Chinesische Städte im Lockdown Diesmal könnten die Lieferketten länger unterbrochen bleiben

Andreas Fischer

19.3.2022

Neue Corona-Welle in China

Neue Corona-Welle in China

In China steigen die Infektionszahlen erneut an. An vielen Orten im Land reagieren die Behörden mit Massentests und dem Bau mobiler Spitäler.

18.03.2022

China steckt in der schwersten Corona-Welle seit dem Beginn der Pandemie. Dass die Regierung an der gescheiterten Zero-Covid-Strategie festhält, wird für die globale Wirtschaft zum Risiko.

Andreas Fischer

19.3.2022

Wenn in China der sprichwörtliche Sack Reis umfällt, dann interessiert das mittlerweile die ganze Welt: Kein einzelnes Land ist für die globale Wirtschaft wichtiger. Etwa ein Drittel der gesamten Produktionskapazität der Welt ist dort angesiedelt, rechnet die BBC vor. Wenn es in China also zu Unterbrechungen der Produktionsprozesse kommt, dann spürt man sie überall. Derzeit kommt es häufiger zu Unterbrechungen.

Die Regierung in Peking fährt eine strenge Zero-Covid-Politik. Die Strategie der chinesischen Behörden hat sich seit Beginn der Pandemie 2020 nicht geändert: Werden in einer Stadt Infektionen gemeldet, sollen die Ausbrüche möglichst zu Beginn im Keim erstickt werden. Kontakte werden rigoros nachverfolgt, Menschen sollen nicht vor die Tür gehen, bis mit Massentests die positiven Fälle herausgefiltert und in Isolation geschickt wurden.

Das rigorose Vorgehen birgt erhebliche Risiken für die Weltwirtschaft. China ist «die Werkbank der Welt», titelte das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» in der Online-Ausgabe. Wenn niemand an der Werkbank arbeitet, kann es auch in den Volkswirtschaften anderer Länder ziemlich düster aussehen.

Eine Stadt im Lockdown, die ganze Welt betroffen

Zuletzt wurde über die 17-Millionen-Stadt Shenzhen ein einwöchiger Lockdown verhängt, nachdem 75 Fälle an einem Tag gezählt worden waren. Für zahlreiche Medien war das vor allem eine Meldung wert, weil Apple dort vom Zulieferer Foxconn zahlreiche Produkte herstellen lässt. Dabei werden in der Metropole, die im Süden an Hongkong grenzt, nicht nur iPhones gebaut.

Shenzen ist Sitz zahlreicher chinesischer Hightech-Unternehmen. In gigantischen Fabriken werden Mikrochips gefertigt, die überall auf der Welt gebraucht werden. Wenn dort niemand mehr arbeiten darf, dann drohen die ohnehin strapazierten Lieferketten, auf längere Sicht abzureissen.

Kommt hinzu, dass Shenzhen auch ein wichtiger Hafen für den weltweiten Versand chinesischer Waren ist: Die Gefahr möglicher Verwerfungen ist gross, urteilt Konjunkturexperte Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. «Die Auswirkungen der Lockdowns sind bereits jetzt sichtbar. Unsere Indikatoren zeigen, dass der für den asiatisch-europäischen Handel wichtige Containerschiffsverkehr im Roten Meer aktuell 15 Prozent unter dem Niveau liegt, das ohne die vor allem von China ausgehenden Restriktionen zu erwarten wäre.»

Schweizer Firma von Lockdown betroffen

Shenzhen ist nur eine Stadt von vielen, die derzeit von einer Corona-Welle getroffen werden. Auch in Shanghai, dem bedeutendsten Wirtschaftszentrum des Landes, gilt ein Quasi-Lockdown. Menschen dürfen ihre Wohnhäuser nicht verlassen. Zahlreiche Unternehmen müssen den Betrieb einstellen, darunter der Lift- und Rolltreppenbauer Schindler aus Ebikon LU.

In Jiading, einem Stadtteil von Schanghai, befindet sich die grösste Produktionsstätte von Schindler im Raum Asien-Pazifik, wie eine Sprecherin auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP sagte. Dort ist neben einem Forschungs- und Ausbildungszentrum auch der Hauptsitz von Schindler in China ansässig. Schindler macht keine Angaben zur Zahl der vom Lockdown betroffenen Mitarbeitenden. Man halte sich mit der Schliessung an die Vorgaben der lokalen Behörden, um die Pandemie unter Kontrolle zu bringen.

Neben der Ostküste ist auch das Zentrum der chinesischen Schwerindustrie im Nordosten des Landes betroffen. In der Metropole Changchun musste der deutsche Autobauer Volkswagen wegen eines Corona-Lockdowns vorübergehend die Produktion in drei seiner Werke stoppen.

China steht vor schwierigen Zeiten

Rund 5000 Fälle wurden Anfang der Woche landesweit registriert. Das mag aus Schweizer Sicht gering erscheinen, zumal in einem Land mit 1,4 Milliarden Menschen. Doch China ist in Alarmstimmung. Bisher war kaum ein Chinese mit dem Virus infiziert, ausserdem gelten chinesische Impfstoffe als weniger wirksam.

Steigen die Infektionszahlen trotz aller Bemühungen weiter, dürften China schwierige Wochen und Monate bevorstehen. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis es zu einem flächendeckenden Ausbruch kommt. Die Folgen wären nicht nur in China spürbar: Die Werkbank der Welt könnte lahmgelegt werden.

Dass über die 17-Millionen-Metropole Shenzhen zuletzt ein Lockdown verhängt wurde, war bis an die Börsen zu spüren. In der Stadt sind zahlreiche Elektronikhersteller ansässig, die ihre Fabriken schliessen mussten.
Dass über die 17-Millionen-Metropole Shenzhen zuletzt ein Lockdown verhängt wurde, war bis an die Börsen zu spüren. In der Stadt sind zahlreiche Elektronikhersteller ansässig, die ihre Fabriken schliessen mussten.
AP

Mit Material der Nachrichtenagenturen, SDA-Keystone und AFP.