«Air Force One»-Deal gibt zu reden Liess sich Boeing von Trump über den Tisch ziehen?

Von Andreas Fischer

14.11.2022

Boeing baut zwei neue «Air Force One»-Maschinen für das Weisse Haus. Doch die Präsidentenflieger machen dem Konzern vor allem Kummer. Auch weil Donald Trump Boeings Ex-Chef die Pistole auf die Brust gesetzt hatte.

Von Andreas Fischer

14.11.2022

Wer den Zuschlag bekommt, die neue «Air Force One» zu bauen, ist nachvollziehbar «stolz und begeistert». Ted Colbert, der für das Projekt zuständige Manager beim US-Flugzeugbauer Boeing, verspricht, dem «Präsidenten zwei perfekte Flugzeuge zu liefern». Allerdings, so schreibt «Der Spiegel», viel später als geplant. Auch die Kosten laufen aus dem Ruder.

Zwei neue Jumbojets 747-8 rüstet Boeing zurzeit zu Präsidenten-Fliegern um, zu einem Fixpreis von knapp zwei Milliarden US-Dollar pro Exemplar. Eingetütet hatte den Deal der damalige US-Präsident Donald Trump Anfang 2018  – und brüstete sich öffentlich damit: Er habe dem US-Steuerzahler eine Milliarde Dollar eingespart. Vorausgegangen waren eine Twitter-Drohung («Cancel order!»), die Angst vor Auftragsverlusten im Rüstungsgeschäft und ein Einknicken des damaligen Boeing-Chefs Dennis Muilenburg: «Wir werden es für weniger hinbekommen.»

Boeing hat Trumps Rabattbetrag nie bestätigt, allerdings eingeräumt, dass der Auftrag aus dem Weisen Haus dem Konzern zwei Milliarden US-Dollar Verlust eingebracht haben. Bis jetzt. Denn Donald Trump hatte den 3,9-Milliarden-Dollar-Deal zum Fixpreis vereinbart. Was vom Ex-Präsidenten als cleveres Geschäftsgebaren verkauft wurde, ist in Wirklichkeit nicht unüblich in der Branche, wie Analyst Richard Aboulafia im «Spiegel» verrät.

Die «Air Force One» machte zuletzt im Juni 2021 anlässlich des Genfer Gifpeltreffens zwischen Joe Biden und Wladimir Putin in der Schweiz Halt.
Die «Air Force One» machte zuletzt im Juni 2021 anlässlich des Genfer Gifpeltreffens zwischen Joe Biden und Wladimir Putin in der Schweiz Halt.
KEYSTONE

Zu viele Risiken

Eine neue «Air Force One» zu bauen, so Aboulafia, sei keine besonders grosse Herausforderung. Die Boeing 747-8 muss auf die militärische Version VC-25B umgerüstet werden. Und natürlich gibt es einige Besonderheiten bei der Sicherheitsausstattung und dem Komfort. Alles in allem sei das ein Auftrag mit geringem Risiko und mit 3,9 Milliarden US-Dollar für zwei Maschinen angemessen bezahlt.

Doch Boeing, noch immer nicht vom 737-Max-Desaster erholt, bereut das Projekt mittlerweile: Muilenburg habe Donald Trump unterwürfige Versprechungen gemacht, kritisiert der neue CEO David Calhoun und spricht von «einem einzigartigen Sortiment an Risiken, das Boeing wahrscheinlich nicht hätte übernehmen sollen.»

Boeing fühlt sich von Trump über den Tisch gezogen

Einer der Knackpunkte ist der von Trump ausgehandelte Fixpreis: Steigen die Kosten, ist das Weisse Haus fein raus, weil Boeing alles übernehmen muss. Corona, Lieferengpässe, Inflation: Die Preise kennen seit einigen Jahren nur eine Richtung. Für den Konzern läuft es darauf hinaus, dass sich Muilenberg, der nicht mehr bei Boeing arbeitet, von Trump über den Tisch ziehen lassen hat.

Für Branchenkenner Aboulafia sind die Probleme hausgemacht und haben nichts mit Trump zu tun. Wer seine Zulieferer wie «Feinde» behandle, in der Unternehmenskultur keine schlechten Nachrichten vorsehe und Krisen verschlimmere, statt sie zu managen, habe ein Inkompetenz-Problem. Was bei Boeing passiere, sei «unfassbar dumm».

Pünktlich abheben wird die «Air Force One» jedenfalls nicht. Ursprünglich sollte sie vor der nächsten Präsidentschaftswahl 2024 einsatzbereit sein. Dieser Termin ist schon jetzt nicht mehr zu halten: Wer auch immer die Wahl 2024 gewinnt, wird auch diese Amtsperiode noch in den mehr als 30 Jahre alten «Air Force One»-Flugzeugen reisen, die unter George Bush senior ihre ersten Einsätze hatten.