr, dass sie zum 70. Thronjubiläum von Elizabeth II. das Buch «A Queen For All Seasons» mit überraschenden Geschichten über die Monarchin veröffentlicht hat.

Von Marlène von Arx, Los Angeles

20.3.2022

Wie kamen Sie auf die Idee, ein Buch über die Queen zu schreiben?

Es war eigentlich die Idee der Verleger, die viele kleine Geschichten über die Queen gesammelt hatten. Und da ich ein grosser Fan von ihr bin, hielt ich das zu ihrem Thronjubiläum für eine tolle Idee. Mein Job war es dann, Ordnung in all die Geschichten aus Tagebüchern, Briefen und Beobachtungen aus politischen Berichten zu bringen.

Was war Ihnen dabei wichtig?

Dass das Buch Freude macht. Es sollte ein Bouquet von verschiedenen Begegnungen mit der Königin aus der ganzen Welt sein; ein Glas Champagner auf das Leben der Queen im Dienste ihres Volkes. Ich bin weder eine Biografin noch eine Historikerin, aber ich habe schon mehrere Bücher geschrieben, darunter auch eine Kollektion von Liebesgeschichten vom Ersten Weltkrieg bis zum Golfkrieg. Das gab mir das Selbstvertrauen, diese Aufgabe anzupacken.

Glauben Sie, dass die Königin das Buch gelesen hat oder lesen wird?

Sie liest keine Bücher über sich, aber sollte sie es doch in die Hände bekommen, möchte ich, dass es ihr gefällt. Ich habe bei ihrer Privatsekretärin nachgefragt, ob ich ihr das Buch widmen darf, aber das will sie nicht. Dann habe ich gefragt, ob ich ihr das Buch schicken könnte, und da hiess es, man werde dafür sorgen, dass es ihr vorgelegt werde. Ich habe das Buch anderen Mitgliedern der Königsfamilie geschickt und habe positive Rückmeldungen bekommen. Das macht mich sehr happy.

Was hat Sie beim Zusammentragen der Geschichten am meisten überrascht?

«A Queen For All Seasons»
zVg

Das Buch von Autorin Joanna Lumley ist beim Orell-Füssli-Verlag erhältlich.

Es gab viele Kommentare über den sechsten Sinn der Königin. Sie hat eine Affinität für Tiere und versteht, was in Menschen vorgeht. Mich berührte die Geschichte eines Arztes, der die schlimmsten Dinge im Krieg gesehen hatte. Als ihn die Queen bei einem Lunch im Buckingham Palace fragte, wo er zuletzt im Einsatz gewesen sei, kamen ihm die Tränen. Sie verstand die Situation sofort, griff zu den Biscuits und sagte zu ihm: «Sollen wir die Hunde füttern?» Sie sprachen eine Weile über ihre Corgis, bis der Arzt sich beruhigt hatte.

Sie haben die Queen sicher selbst schon getroffen, oder?

Ja, zuerst bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung in einer Gruppe. Dann, als ich den Order of the British Empire von ihr verliehen bekam, bei einem Lunch im Buckingham Palace und bei einer Schiffstaufe. Da platzte sie heraus: «Was machen Sie denn hier?!» Sie trifft ja sehr viele Menschen, aber sie weiss, wer man ist, und erkennt einen auch wieder.

Ihre gütigen blauen Augen dringen in die Seele ein. Sie kommt einem so vertraut vor – man sieht sie ja praktisch täglich auf den Banknoten und Briefmarken. Aber wenn man dann vor ihr steht, schwafelt man garantiert immer irgendwelches dummes Zeug – vielleicht, weil man gleichzeitig die königliche Etiquette im Kopf behalten muss, um nichts falsch zu machen.

Was halten Sie von der Hit-Serie «The Crown» über die Royals?

Ich habe die Episoden über das frühe Leben der Königin geschaut, da ich nichts darüber wusste. Bei Charles und Camilla und Prinzessin Anne fiel mir dann aber auf, dass die in Wirklichkeit gar nicht so reden oder handeln, denn ich kenne sie persönlich. Ich schaue die Serie aus Loyalität daher nicht mehr. Es ist furchtbar, dass sich jemand etwas vorstellt, das der Rest der Welt dann als bare Münze nimmt.

Sie sind die Tochter eines britischen Armee-Majors und haben Ihre ersten Lebensjahre fern von Grossbritannien verbracht. Glauben Sie, dass diese Distanz Ihre Bewunderung für die Königin geprägt hat?

Vielleicht. Ich war ein kleines Mädchen in Malaysia, als sie den Thron bestieg. England kannte ich nur von Schwarz-Weiss-Filmen aus der Schule. Es war ein fernes Traumland. Die vergoldete Kutsche und eine junge Königin zu sehen, war schon sehr aufregend.

Stimmt es, dass Sie sich für Patsy in «Absolutely Fabulous» von Prinzessin Margaret inspirieren liessen?

Nein, das stimmt nicht. Jennifer Saunders schrieb die Rolle und ihre Verkörperung kam aus meinem Kopf. Mit Prinzessin Margaret hatte Patsy, die gleichzeitig brillant und unbrauchbar war und ihre Organe missbrauchte, nichts zu tun.

Die britischen Royals sind trotz Skandalen weltweit populär. Wie erklären Sie sich das?

Das hat viel mit der Königin selber zu tun. Natürlich kann man sich darüber streiten, ob wir eine Monarchie oder eine Republik sein wollen, aber solange das Volk das nicht ändert, sind wir eine Monarchie. Die meisten von uns hätten den Bettel wohl längst hingeschmissen, aber die Königin hat über all die Jahre jeden Tag ihren Dienst getan. Sogar jetzt mit 95 Jahren. Das darf man bewundern – was selbst jene tun, die nicht Monarchisten sind.

Woher kommt die unermüdliche Energie von Elizabeth II. in Ihren Augen?

Ich denke, sie schöpft Kraft aus ihrem christlichen Glauben. Sie geht jeden Sonntag zur Kirche, betet und glaubt an die christlichen Lehren der Demut, des Durchhaltens und der harten Arbeit. Zudem glaubt sie an ihr Versprechen, das sie vor 70 Jahren in der Kathedrale mit Hand auf dem Herz vor der ganzen Welt abgegeben hat. Sie nimmt ihre Aufgabe sehr ernst, und wie sie selbst sagt, hätte sie die ohne Prinz Philip an ihrer Seite nicht erfüllen können.

Und woher nehmen Sie mit 75 Jahren Ihren Elan?

Den habe ich vermutlich, weil ich Vegetarierin bin. Aus Tierliebe esse ich seit 40 Jahren kein Fleisch und keinen Fisch mehr. Mein Mann ist Dirigent und den nächsten Monat beruflich unterwegs. Da will ich nun testen, ob ich es auch vegan aushalten würde. Zudem wende ich die Nickerchen-Methode von Churchill an, um mich zu regenerieren. Auf Filmsets mache ich statt Mittagspause ein Mittagsschläfchen.

Was steht als Nächstes für Sie an?

Ein bisschen Film- und Theaterarbeit, aber Ende Jahr gibt es wieder eine Reiseshow. In England werde ich heute mehr auf meine Reisedestinationen angesprochen als auf «Absolutely Fabulous». Geplant ist eine Reise entlang der Gewürzroute von den Banda-Inseln in Indonesien über Singapur, Sri Lanka zum Roten Meer nach Jordanien und dann weiter bis nach Marrakesch. Aber mal sehen. Wir mussten schon zweimal verschieben.