Prozess um MH17-Abschuss Gericht spricht drei Angeklagte schuldig

Von Annette Birschel, dpa/uri

17.11.2022 - 08:28

Die aus Trümmern wieder zusammengesetzte Boeing 777 der Malaysia Airlines: Anwälte und Kläger fordern Gerechtigkeit für die 298 Opfer der abgeschossenen MH17.
Die aus Trümmern wieder zusammengesetzte Boeing 777 der Malaysia Airlines: Anwälte und Kläger fordern Gerechtigkeit für die 298 Opfer der abgeschossenen MH17.
Archivbild:Keystone

Ein holländisches Gericht hat drei der vier Angeklagten schuldig gesprochen, den Abschuss des Passagierflugs MH17 veranlasst zu haben. Alle Verurteilten befinden sich auf freiem Fuss. 

17.11.2022 - 08:28

Ein niederländisches Strafgericht hat drei ehemals hochrangige pro-russische Separatisten wegen des Abschusses des Passagierfluges MH17 über der Ostukraine im Jahr 2014 mit 298 Toten schuldig gesprochen. Ein vierter Angeklagter wurde freigesprochen. Das Gericht verkündete das Urteil am Donnerstag in Abwesenheit der Angeklagten, das Strafmass stand zunächst noch aus.

Es gilt als unwahrscheinlich, dass die Verurteilten ihre Strafe auch verbüssen werden. Sie sollen sich in Russland aufhalten. Das Land wird sie nach Einschätzung von Experten nicht ausliefern. Moskau erkennt das Gericht nicht an und weist jegliche Mitverantwortung an dem Abschuss zurück.

Sie sollen der Anklage zufolge das Luftabwehrgeschütz vom Typ Buk besorgt haben und für den Abschuss der Rakete verantwortlich sein. Die Anklage lautet auf Mord in 298 Fällen. Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haftstrafen.

Damals tobten im ostukrainischen Donbass bereits Kämpfe. Internationale Ermittler stellten fest, dass die Buk-Rakete aus Russland kam und der russischen Armee gehörte. Sie war den Ermittlern zufolge von einem Feld abgeschossen worden, das von den Rebellen kontrolliert wurde.

Keiner der Verurteilten hat die Waffe abgefeuert

Das Geschütz war anschliessend über die Grenze zurück nach Russland geschafft worden. Moskau weist alle Vorwürfe entschieden zurück und macht vor allem die Ukraine verantwortlich. Die Ermittlungen und das Gericht hat der Kreml auch nie anerkannt.

Keiner der Angeklagten erschien jemals im Gericht. Nur einer, Pulatov, hat sich verteidigen lassen. «Er weist jede Verantwortung zurück», erklärten seine Anwälte und forderten einen Freispruch.

Klar ist, dass die vier angeklagten Männer nicht selbst auf den Knopf gedrückt haben. Mit einer Beweiskette aber legten die Ankläger dar, dass sie für die Beschaffung der Waffe und den Abschuss gesorgt hätten. «Nach der Argumentation der Anklage nahmen sie dabei in Kauf, dass sie auch ein ziviles Flugzeug treffen konnten», sagt die Juristin Marieke de Hoon.

Juristisches Neuland

Die Anklage legte eine Fülle an Beweisen vor, Fotos, Videos, Daten, Funkverkehr, Satellitenaufnahmen. Doch viele der Beweise stammen aus offenen Quellen oder von sozialen Medien. «Diese digitalen Beweise sind juristisches Neuland», sagt De Hoon. «Eine Anerkennung kann wichtig sein für andere Prozesse zu Kriegsverbrechen.»

Das Urteil wird nicht das letzte Wort im Verfahren zu Flug MH17 sein. Die Juristin De Hoon rechnet mit einer anschliessenden Berufung und weist auch auf weitere Verfahren hin, wie etwa vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof.

Von Annette Birschel, dpa/uri