Friends-forever-Kolumne Was sagt der Alkoholkonsum über meine Freundschaften aus?

Von Gabriella Alvarez-Hummel

16.3.2022

Bei «Sex and the City» erzählen sich die Protagonistinnen ihre wildesten Geschichten am liebsten bei einem Cosmopolitan.
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Unsere Kolumnistin hat dem Apéro den Kampf angesagt – auch dank eines Buches zweier Freundinnen.

Von Gabriella Alvarez-Hummel

16.3.2022


Eine Bekannte, die lange Zeit im Ausland gewesen war, schrieb mir mal: Ich habe das Gefühl, in der Schweiz gibt es nur Arbeit und Apéro.

Mir ging die Nachricht nie wieder aus dem Kopf und vielleicht ist sie der Grund, weshalb ich seither bewusster darauf achte, ob sie recht gehabt hat. Das mit dem Stress und der Arbeit will ich mal beiseite lassen – es ist vielen bewusst.

Aber der Apéro, der beschäftigt mich.

Oft habe ich mittlerweile das Gefühl, dass er zum Selbstzweck geworden ist. Immer dabei: Alkohol natürlich. Und in mir immer öfter die Frage: Was wäre mit gewissen Freundschaften ohne Apéro, ohne Alkohol?

Alkohol als Freundschafts-Basis?

Als ich kürzlich auf einen Bericht im Tages-Anzeiger stiess über das Buch «Rauschlos glücklich - Auf die Freundschaft & das Leben ohne Alkohol» wurde ich entsprechend neugierig.

Die beiden Autorinnen und besten Freundinnen Vlada Mättig und Katharina Vogt müssen lachen, als ich frage, was sie denn nun gemeinsam machten – wenn sie nicht mehr wie früher, am Küchentisch sitzen, flaschenweise Wein trinken und über Gott und die Welt reden? «Dasselbe, aber jetzt trinken wir Kakao. Wir brauchten nie Alkohol, um uns Dinge zu erzählen. Aber er gehörte trotzdem immer irgendwie dazu», antworten sie unisono.

Vlada, heute Abstinenz-Mentorin, erinnert sich an die Zeit, als sie merkte, dass ihr Alkoholkonsum ausser Kontrolle geraten war: «Ich hatte früher die Sorge, dass Menschen mich als langweilig sehen, wenn ich keinen Alkohol trinke.»

«Es gab Leute, die kannte ich nur betrunken»

Als klar wurde, dass sich Vlada in eine Klinik begeben würde, war Katharina zwar erleichtert, dass ihre Freundin sich endlich Hilfe holte, aber: «Ganz ehrlich, als mir bewusst wurde, dass wir nie wieder zusammen trinken können, fand ich das schon doof.» Die Angst sei jedoch unbegründet gewesen und es habe sich alles ganz natürlich ergeben. Vlada: «Unsere Freundschaft hat nicht auf Alkohol basiert, darum war das kein Problem. Aber natürlich gab es Freundschaften, die auseinander gingen, als ich aufhörte zu trinken. Es gab Leute, die kannte ich nur betrunken.»

Ich horche auf: Es gibt durchaus Freundschaften in meinem Leben, wo Alkohol unhinterfragt immer mit am Tisch sitzt. Basiert die Freundschaft deshalb auf Alkohol? Das nicht. Aber ich frage mich schon: Was sagt das über eine Freundschaft aus?

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Wenn die Freundin zu viel trinkt

Wie oft hörte ich schon den Satz: Wir trinken ja alle zu viel. Und das stimmt mit Sicherheit auch.

Was aber, wenn man merkt, dass es bei jemandem ausser Kontrolle gerät? Im Buch beschreiben die Freundinnen aus ihrer jeweiligen Sicht, wie sie die Alkoholsucht von Vlada erlebten. Katharina bereut heute, dass sie nichts sagte, als sie merkte, dass es Vlada nicht mehr gut ging. Dabei ist beiden bewusst: Es ist unendlich schwierig, solch ein Thema anzusprechen.

Und im Gespräch erkennen wir, warum: Beide Parteien haben Angst davor, Freundschaften zu verlieren. Die Trinkende hat Angst, dass sie nicht lustig oder gesellig genug ist, wenn sie nicht trinkt. Die andere hat Angst, dass ihre Sorgen nicht ankommen und sie die Freundschaft womöglich zerstört.

Was wäre die richtige Art und Weise, so etwas anzusprechen? Vlada sagt: «Ich hätte mir gewünscht, dass mir jemand sagt, ich beobachte, dass du viel trinkst, ich mache mir Sorgen um dich, du bist nicht alleine, das Leben ist nicht vorbei, wenn du aufhörst, ich bin da.»

Adios Apéro?

Was sagt das ständige Trinken denn nun über meine Freundschaften aus? Nun, in erster Linie noch nichts Dramatisches: fehlende Kreativität.

Nichts gegen einen Apéro, aber ich habe mir nun vorgenommen, mehr mit meinen Freund*innen zu unternehmen. Ins Theater gehen, an Konzerte, Ausflüge. Man muss die Welt der Aktivitäten nicht neu erfinden.

Ich will Erinnerungen schaffen und nicht einen Teppich weben aus lauter Apéros, wo einer nicht vom anderen zu unterscheiden ist. Ich bin mir sicher, da hat niemand etwas dagegen.

Dazu kommt der natürlich oft überbordende Alkoholkonsum, der bei Alternativprogrammen nicht automatisch passiert. Über weniger Alkohol hat sich noch nie ein Körper beschwert. Dazu kommt der schöne Nebeneffekt, dass man sich am folgenden Tag an die Gespräche erinnert.

Natürlich werde auch ich dem geliebten Küchentisch nicht abschwören. Aber vielleicht koche ich ab und an einfach mal einen Kakao, statt die Korken knallen zu lassen.

Friends-forever-Kolumne
zVg

Es gibt Beziehungsratgeber, Elternblogs, was aber ist mit Freundschaften? Warum werden sie im öffentlichen Diskurs so vernachlässigt? Die freie Autorin Gabriella Alvarez-Hummel will das mit ihrer Kolumne ändern. Hast du eine Frage oder einen Themenvorschlag? Immer her damit per Privatnachricht auf Instagram.