Kontra

Fabian Tschamper

Redaktor TV/Film

Die Marvel-Maschinerie haut einen Film nach dem anderen raus – nie ist Ruhe um die Superhelden. Leider.

Erinnert ihr euch noch an «Iron Man» (2008)? Dieser Film war der Start der ersten Phase, der Infinity-Saga von Marvel. Diese Geschichte ging zu Ende mit «Avengers: Endgame».

Ich fühlte mich damals gut unterhalten, also 2008.

Unterhalten. Mehr nicht.

Zugegeben auch wegen Tony Stark, also Robert Downey Jr., der schlicht sich selbst spielt. Den unbescheidenen, unheimlich arroganten Bonzen.

Inzwischen kann ich den Typen nicht mehr sehen, wirklich nicht. Aber ich schweife ab.

Und bleibe irgendwie eben doch beim Punkt: Downey Jr. war mal ein respektabler Schauspieler, einer, dem das Handwerk am Herzen lag, siehe etwa «Chaplin» von 1995.

Und heute? Heute hat er das Schauspiel verlernt.

Marvel dreht viel vor dem Green Screen, Ansprüche an die Darsteller*innen haben sie scheinbar keine, wenn das phlegmatische Gesicht von Mark Ruffalo gut genug für den Hulk ist.

Ganz zu schweigen von den ganzen Superhelden, die – bestimmt tatkräftig – von einem Bogenschützen unterstützt werden. Hawkeye, Jeremy Renner, dich meine ich.

Es fliesst auch noch eine Unmenge an Geld, doch wo gingen die 356 Millionen hin, die die Marvel Studios für «Endgame» ausgegeben haben?

Mehr als die Hälfte wurde wohl fürs Marketing verscherbelt. Die andere Hälfte ging für die Gehälter drauf.

Für den letzten Film, also «Endgame», haben Downey Jr., Hemsworth, Evans, Johansson, Ruffalo und Renner alle jeweils 15 Millionen Dollar für ihr Anti-Schauspiel eingesackt.

Und wofür? Damit sich die ganzen Comic-Nerds beim nächsten Marvel-Film wieder eine Reizüberflutung holen können.

Marvel hat keinen wiedererkennbaren Soundtrack – ernsthaft, summ mal «Indiana Jones» oder «Star Wars». Und jetzt summ eine Melodie aus einem Marvel-Film, schaffst du nicht, was?

Zudem sind die Filme fast komplett CGI (Computer generierte Bilder) und das kitschige Happy End sieht jeder kommen.

Was soll ich noch sagen? Marvel entscheidet sich bei jedem Business-Meeting zwischen zwei Optionen: Wollen wir einen guten Film drehen oder einen profitablen?

Profitabel. Darum haben sich die Studios einen halbarschigen Tom Hardy für «Venom» geholt und ihn mit Jutesäcken voller Geld bezahlt.

Ah und siehe da, das Sequel kommt auch schon.

Wie das violette Kinn aus dem Endspiel sagen würde: I am inevitable, Pascal.

Pro

Pascal Wengi

Irgendwas mit Facebook

Zum Glück gibt’s noch Marvel – wenigstens ein grosses Franchise, das einen Masterplan verfolgt.

Ich kann mit vielem leben. Ich kann vieles tolerieren. Jeder soll seines Glückes eigener Schmied sein.

Du magst Ananas auf deiner Pizza? Schön für dich. Du hängst dein Toilettenpapier gerne umgekehrt in die Halterung oder schneidest deine Spaghetti? Auch ok.

Aber bei mir hört der Spass bei Leuten auf, die Marvel bashen müssen.

All die Pseudo-Filmkenner, die die Soderbergs, Scorseses oder andere Zelluloid-Exzentriker dieser Welt so sehr verehren, dass sie alles nachplappern und nachäffen, was «echte Filmemacher» tun und sagen.

Nur um sich damit in der verzweifelten Hoffnung auf irgendeine Art kultureller Überlegenheit vom gemeinen Kino-Pöbel abzuheben.

Marvel-Filme repräsentieren die 99 Prozent – das Kinovergnügen für alle. Der altbekannte Epos im neuen Gewand. Gut gegen Böse in seiner Reinform. Kopf aus – Kino an. Und das als Meister des Fachs.

So meisterlich, dass Marvel-Filme gleichbedeutend sind mit dem Auf- oder Niedergang der gesamten Branche.

Wer dabei behauptet hinter der Franchise stecke keine Handwerkskunst, der – und es tut mir leid das zu sagen – hat keine Ahnung vom Film-Fach und will sich einfach wichtig machen durch selbstdisqualifizierende Aussagen.

Der Soundtrack sei ohne Wiedererkennungswert?

Das Avengers-Theme von Alan Silvestri ist eine unverkennbare Hymne und wohl eine der bekanntesten Titelmelodien der Neuzeit.

Wusstest du, dass im Eröffnungsstück von «Endgame» nur die Hälfte des Orchesters verwendet wurde, um auch musikalisch die Auslöschung 50 Prozent allen Lebens zu symbolisieren?

Und es wird einfach produziert, was profitabel ist?

Da, lieber Fabian, könntest du nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Kevin Feige, das Mastermind hinter dem Marvel Cinematic Universe, hat bekanntlich eine Roadmap mit allen geplanten Marvel-Filmen in seinem Büro hängen.

Und schon 2014 war diese bis 2028 vorausgeplant. Das heisst seit Jahren schon, steht fest wohin die Reise geht und das ohne Rücksicht auf kurzfristige Rentabilität, sondern mit dem langfristigen Storytelling im Sinn.

Und da liegt meiner Meinung nach die allergrösste Stärke des MCU: Anspielungen werden ein Jahrzehnt vorher in Filmen versteckt, nur um diese für den spitzfindingen Nerd dann Jahre später in einem anderen Film aufzulösen.

Das ganze MCU mit seinen bis heute 25 Filmen, mehreren Serien und Kurzfilmen ist in sich stimmig. Alles was passiert, hat Auswirkungen  und wird referenziert. Von so einem profitablen Masterplan kann selbst Scorsese nur träumen.