#allesdichtmachen «Das passiert, wenn man Schauspielern das Drehbuch wegnimmt»

tafi/dpa

23.4.2021

Mit ironischen Videos wollten deutsche Prominente die Corona-Politik kommentieren. Beifall kommt sofort – vor allem von rechts. Es folgen in den nächsten Stunden gestotterte Erklärungsversuche und viele Rückzüge.

Wenn das so weitergeht, ist die Aktion schneller am Ende als die Super League: Unter dem Motto #allesdichtmachen hatten Dutzende Film- und Fernsehschauspieler mit ironisch-satirischen Clips die Corona-Politik der Bundesregierung kommentiert. Doch die Aktion ging nach hinten los: Mit so viel Kopfschütteln, Unverständnis und Kollegenschelte jedenfalls scheinen die Künstler nicht gerechnet zu haben.

Immer mehr Schauspielerinnen und Schauspieler distanzieren sich mittlerweile von ihrer eigenen Aktion. Vom dazugehörigen Youtube-Kanal verschwindet ein Videostatement nach dem anderen.



Heike Makatsch hatte bereits am Vormittag die Reissleine gezogen, mittlerweile haben auch Kostja Ullmann, Peri Baumeister, Meret Becker, Trystan Pütter, Ken Duken und der Schweizer Schauspieler Pasquale Aleardi ihre Beiträge löschen lassen – zumeist verbunden mit einer Entschuldigung auf Twitter oder Instagram.

Meret Becker will kein «Aluhütchen» sein

Es sei eine vielleicht zu zynisch gestaltete Kunstaktion gewesen, räumte Meret Becker ein: «Diese Aktion ist nach hinten losgegangen. (...) Und ich entschuldige mich dafür, dass das falsch verstanden werden konnte.»

Sie lasse sich impfen, erklärte Becker, sie trage Maske, halte Abstand und lasse sich testen, wenn sie mit Menschen in Kontakt trete. Dass die Aktion instrumentalisiert werde von der rechten Seite, sei das Letzte, was sie gewollt habe. «Ich möchte auch nicht mit Aluhütchen oder dergleichen verglichen werden.»

Vergiftetes Lob

Es gab durchaus Lob für #allesdichtmachen, allerdings von unerwarteter Seite. Querdenker, Corona-Leugner und die rechtsextreme AfD applaudierten im Netz. Das hat die Schauspielerinnen und Schauspieler offenbar auf dem falschen Fuss erwischt. Dabei hätten sie damit rechnen müssen und können, kritisieren viele Kolleginnen und Kollegen.

So findet es Filmproduzent Oliver Berben, 49, im «Spiegel» «grundsätzlich richtig, wenn verschiedene Positionen geäussert werden. Ich bin mir jedoch nicht sicher, wie durchdacht diese Aktion war». Man hätte im Kopf haben müssen, «welche Bewegungen es gibt, die sich diese Gedanken zu eigen machen könnten».

Auch wenn die Aktion satirisch gemeint gewesen sein sollte, müsse man «Satire den Menschen überlassen, die das auch können», sagte Berben. Der Dortmunder Regisseur Adolf Winkelmann wird im WDR noch etwas deutlicher: «Das, was da jetzt im Netz steht, passiert, wenn man Schauspielern das Drehbuch wegnimmt.»

Einschlägig bekannter Initiator

Hinter der Aktion steckt laut Impressum der inzwischen nicht mehr erreichbaren Website allesdichtmachen.de Regisseur Bernd K. Wunder. Wunder fiel im vergangenen Jahr mit verharmlosenden Äusserungen zu Corona auf und machte sich auf seinem inzwischen auf privat gestellten Instagram-Account über seiner Meinung nach sinnlose Massnahmen lustig.

Der Nachrichtenagentur dpa sagte Wunder nun, er sei gar nicht der Initiator, sondern Teil einer grossen Gruppe. Es gehe bei der Aktion darum, die Angemessenheit der Massnahmen zu diskutieren. Dass er Befürworter von Corona-Massnahmen als «Coronazis» beschimpft hatte, würde er heute nicht mehr wiederholen.

Mit Sarkasmus löst man keine Probleme

Insbesondere kritisiert wird, dass den Schauspielerinnen und Schauspielern die Empathie für die Menschen fehlt, die vom Coronavirus betroffen sind oder im Gesundheitssystem harte Arbeit leisten. Auch wenn einige Kritikpunkte berechtigt sind, seien Ironie und Sarkasmus nicht das richtige Mittel, um Widersprüche aufzulösen.