Von wegen verstaubt und elitär Du findest Museen langweilig? Nicht mit ihr!

Von Vanessa Büchel

21.1.2024

Caroline Schlüter ist Geschäftsführerin und seit Anfang 2023 Inhaberin von #letsmuseeum.
Caroline Schlüter ist Geschäftsführerin und seit Anfang 2023 Inhaberin von #letsmuseeum.
zVg

Wer etwas vermitteln will, hat mehr Erfolg, wenn er Emotionen ins Spiel bringt. Davon ist man bei #letsmuseeum überzeugt. Inhaberin Caroline Schlüter über emotionales Storytelling und die Zukunft von Museen.

Von Vanessa Büchel

21.1.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Das Ende 2016 gegründete Start-up #letsmuseeum konzentrierte sich in der Anfangsphase auf die Entwicklung von aussergewöhnlichen Museumsrundgängen. 
  • Mit emotionalem Storytelling wollte das Team erreichen, dass vermitteltes Wissen länger im Gedächtnis bleibt.
  • Heute bietet #letsmuseeum auch Workshops an, in denen sie ihr Wissen zum Thema «Emotional Storytelling» weitergeben. 
  • Dort lernst du, eine Geschichte auf emotionale Weise zu vermitteln.

Bestimmt jeder von uns hat schon einmal eine dieser sachlichen Museumstouren durchgemacht. Eine, in der man in erster Linie mit Informationen berieselt wird, ohne witzige Anekdoten oder gefühlvolle Einblicke zu erhaschen. «Auf diese Art ist es schwierig, ein breites Publikum abzuholen. Die grosse Mehrheit des breiten Publikums sieht sich als Laien und hat Hemmungen, daran teilzunehmen. Sie fürchten, zu wenig Ahnung von der Thematik zu haben und fehl am Platz zu sein», sagt Caroline Schlüter (39). Sie ist Inhaberin und Geschäftsführerin von #letsmuseeum.

Dieser Herausforderung hat sich das Ende 2016 gegründete und von Migros-Engagement unterstützte Start-up angenommen. Mit dem Ansatz des emotionalen Storytelling hat das junge und kreative Team rund um Schlüter Touren entwickelt, die das Museumserlebnis aus der Perspektive eines Freunds, vor allem aber eines Fans, weitergeben, es dadurch sehr persönlich färben und auf eine aussergewöhnliche Weise in Erinnerung bleiben. Anders, leidenschaftlich und mit viel Humor – mit diesen drei Worten würde Schlüter #letsmuseeum beschreiben.

Neue Art der Vermittlung in Museen – jung, wild, sexy

Angefangen hat #letsmuseeum als Eigenveranstalter. «Wir haben unsere Touren – eine neue Art der Wissensvermittlung – selbst finanziert, vermarktet und kommuniziert. Die Museen gaben uns die Erlaubnis, unsere Formate bei ihnen zu entwickeln und durchzuführen», so Schlüter. 

Das war aber nicht immer einfach, sondern brachte anfangs auch ein paar Herausforderungen mit sich. Denn teilweise begegnete das #letsmuseeum-Team auch Vorbehalten, wie die gebürtige Zürcherin erklärt: «Ich glaube, gewisse Museen haben sich tatsächlich etwas bedroht gefühlt von uns und haben uns als Konkurrenz empfunden. Dabei wollten wir ihr Angebot, das ja grundsätzlich gut und umfangreich ist, lediglich ergänzen. Aber unsere eher provokative Art und unser junger, lauter Auftritt waren sehr ungewohnt in der Museumslandschaft. Da haben einige Institutionen die Tür schnell wieder zugemacht. Schade für beide Seiten.»

Doch seit den Anfängen hat sich viel verändert bei #letsmuseeum. 2020 kam die grosse Wende. #letsmuseeum entschied, die Ausrichtung zu ändern: nicht mehr für das Endpublikum zu entwickeln, sondern für und mit Institutionen und Firmen. Es folgte ein Switch von B2C zu B2B. #letsmuseeum ist kein Tourveranstalter mehr, sondern Entwicklungspartner. Beibehalten wurden die Workshops, die es schon seit 2018 gab. In den Workshops zu «Emotional Storytelling» und «Performance» macht das Team seine Arbeit, sein Credo und seine Denkweise zugänglich. Dort lernt man, wie emotionales Storytelling angewendet wird und wie man mit seiner Performance nachhaltig Eindruck hinterlässt.

Ganz eingestellt wurden die ausgefallenen Touren aber nicht. Denn überall, wo es möglich war, wurden die pfannenfertigen Touren bei den Museen selber platziert. Nur vier Touren hat #letsmuseeum für sich behalten: zwei im Zürcher Kunsthaus und zwei Stadttouren in Zürich. «Die gibt es noch, aber nur noch auf Anfrage für Gruppen.»

Darum stecken in #letsmuseeum zwei E

Waren zuerst Museen die Hauptkunden des Kulturunternehmens, richtet sich das Angebot mittlerweile an eine viel breitere Zielgruppe. #letsmuseeum entwickelt heute Vermittlungsformate für Kunden aus den verschiedensten Branchen – nebst Museen und Institutionen gehören auch Organisationen, Firmen, Manufakturen, Hotels, Pärke oder Städte zu den Auftraggebenden.

Ausgefallene «Storytelling»-Formate braucht es überall, wo man etwas weitergeben, mitteilen oder erzählen möchte, davon ist Schlüter überzeugt. Und «Emotional Storytelling» sei die Zauberformel dafür. Auch schon für eine grosse Lehrerweiterbildung richtete #letsmuseeum einen Workshop aus.

Und es ist kein Schreibfehler, das zweite E. «Wir wollen dazu animieren, dass man gewohnte Dinge auch mal anders anschaut beziehungsweise eine andere Perspektive einnimmt. Darum findet sich in unserem Namen das englische Wort ‹see›», erklärt Schlüter, die Kommunikationswissenschaften in Luzern studiert hat.

Längere Öffnungszeiten und weniger sakrale Stille

Immer wieder andere Perspektiven einnehmen, das würde auch vielen Museen guttun, wie die Geschäftsführerin findet. Denn: «In der Schweizer Museumslandschaft, vor allem in grösseren Institutionen, herrscht ein bisschen ein elitärer Groove. Der ist nicht wirklich kompatibel mit dem breiten Publikum und wirkt eher abschreckend. Oder ausschliessend. Das finde ich sehr schade, denn eigentlich sollten Kultureinrichtungen doch genau offen und zugänglich sein für eine möglichst breite Zielgruppe. Sollten einen Raum bieten für Austausch, Inspiration und Auseinandersetzung für alle.» Schlüter wünscht sich, dass diese elitäre Haltung sich in Zukunft ändern wird.

Auch die Öffnungszeiten von Museen oder die typisch sakrale Stille sind Dinge, für die sich die junge Unternehmerin Änderungen wünscht. Schliesslich schaffen es arbeitstätige Menschen – und das sind ja hauptsächlich die, die sich Kultur leisten können – nicht zu den regulären Öffnungszeiten ins Museum. Wenn das Museum schliesst, in der Regel um etwa 18 Uhr, sitzen die meisten noch bei der Arbeit. «Aber das ist den Museen schon bewusst und es gibt immer wieder Anläufe und Tests für Abendöffnungszeiten oder Abendprogramme. Aus unserer Erfahrung kann ich sagen, dass alle Angebote, die abends ausserhalb der Öffnungszeiten stattfanden, sehr gut gebucht wurden», findet Schlüter.

Muzeum Susch im Unterengadin ist Schlüters Geheimtipp

Obwohl es bei #letsmuseeum schon lange nicht mehr nur ums Museum geht, ist das kreative Team immer noch in kulturellen Einrichtungen zu Hause. «Es gibt so viel tolle Museen in der Schweiz, einen Favoriten zu nennen, ist echt schwierig», meint die 39-Jährige auf die Frage nach ihrem Lieblingsmuseum. 

Ganz angetan ist Schlüter aber vom Muzeum Susch im Unterengadin. Ein etwa fünfjähriges Gebäude mit spannender Geschichte, das eine architektonische Schönheit geworden ist, wie die #letsmuseeum-Gründerin sagt. «Und sie stellen nur Frauen der internationalen Kunstbranche aus, die zu wenig Beachtung bekommen haben.»

Workshop «Licence to Tell»

  • Am #letsmuseeum-Workshop erfährt man mehr über die Arbeitsweise und das Credo des Start-ups. Teilnehmende erhalten Einblicke in die Kunst des «Emotional Storytellings».
  • Emotionales Storytelling bedeutet Wissensvermittlung auf persönliche, berührende und ausgefallene Art und Weise, damit das Vermittelte besser in Erinnerung bleibt und auch, um ein jüngeres und vor allem breiteres Publikum zu erreichen.
  • Nachmittags wenden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Gelernte an und präsentieren eine eigene Geschichte. 
  • Nächste freie Termine: 7. Februar 2024 und 11. April 2024 
  • Dauer: von 10.15 bis ca. 18 Uhr.
  • Kosten: 320 Franken inkl. Museumseintritt, exkl. 8,1 Prozent MwSt. und Lunch.

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