Musiker North Naim

Echte Männer tragen Röcke

Von Alessio Ngu

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23.12.2022

Gibt es in der Männermode Grenzen?

«Gender ist ein Spektrum und jeder Mensch bewegt sich irgendwo auf diesem Spektrum», findet der Basler Musiker und Künstler North Naim . Das zeigt sich immer mehr - ausser im Fashion-Mainstream, wo die typisch männlichen Codes immer noch stark verankert sind. Die Avantgarde in Mode und Kunst feiert die glamouröse, feminine Mode für Männer, während sie im Alltag immer noch als ungewöhnlich gilt.

Für North Naim ein Thema, dass auch in der Musik zu Hause ist. Der Schweiz-Angolaner griff in der Pfadi zur Gitarre und hat sie seither nie mehr losgelassen. Angetrieben von der Counterculture will er mit seiner Musik neue immersive Welten schaffen, was er mit seiner neusten Single «S.O.M.» unter Beweis stellt.

blue News im Interview mit North Nahm über Musik, Mode und Mindset.

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02.12.2022

North Naim, erzähl uns doch bitte zu Beginn etwas über dich, wer bist du und was machst du?

Ich bin 24 Jahre alt und mache Musik, seit ich zwölf Jahre alt bin. Neben der Musik mache ich auch Kunst und versuche mich und meine Erfahrungen so auf verschiedene Arten auszudrücken.

Bild: Alessio Ngu

Wie hast du mit Musik angefangen?

Mein Vater war Musiker und ich habe bereits sehr früh gemerkt, dass ich eine Bindung zu diesem Medium habe. Getanzt und gesungen habe ich immer gern. Mit acht Jahren habe ich eine Gitarre bekommen und mein Leiter in der Pfadi hat mir damals beigebracht, ein paar Akkorde zu spielen. Mit 13 habe ich dann begonnen, selber Musik aufzunehmen.

Gibt es konkrete Themen, die du mit deiner Musik ansprechen möchtest?

Für mich war Musik von Anfang an mehr eine Form der Selbstfindung und ein Mittel, mich auszudrücken. Ich versuche ein grosses Spektrum meiner emotionalen Welt abzudecken, ohne Einschränkung. Meine Musik kommuniziert kein spezifisches Thema, wie zum Beispiel etwas Politisches. Bei mir steht das Experimentieren mit Sound im Fokus. Ich habe schon immer versucht, damit Welten zu erschaffen, weil es ein Medium ist, das sehr universell ist. Wir sehen so viele Sachen, aber oft ist unser Gehör etwas eingeschränkt, weil wir ständig so vielen Reizen ausgesetzt sind.

Besonders in der Schweiz möchte ich Sound kreieren, den man so nicht kennt.

Hast du eine Message?

Ich möchte besonders jüngeren Menschen zeigen, dass heute vieles möglich ist. Du hast jedes Tool, egal wo du bist, egal woher du kommst. Du kannst jederzeit ein Instrument in die Hand nehmen, was dein Leben zum Positiven verändern kann.

North Naim und Dave Flütsch im Studio am Mixen
North Naim und Dave Flütsch im Studio am Mixen
Bild: Alessio Ngu

Du sprichst vom Erschaffen neuer Welten, und genau das hast du auch gemacht in deinem neuen Track «444», was ist die Message dahinter?

Dieser entstand in der Phase, als ich von Berlin zurück in die Schweiz gekommen bin. In Berlin habe ich sehr viel erlebt und auch sehr schwierige Zeiten durchgemacht. Das Zurückkommen habe ich als sehr schön und sehr heilend empfunden. Ich spreche im Track zu mir selber, die Hook «Only you can be high forever» spiegelt das wider. Zusammengefasst geht der Song um Healing und darum, an sich selbst zu glauben.

Bild: Clava Productions

In deinem Werk und Auftritten drückst du dich mit Mode unkonventionell aus. Wie erlebst du das als männliche Person?

Je mehr ich mich mit diesem Thema und generell mit meiner eigenen Männlichkeit auseinandersetze, desto stärker habe ich gemerkt, wie viel auch Männer leider unter diesem patriarchalischen System leiden. Es schränkt uns ein. Dabei geht es nicht darum, dass sich jeder feminin anziehen soll, aber bereits die Option wird als seltsam angesehen.

Ich glaube, Gender ist ein Spektrum und jeder Mensch bewegt sich irgendwo auf diesem Spektrum. Dabei ist es wichtig, sich selbst zu definieren und sich damit auseinanderzusetzen, was einen mit Freude erfüllt.

Wir leiden eigentlich alle unter diesem System, weil es weniger Freude zulässt und viele entmutigt, Neues auszuprobieren und sich generell frei zu fühlen.

Auftritt in Zürich
Auftritt in Zürich
Bild: Alessio Ngu

Wäre deine Kindheit anders gewesen mit diesem Mindset?

Ich glaube, dass ich in meiner Jugend gern viel mehr mit Looks experimentiert hätte, ich habe schon immer gern Frauenkleider getragen. Heute merke ich, dass ich eben gerade das ausdrücken möchte und das kommt auch von einem verletzlichen Ort. Gerade als Mann muss man sich entscheiden, gegen dieses System vorzugehen.

Ich merke das bereits bei so simplen Dingen, wie einfach einen Rock anzuziehen als Mann. Das wird bereits als Statement angesehen. Dabei fühle ich mich einfach wohl darin und finde es ein tolles Kleidungsstück. Dieses ständige Politisieren finde ich etwas nervig und kontraproduktiv. Man steht immer unter diesem Druck etwas auszusagen. Es gibt einfach Männer, die das fühlen.

Auch kulturell, woher ich herkomme und generell in Afrika sind teils die Gender-Ansichten und -Expression ganz anders. Dort fliesst viel in den Tanz ein, wobei dieser gleichgestellt ist. Also auch Männer shaken ihren Ass und es ist voll okay. Aber oft bleiben die Geschlechterrollen immer noch sehr patriarchalisch, wie bei meiner afrikanischen Familie. Es hat viel Zeit gebraucht, einfach ich selbst sein zu können.

Also auch Männer shaken ihren Ass und es ist voll okay.

Als Mann lernt man, seine Gefühle zu unterdrücken. Damit bist du dann allein, auch mit deiner Wut. Ich habe aber mittlerweile gelernt, dass es oft gar nicht zu diesem Moment kommen muss. Darüber zu sprechen und dich auszudrücken, kann helfen.

Credits

Text Alessio Ngu

Fotografie Alessio Ngu & Clava Productions