Kolumne Lieber Osterhase, du kannst doch gar keine Eier legen!

Von Sulamith Ehrensperger

17.4.2022

Ausgerechnet der Hase ist zu einem Symbol für Ostern geworden. Wie konnte es dazu nur kommen?
Ausgerechnet der Hase ist zu einem Symbol für Ostern geworden. Wie konnte es dazu nur kommen?
Bild: Keystone

Warum ist es ein Hase, der Ostereier bringt? Eine Kinderfrage, die Eltern in Erklärungsnotstand bringt. Klar, denn um den Osterhasen ranken sich verrückte Geschichten. Auf den Spuren des beliebtesten Langohrs.

Von Sulamith Ehrensperger

17.4.2022

Zur Transparenz: Dieser Artikel erschien am 2. April 2021 zum ersten Mal.


«Mami, wieso bringt der Osterhase die Eier? Der kann doch gar keine Eier legen», fragt meine vierjährige Tochter. Es ist eine dieser Kinderfragen, die uns Eltern immer mal wieder in Erklärungsnotstand bringen. Warum ist es eigentlich ein Hase und kein Huhn?

«Ich weiss es nicht», gebe ich zu. Mir sei der Osterhase noch nie begegnet. «Ich weiss, er sieht aus wie ein Hase», erklärt sie mir nun mit grösster Selbstverständlichkeit. «Seine Ohren sind lang. Sein Fell ist braun, er hat einen weissen Bauch und ein Puschelschwänzchen. Und er trägt einen Rucksack, darin sind die Eier».

Es gibt unzählige Varianten, die erklären wollen, wie der Hase zum Osterboten wurde. Genauer betrachtet hat der Osterhase seinen Job noch gar nicht so lange. Seine Erfolgsgeschichte als Eierbringer soll vor 300 Jahren begonnen haben. 

Fliegende Glocken, die Ostereier bringen

Erstmals erwähnt wird der Osterhase in einer Schrift eines Heidelberger Arztes. Ihm zufolge soll der Brauch, an Ostern Eier zu verstecken, im Elsass, in der Pfalz und am Oberrhein entstanden sein. Vielleicht waren schon damals Eltern in Erklärungsnotstand, weil die Kinder fragten, wie die Eier in die Nester kommen.

Konnte ja sein, denn früher haben Kinder die bunten Eier nicht im Wohnzimmer, sondern auf den Feldern gesucht. Bei ihrer Suche haben sie dann manchmal Feldhasen entdeckt – und vielleicht geglaubt, dass die Tiere die Eier versteckt hätten.

Bei uns ist der Hase seit über 100 Jahren als Osterbote bekannt. Es brauchte lange, bis sich der Hase gegen seine Konkurrenz durchsetzte. Davor waren es je nach Region verschiedene Tiere: Güggel, Kuckuck, Storch oder Fuchs. Manche Erklärungsversuche sind auch ziemlich verrückt. In den Vogesen etwa heisst es, dass geflügelte Kirchturmglocken nach Rom fliegen, um dort die Ostereier zu holen. Ehrlich gesagt ist mir ein eierversteckender Hase dann doch lieber.

Da kommt das Huhn nicht mehr nach 

Was wir heute sicher wissen, ist, dass alle drei Symbole also Hase, Huhn und Ei heidnischen Ursprungs sind. Sie stehen für Fruchtbarkeit und sollen die Freude über den ankommenden Frühling ausdrücken. Schon bei den Römern galt der Hase übrigens als Fruchtbarkeitssymbol. Kein Wunder, eine Häsin kann sehr oft Kinder bekommen – nämlich drei bis viermal im Jahr.

Dass ausgerechnet der Hase das Rennen als Eierbote machte, liegt vielleicht auch an seiner Schnelligkeit. Der Hase ist eindeutig flinker als die Henne, sodass er beim Verstecken der Ostereier auch nie erwischt werden kann. Ein möglicher Erklärungsansatz.

Der Osterhase ist da! Zumindest hat ihn meine Tochter schon mal zu Papier gebracht. 
Der Osterhase ist da! Zumindest hat ihn meine Tochter schon mal zu Papier gebracht. 
Bild: S. Ehrensperger

Vielleicht ist die Wahl auf den Hasen gefallen, weil er schlicht das Lieblingstier vieler Kinder ist? Das wäre für mich als Mutter durchaus denkbar. Denn schon seit Jahresbeginn schallt bei uns zu Hause das Kinderlied «Stups, der kleine Osterhase fällt andauernd auf die Nase» über die Lautsprecher. 

Mehr Osterhasen als die Schweizer Bevölkerung

Populär wurde der Osterhase übrigens Ende des 19. Jahrhunderts als Spielfigur, wie auch in Bilderbüchern und als Schoggihase. Vor allem Letzterer dürfte heute wohl in vielen Osternestern sitzen. Denn um die 16 Millionen Schokoladenhasen werden laut Chocosuisse jährlich in der Schweiz produziert. Zur Osterzeit wird unser Land also von doppelt so vielen Osterhasen wie Menschen bevölkert.

Ich habe zwar noch keine zufriedenstellende Antwort auf die Frage meiner Tochter gefunden. Aber für mich ist klar: Zu Ostern gehören selbstbemalte Eier einfach dazu. Genauso wie die Hasen. Das findet übrigens auch meine Tochter: «Der Osterhase weiss doch alles, auch dass ich keine Schoggi mag.»