20 Jahre nach dem Skandal Dok-Filmer Daniel von Aarburg: «Meilis Tränen haben mich berührt»

von Lukas Rüttimann

12.8.2018

Der Bündner Regisseur Daniel von Aarburg («Hugo Koblet») über seinen Film «Die Affäre Meili», den Dreh mit dem berühmten Ex-Wachmann und das beharrliche Schweigen der Banken.

«Bluewin»: Herr von Aarburg, warum braucht es 20 Jahre nach der Affäre um die nachrichtenlosen Vermögen von jüdischen Holocaust-Opfern in der Schweiz einen Film über Christoph Meili?

Daniel von Aarburg: Nun, 20 Jahre sind ein Jubiläum, dieser Gedanke hat sicher mitgespielt. Doch die Anfänge meines Films reichen weit zurück: Das Projekt wurde bereits vor zehn Jahren zusammen mit Xavier Koller in Angriff genommen. Dann kam 2008 die Finanzkrise, und die Banken hatten ganz andere Probleme. Vor fünf Jahren kam ich ins Boot. Ich habe mich mit Christoph Meili getroffen, aber ich hatte den Eindruck, dass er noch nicht bereit für einen Film war. Das hat sich bei unserem Treffen letztes Jahr geändert.

Inwiefern?

Er hatte eine analytische Distanz zu seiner Geschichte, die er vorher nicht hatte. Ich glaube, er fühlt sich mittlerweile in der Schweiz wieder richtig wohl. Er hat eine neue Frau gefunden und ist mit sich und seiner Geschichte mehr im Reinen als früher. Das war er vor fünf Jahren noch nicht. Damals hat er viel gehadert und wartete mit schrägen Verschwörungstheorien auf.

Filmemacher Daniel von Aarburg brachte die wichtigsten Protagonisten von damals vor die Kamera.
Filmemacher Daniel von Aarburg brachte die wichtigsten Protagonisten von damals vor die Kamera.
Docmine

Meili wirkt im Film stellenweise überraschend abgeklärt.

Das war auch mein Eindruck. Und weil sich auch Thomas Borer bereit erklärt hatte, aus dem diplomatischen Nähkästchen zu plaudern, schien der Zeitpunkt richtig. Nicht zuletzt, weil wir an so viele Protagonisten aus den USA herangekommen sind, die tatsächlich fast alle noch leben. Al D’Amato [damaliger Senator und Aggressor gegen die Schweiz, Anm. d. Red.] beispielsweise hat vorher noch nie ein so ausführliches Schweizer Interview gegeben wie bei uns.

Wie hat sich die Zusammenarbeit mit Christoph Meili während des Drehs entwickelt?

Er war zu Beginn sehr vorsichtig. Er hat viele schlechte Erfahrungen gemacht, vor allem mit den Medien. Das hat ihn geprägt. Aber er hat irgendwann begriffen, dass ich ihn nicht fertigmachen wollte, sondern wirklich an seiner Geschichte interessiert war. Er ist aber nach wie vor ein sehr zurückhaltender Mensch. Zu «Aeschbacher» beispielsweise wollte er im Zusammenhang mit meinem Film nicht. Er befürchtete, dass das zu persönlich werden könnte. Früher war er naiv und hat alles gemacht. Das ist heute definitiv nicht mehr so.

Im Film fühlt man mit Meili mit. Man verspürt Mitleid. Absicht?

Nein, das war keine Absicht. Ich wollte nur seine Geschichte ehrlich erzählen – und ihm die Chance geben, mit 20 Jahren Abstand noch einmal auf seine Entscheidungen von damals zurückzublicken und sie zu analysieren.

In einer Szene beginnt er zu weinen. Wie war das für Sie?

Mir war aufgefallen, dass Meili sehr emotional reagiert, wenn er über die Holocaust-Überlebenden gesprochen hat. Da wurde mir klar, dass er damals wegen diesen Menschen so gehandelt hat. Ihnen wollte er etwas Gutes tun, und das bewegt ihn heute noch. Seine Tränen waren für mich deshalb nicht überraschend, als ich ihn im Interview darauf ansprach. Berührt haben sie mich aber dennoch. Ich hätte auch bei anderen Themen, etwa bei seiner Scheidung, solche emotionalen Momente erwartet. Da war er aber erstaunlich analytisch.

Andere brisante Kapitel aus der Vita Meili haben Sie nicht thematisiert. Warum?

Wir wollten primär die Geschichte der nachrichtenlosen Vermögen erzählen. Meili hat mir durchaus sehr viel Persönliches erzählt, aber ich habe vieles weggelassen. Der Film ist kein Biopic über Christoph Meili.

Trotzdem heisst er: «Die Affäre Meili».

Das stimmt. Das ganze Projekt hiess zu Beginn «Offene Rechnungen». Aber wir haben gemerkt, dass die Leute die ganze Thematik rund um die nachrichtenlosen Vermögen immer noch primär mit Christoph Meili in Verbindung bringen. Auch das Fernsehen, das den Film am 23. August auf SRF 1 ausstrahlt, war mit dem Titel nicht glücklich. Ich streite nicht ab, dass bei der Titelwahl «Die Affäre Meili» auch marketingtechnische Gründe eine Rolle gespielt haben.

War es einfach, an die Protagonisten von damals heranzukommen? Gab es Personen, die sich weigerten?

Ich muss sagen, dass Thomas Borer eine grosse Hilfe war und uns viele Türen in den USA geöffnet hat. An Ed Fagan [Anwalt, der die jüdische Sammelklage orchestrierte, Anm. d. Red.] sind wir nicht rangekommen, der ist abgetaucht. Auch der damalige Bezirksrichter wollte zuerst nicht, weil er die Schweizer Journalisten als feindselig empfunden hatte. Wer nach wie vor beharrlich mauert, sind die Banken. Bei Marcel Ospel [damaliger UBS-VR-Präsident, Anm. d. Red.] hätte es fast geklappt, die meisten anderen haben nicht einmal reagiert. Die Causa Meili ist in diesen Kreisen offenbar immer noch ein rotes Tuch.

Held oder Verräter: Was ist Christoph Meili für Sie?

Ein Verräter sicher nicht. Wenn ein Held, dann ein trauriger. Sein Versuch, die Dokumente zu retten, war richtig. Es gab damals ein Aktenvernichtungsgesetz, das in Kraft war. Er hat sicher aus hehren Gründen gehandelt. Aber er war auch sehr naiv und hat viele Fehler gemacht.

«Die Affäre Meili – Ein Whistleblower zwischen Moral und Milliarden» läuft ab Donnerstag, 16. August, als 75-minütiger Director's Cut im Kino. Am Donnerstag, 23. August, strahlt SRF eine TV-Kurzversion aus.

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