Ludwigshafener «Tatort» Wie gefährlich sind private Sicherheitsdienste?

tsch

26.12.2020

Früher sah man sie nur als Warenhaus-Detektive oder Nachtwächter. Mittlerweile schützen private Sicherheitsdienste aber auch Flughäfen, Atomkraftwerke oder Fussgängerzonen. Verkauft der Staat seine Sicherheit an zweifelhafte Milieu-Gestalten?

Im wenig weihnachtlichen «Tatort» aus Ludwigshafen kämpfte Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) gegen die Ohnmacht des Staates, der sein Gewaltmonopol – aus Kostengründen – an halbseidene Security-Dienste verkauft hat. Die plakativste Szene: Eine Pressekonferenz des Innenministers zur neusten Kriminalstatistik wurde von den Gangstern selbst «geschützt». Ist es in der Realität wirklich so schlimm?

Übernimmt private Security immer mehr Polizeiaufgaben?

1990 zählte die private Sicherheitsbranche in Deutschland noch 56'000 Mitarbeiter. 2016 waren es bereits 233'000, die 265'000 Polizisten in Deutschland «unterstützten» – also fast Gleichstand. 2018 ist die Branche sogar auf 263'000 Mitarbeiter angewachsen. Sie arbeiteten in 6'500 Wach- und Sicherheitsdienstleistungsunternehmen, die im vorletzten Jahr rund 8,8 Milliarden Euro Umsatz erwirtschafteten. Sicherheit ist also eine Top-Boombranche.

Warum wird Sicherheit privatisiert?

Aus Kostengründen. Polizisten geniessen eine jahrelange Ausbildung auf einer Fachschule, sie sind hochqualifizierte – und eben teure – Arbeitskräfte. Privates Sicherheitspersonal findet sich hingegen vorwiegend im Niedriglohnsektor. Die auch im «Tatort» aufgestellte These, dass sich der Staat immer mehr aus «Sicherheitsdienstleistungen» zurückzieht, bewerten fast alle Experten jedoch als falsch.

Die Polizei habe nicht weniger Aufgaben. Vielmehr würden immer mehr Bereiche kontrolliert und überwacht. Beispiele aus den letzten Jahren, die einen erhöhten Personalaufwand auf dem Sicherheitssektor erforderten, sind: Terrorabwehr, der Schutz von Asylbewerberheimen, Demonstrationen mit hohem Konfliktfaktor wie «Pegida» oder «Querdenker»-Kundgebungen. Dazu kommt die vor Corona boomende Veranstaltungsbranche sowie ein insgesamt höheres Sicherheitsbedürfnis bei Veranstaltern und Publikum.

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Wer darf Security-Mitarbeiter werden?

Die Hürden zum Einstieg in den Job sind niedrig, auch wenn sie 2016 per Gesetzesnovelle erhöht wurden: Generell müssen Sicherheitsmitarbeiter eine «Sachkundeprüfung» bei der IHK ablegen, die einen schriftlichen Test von 120 Minuten sowie eine etwa 15-minütige mündliche Befragung umfasst. Ausreichende Deutschkenntnisse in Wort und Schrift sind nötig, um diese Prüfung zu bestehen. Verschiedene Anbieter locken mit Kursen, online oder vor Ort, in denen man sich auf die Prüfung vorbereiten kann.

Die Durchfallquote liegt bei 60 Prozent. Als Voraussetzung für den sogenannten 34a-Schein gilt auch ein einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis sowie ein Mindestalter von 18 Jahren. Zudem heisst es im Gesetz: «Eine Ablehnung kann in der Regel dann eintreten, wenn der Antragsteller Vorstrafen hat oder Mitglied einer verfassungswidrigen Partei ist.»

Wie ist die Lage in der Schweiz?

Auch in der Schweiz boomt das Geschäft mit privat organisierter Sicherheit. Laut einer Statistik von humanrights.ch gab es 2017 mehr als 800 private Sicherheitsfirmen mit über 20'000 Angestellten – das waren mehr als die 18'000 Polizisten und Polizistinnen im eidgenössischen Staatsdienst. Die berühmteste und grösste Sicherheitsfirma ist die Securitas AG. Laut eigener Aussage hat das Unternehmen gegenwärtig etwa 16'000 Mitarbeitende weltweit. Die Rechtslage, was diese Mitarbeiter dürfen und was nicht, ist ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland.

Ist Security ein «zweites Standbein» für Kriminelle?

Die ARD-Doku «Sicherheit ausser Kontrolle – Das zweifelhafte Geschäft der Sicherheitsdienste» beschäftigte sich schon 2017 mit dem Thema. Tatsächlich wurde darin – wie vom «Tatort» aufgegriffen – von tobendem Konkurrenzkampf, knallhartem Wettbewerb und Dumping-Preiskämpfen berichtet.



Auch gab es in dem Beitrag Berichte über Übergriffe durch Wachleute auf «Schutzbefohlene» wie in Asylbewerber-Unterkünften und generell Kritik an der niedrigen Qualifikation privater Sicherheitskräfte. Organisiertes Verbrechen unter dem Deckmantel staatlich angeheuerter Security-Dienste, so wie im «Tatort: Unter Wölfen» beschrieben, konnte bislang jedoch nicht enttarnt werden.

Was dürfen private Sicherheitsleute?

Da das Gewaltmonopol beim Staat liegt – und dieses nur von der Polizei ausgeübt werden darf – arbeitet privates Sicherheitspersonal auf Basis des Haus- sowie des Jedermannsrechts. Gewaltanwendung ist per se verboten, es sei denn, es handelt sich um Notwehr.

Bei dringendem Tatverdacht kann private Security einen Verdächtigen um seine Personalien bitten, er muss dieser Forderung jedoch nicht nachkommen. Auch das «Festhalten» eines Verdächtigen – zum Beispiel nach einem Diebstahl – wird nur bei dringendem Tatverdacht vom Gesetz abgedeckt. Selbst das Vorzeigen eines Personalausweises darf privates Sicherheitspersonal nicht verlangen.

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