Tote aus Nordkorea Das düstere Geheimnis der Geisterschiffe im Japanischen Meer

tsha

24.7.2020

Am Strand der nordjapanischen Insel Sado wurden im Dezember 2019 die Reste dieses Fischerboot angespült, ausserdem wurden mehrere Leichen entdeckt, bei denen es sich um Fischer aus Nordkorea handeln soll.
Am Strand der nordjapanischen Insel Sado wurden im Dezember 2019 die Reste dieses Fischerboot angespült, ausserdem wurden mehrere Leichen entdeckt, bei denen es sich um Fischer aus Nordkorea handeln soll.
Bild: Keystone

Seit Jahren treiben immer wieder Geisterschiffe an die japanische Küste. An Bord: tote Fischer aus Nordkorea. Jetzt gibt es eine neue Theorie, was hinter der Tragödie stecken könnte.

Nordkorea ist eines der ärmsten Länder der Welt. Während sich die Führung des stalinistischen Regimes bereichert und sich ein teures Atomwaffenprogramm leistet, leidet die Bevölkerung unter den Sanktionen, die dem Land auferlegt wurden.

Schlagzeilen machten in den letzten Jahren auch immer wieder Meldungen sogenannter «Geisterschiffe» aus dem abgeschotteten Land, die an den Küsten Japans angespült wurden. An Bord befinden sich die teils bereits skelettierten Leichen von Fischern aus Nordkorea.



Bislang war unklar, wie es zu den vielen Toten kam. So wurden schlechte Wetterbedingungen dafür verantwortlich gemacht, dass die Schiffe kenterten und schliesslich mitsamt ihrer toten Besatzung an der japanischen Küste anlandeten. Einer weiteren Theorie zufolge ist der miserable Zustand der nordkoreanischen Fischereiflotte für die vielen Unglücke verantwortlich. Die Nichtregierungsorganisation Global Fishing Watch hat nun eine andere Erklärung, wie CNN berichtet.

Mehr als 100 «Geisterschiffe»

Demnach sind chinesische Fischer Schuld an den «Leichenschiffen». Indem sie illegalerweise in nordkoreanische Hoheitsgewässer eindringen, würden sie die lokalen Fischer immer weiter aufs offene Meer hinausdrängen. Für Einsätze derart weit von der Küste entfernt, seien die Schiffe allerdings nicht gerüstet, weswegen es immer wieder zu Unglücken komme. Ausserdem gebe es Fälle, in denen die nordkoreanische Besatzung deswegen verhungert sei.

Laut CNN wurden im Jahr 2016 mindestens 66 nordkoreanische Fischerboote in Japan angespült; im Jahr darauf waren es schon mehr als 100 Boote mit insgesamt 35 Leichen an Bord. Seitdem werden immer mehr Schiffe an den japanischen Küsten entdeckt, wenn auch mit weniger Toten.



Laut dem Bericht von Global Fishing Watch zeigen Satellitenaufnahmen aus den Jahren 2017 und 2018, wie Hunderte Fischerboote aus China vor der Küste Nordkoreas die Meere ausbeuten – offenbar ohne Erlaubnis. Die chinesischen Fangflotten hätten es dabei auf den Pazifischen Kalmar abgesehen, eine der teuersten Fischarten, die in der Region heimisch ist. In nur zwei Jahren sei Pazifischer Kalmar im Wert von mehr als 440 Millionen US-Dollar von chinesischen Booten aus nordkoreanischen Gewässern geholt worden, so die Organisation.

Immer mehr «Witwendörfer»

«Es ist wahrscheinlich, dass der Wettbewerb durch die chinesischen Fischerboote die nordkoreanischen Fischer vertreibt und in benachbarte russische Gewässer zwingt», erklärt Jungsam Lee vom Korea Maritime Institute, einer der Koautoren der Studie. «Die kleinen nordkoreanischen Holzboote sind schlecht ausgerüstet für diese weiten Entfernungen.»

Im November 2017 wurde dieses nordkoreanische Fischerboot im japanischen Yurihonjo angespült.
Im November 2017 wurde dieses nordkoreanische Fischerboot im japanischen Yurihonjo angespült.
Bild: Keystone

Für Katherine Seto von der University of California in Santa Cruz, die ebenfalls an der Studie mitgearbeitet hat, handelt es sich beim Vorgehen der chinesischen Fischer um «alarmierende und wahrscheinlich noch zunehmende Menschenrechtsverletzungen». Laut CNN hat sich das chinesische Aussenministerium bislang nicht zu den Vorwürfen geäussert.

Derweil landen immer mehr «Geisterschiffe» in Japan an – mehr als 1'000 Kilometer von ihren Heimathäfen entfernt. In Nordkorea, so der Bericht von Global Fishing Watch, gebe es bereits Fischerorte fast gänzlich ohne männliche Bevölkerung – von den Einheimischen werden sie «Witwendörfer» genannt. 

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